Spruch:
Der Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg vom 29. Mai 1996, GZ 11 Vr 376/95-49, verletzt das Gesetz in dem im XX.Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der materiellen Rechtskraft.
Dieser Beschluß wird aufgehoben.
Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der bedingten Nachsicht der mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. Mai 1991, GZ 7 b E Vr 12.831/90-10, über Robert E***** verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem im Spruch bezeichneten rechtskräftigen Urteil wurde Robert E***** wegen Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Mit rechtskräftigem Beschluß vom 10. Februar 1995, GZ 7 b E Vr 12.831/90-16, wurde die Strafe endgültig nachgesehen.
In weiterer Folge wurde er mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 29. Mai 1996, GZ 11 Vr 376/95-49, wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 (§ 161 Abs 1) StGB und des Vergehens der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 (§ 161 Abs 1) StGB wiederum zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde vom Widerruf der im Verfahren des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Nachsicht abgesehen, die dort ausgesprochene Probezeit jedoch auf fünf Jahre verlängert (§ 494 a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO).
Rechtliche Beurteilung
Wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zu Recht ausführt, steht der diesbezügliche Beschluß mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Im Zeitpunkt der Beschlußfassung war die Strafe bereits endgültig nachgesehen. Die Entscheidung entfaltete ab ihrem Ergehen Bindungswirkung und erlangte mit Wegfall der Anfechtbarkeit im Beschwerdeweg die in der Strafprozeßordnung zwar nicht ausdrücklich geregelte, aber durch die Bestimmung des XX.Hauptstückes dieses Gesetzes umschriebene materielle Rechtskraft. Der aufrechte Bestand dieser Entscheidung ließ somit keine Beschlußfassung über die damit erledigte Sache zu (SSt 56/18, EvBl 1989/64).
Die unterlaufene Gesetzesverletzung wirkte sich durch die Probezeitverlängerung zum Nachteil des Verurteilten aus. Der verfehlte Beschluß war somit zu kassieren und der ihm zugrunde liegende Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft abzuweisen (§ 292 letzter Satz StPO).
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