Spruch:
Im Verfahren zum AZ 2 U 2/95 des Bezirksgerichtes Ferlach ist das Gesetz in der Bestimmung des § 88 Abs 2 Z 4 StGB verletzt:
1. durch den im Urteil (ON 29) des genannten Bezirksgerichtes vom 29. Jänner 1996 enthaltenen Teilfreispruch,
2. durch das diesen Teilfreispruch bestätigende Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 30.April 1996, AZ 7 Bl 58/96.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Bezirkgsgerichtes Ferlach vom 29.Jänner 1996, GZ 2 U 2/95-33, wurden Ernst W***** und Mario O***** einerseits des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB schuldig erkannt und zu Geldstrafen verurteilt sowie andererseits vom Vorwurf einer fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB zum Nachteil der Karoline M***** gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Das Urteil erging über Anklagevorwürfe, denen ein Verkehrsunfall zugrunde lag, bei welchem die beiden Verurteilten am 25.September 1994 in Z***** jeweils als Lenker eines Personenkraftwagens wegen sorgfaltswidriger Fahrweise eine Kollision der beiden Fahrzeuge verschuldet hatten. Durch den Zusammenstoß erlitten die beiden Verurteilten schwere Körperverletzungen. Außerdem wurden die Beifahrerinnen Christine W***** und Karoline M***** leicht verletzt, wobei hinsichtlich der Letztgenannten keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit von mehr als dreitägiger Dauer eintrat.
Das Bezirksgericht lastete dem Beschuldigten Ernst W***** die fahrlässige Körperverletzung zum Nachteil des Mario O***** und dem Beschuldigten Mario O***** die fahrlässigen Körperverletzungen zum Nachteil des Ernst W***** und der Christine W***** an. Vom Vorwurf einer fahrlässigen Körperverletzung der Karoline M***** sprach das Gericht die beiden Beschuldigten gemäß § 259 Z 3 StPO frei, weil es mangels schweren Verschuldens der Täter und im Hinblick auf die Geringfügigkeit der Tatfolgen den Straflosigkeitsgrund nach § 88 Abs 2 Z 4 StGB als erfüllt ansah.
Ernst W***** und Mario O***** ließen das Urteil unangefochten, wogegen die Staatsanwaltschaft gegen den freisprechenden Teil eine Berufung wegen Nichtigkeit aus dem Grunde des § 468 Abs 1 Z 4 (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a) StPO ergriff.
Dieser Berufung gab das Landesgericht Klagenfurt mit Urteil vom 30. April 1996, AZ 7 Bl 58/96, nicht Folge.
Das Berufungsgericht gelangte in Übereinstimmung mit dem Erstgericht zur Auffassung, daß die Straflosigkeit einer fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 2 Z 4 StGB selbst dann gegeben sei, wenn durch das Tatgeschehen auch strafbarkeitsbegründende Körperverletzungen anderer Personen herbeigeführt wurden.
Rechtliche Beurteilung
Die in den Urteilen beider Instanzen enthaltene Annahme der Straflosigkeit der fahrlässigen Körperverletzung zum Nachteil der Karoline M***** steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit der Bestimmung des § 88 Abs 2 Z 4 StGB nicht im Einklang:
Wenn aus der Fahrlässigkeitstat nicht nur eine unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des § 88 Abs 2 Z 4 StGB liegende Verletzung einer Person, sondern darüber hinausgehende Verletzungen (oder der Tod) wenigstens einer weiteren Person entstanden sind, ist nach herrschender Rechtsprechung - gestützt auf den Gesetzeswortlaut - die Bestimmung des § 88 Abs 2 Z 4 StGB nicht anwendbar (Leukauf/Steininger Komm3 § 88 RN 23, EvBl 1989/140, 12 Os 42,43/96; aM: Burgstaller im WK Rz 63, Kienapfel BT I3 RN 52, Mayerhofer/Rieder4 Anm 5, jeweils zu § 88 StGB). Der Teilfreispruch der beiden Beschuldigten war daher materiellrechtlich verfehlt und zudem auch prozeßrechtlich unrichtig, weil die Anklage gegen jeden Beschuldigten auf eine durch mehrfachen Erfolgseintritt gekennzeichnete Verletzung desselben Gesetzes durch eine einzige Tat lautete (Idealkonkurrenz, siehe ZVR 1980/26) und bei solchen Gegebenheiten partielle "Subsumtionsfreisprüche" oder "Qualifikationsfreisprüche" nicht vorgesehen sind.
Sowohl das Bezirksgericht Ferlach als auch das Landesgericht Klagenfurt haben daher die Bestimmungen des § 88 Abs 2 Z 4 StGB unrichtig angewendet.
Da die Gesetzesverletzungen den Verurteilten nicht zum Nachteil gereichen, hatte ohne Anordnung weiterer Maßnahmen (§ 292 letzter Satz StPO) ein Feststellungserkenntnis zu ergehen.
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