OGH 11Os133/96

OGH11Os133/961.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Oktober 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Hager, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Scholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herta H***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Herta H***** und Karl H***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht St.Pölten vom 3. Mai 1996, GZ 24 Vr 759/95-87, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Jerabek, der beiden Angeklagten und der Verteidiger Dr. Pranz und Dr. Reinitzer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem stimmeneinhelligen Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Herta und Karl H***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB, Karl H***** als Beteiliger nach § 12 (erg.: dritter Fall) StGB schuldig erkannt.

Darnach hat Herta H***** in U********** während eines längeren, nicht mehr feststellbaren Zeitraumes bis zum 10. Mai 1966 dadurch, daß sie dem Karl H***** sen das thalliumsulfathaltige Rattengift "Zelio" in das Essen mischte und ihm dieses verabreichte, sowie am 10. Mai 1966 dem bettlägerigen moribunden Karl H***** sen einen Plastiksack über den Kopf stülpte und den Sack zuhielt, bis Karl H***** sen keine Luft mehr bekam, den Genannten vorsätzlich getötet; Karl H***** hat zur Ausführung dieser Mordtat dadurch beigetragen, daß er zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt während eines mehrwöchigen Zeitraumes vor dem 10. Mai 1966 das Pflanzenschutzmittel E 605 beschaffte und es Herta H***** zum Zwecke der Vergiftung seines Vaters Karl H***** sen übergab bzw daß er am 10. Mai 1966 am Tatort zugegen war, um den Tatentschluß der Herta H***** zu bestärken.

Rechtliche Beurteilung

Beide Angeklagten bekämpfen den Schuldspruch mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, denen keine Berechtigung zukommt.

Herta H***** beruft sich in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde auf die Gründe der Z 4, 6, 8 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO.

Unberechtigt ist der unter dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund (Z 4) erhobene Vorwurf, den Geschworenen wären wesentliche Beweisergebnisse des Vorverfahrens, so insbesondere die Aussagen der Zeugin Johanna S***** vor der Gendarmerie und dem Untersuchungsrichter, vorenthalten worden, weil diese entgegen der Vorschrift des § 252 Abs 2 StPO in der Hauptverhandlung nicht verlesen wurden. Die Beschwerdeführerin verkennt, daß nur unter Mißachtung oder unter Umgehung gesetzlicher Verbote vorgenommene Verlesungen, nicht aber das Unterbleiben einer Verlesung im Sinn des § 252 Abs 2 StPO vom Gesetz mit Nichtigkeit bedroht ist (§ 252 Abs 1 und Abs 4 StPO); die Rüge ist daher schon unter diesem formellen Gesichtspunkt verfehlt. Die für bedeutsam erachteten Angaben der Zeugin S***** im Vorverfahren fanden im übrigen ohnedies in Form von Vorhalten in der Hauptverhandlung Eingang in die unmittelbare Beweisaufnahme (siehe 514 ff/I./); wenn die Beschwerdeführerin eine darüber hinausgehende Information der Geschworenen für notwendig erachtete, hätte sie durch entsprechende Verlesungsanträge in der Hauptverhandlung dafür Sorge tragen bzw im Fall der erfolglosen Antragsstellung die Grundlage für die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 345 Abs 1 Z 5 StPO schaffen können. Zu einer derartigen Antragsstellung sah sich die Beschwerdeführerin aber nicht veranlaßt.

Auch eine in der unterbliebenen Fragestellung nach (bloß) versuchtem Mord erblickte Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) ist dem Schwurgerichtshof nicht unterlaufen, weil Tatsachen, die für diese Erscheinungsform der angelasteten Straftat sprechen könnten, in der Hauptverhandlung nicht einmal andeutungsweise vorgebracht wurden; auch die Beschwerdeführerin verweist ohne konkrete Bezugnahme auf ein Verfahrensergebnis nur auf die rein spekulative Möglichkeit einer in diesem Sinne "differenzierten Beurteilung". Für die begehrte (eventuale) Fragestellung bestand sohin kein Anlaß. Im übrigen wurden die Geschworenen entgegen dem Beschwerdevorbringen ohnedies dahin belehrt, daß sie die ihnen vorgelegte, mehrere verschiedenartige Tathandlungen beinhaltende Hauptfrage auch nur teilweise bejahen können. Diese Belehrung ist der im Beratungszimmer aufliegenden (§ 325 Abs 2 StPO) "Allgemeinen Rechtsbelehrung für die Geschworenen" (StPO Form. RMB 1) und auch dem Formblatt der Fragen an die Geschworenen (535/I./) mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen.

Unbegründet ist ferner der Vorwurf einer die Geschworenen "irreführenden" Rechtsbelehrung (Z 8). Die - an sich überflüssige, weil nur die von den Geschworenen ohnehin gemeinsam mit dem Schwurgerichtshof zu verhängende Sanktion betreffende - Belehrung, daß für die "bereits im Jahre 1966 begangene, sohin mehr als 20 Jahre zurückliegende Straftat" vorliegend nur eine Freiheitsstrafe von 10-20 Jahren gesetzlich vorgesehen ist (527/I./), erweckt nämlich auch bei einem Laienrichter keineswegs, wie dies in der Beschwerde in den Raum gestellt wird, "zwangsläufig" den Eindruck, daß der Beratung von vornherein die Tatsache der Begehung der angelasteten Straftat zugrundegelegt werden muß. Auch der von der Beschwerdeführerin vernachlässigte Hinweis der Rechtsbelehrung, daß nur bei Bejahung der Hauptfrage ein Schuldspruch, bei Verneinung aber ein Freispruch von der Anklage zu erfolgen hat (533/I./), widerspricht nachhaltig dem rein spekulativen Beschwerdestandpunkt.

Letztlich versagt auch die Tatsachenrüge (Z 10 a); ihr genügt es zu erwidern, daß die darin ins Treffen geführten Argumente, so insbesondere die kritische Einschätzung der Glaubwürdigkeit der belastenden Angaben des Mitangeklagten Karl H***** und der Zeugin Johanna S***** - soweit sich dieses Vorbringen nicht überhaupt in einer unzulässigen Bekämpfung der allein den Geschworenen obliegenden Beweiswürdigung erschöpft - nicht geeignet sind, Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Herta H***** war daher zu verwerfen.

Aber auch der allein auf § 345 Abs 1 Z 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl H***** kommt keine Berechtigung zu.

In bezug auf den bereits von der Mitangeklagten Herta H***** geltend gemachten Vorwurf einer durch die gesetzeskonforme Belehrung über die (erst für den Fall der Bejahung der Hauptfrage aktuelle) Strafdrohung der Lösung der Tatfrage vorgreifenden, demzufolge unrichtigen Rechtsbelehrung genügt der Hinweis auf das dazu bereits Gesagte.

Nicht begründet ist ferner der Vorwurf, daß die Geschworenen nur "unvollständig" über die Voraussetzungen der Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall StGB in Form der sogenannten intellektuellen Beihilfe in Kenntnis gesetzt worden wären. Dadurch, daß die Geschworenen ausdrücklich über die Notwendigkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der (allenfalls nur psychischen) Beitragshandlung und der konkreten Tatausführung hingewiesen wurden und diese Aufklärung darüberhinaus auch noch durch den Hinweis bestärkt wurde, daß diese Unterstützung konkret Wirksamkeit entfalten muß (531, 533/I./), war der Rechtsbelehrung - zwar nicht wortwörtlich, aber ihrem unmißverständlichen Sinngehalt nach - auch die vom Beschwerdeführer demzufolge zu Unrecht als verabsäumt gerügte Information zu entnehmen, daß intellektuelle Beihilfe dann nicht in Betracht kommt, wenn der unmittelbare Täter einer derartigen Unterstützung konkret nicht bedurfte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl H***** war sohin gleichfalls zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte gemäß § 75 StGB iVm § 57 Abs 1 StGB über Herta H***** unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf fünf Urteile, mit denen sie in vier Fällen wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung (§§ 88 Abs 1; 88 Abs 1 und Abs 4 StGB) und in einem Fall wegen des Vergehens der versuchten Täuschung (§§ 15, 108 StGB) jeweils zu Geldstrafen verurteilt worden war, eine Zusatzfreiheitsstrafe von fünfzehn Jahren, über Karl H***** unter Bedachtnahme auf drei Urteile, mit denen er in zwei Fällen wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung (§§ 88 Abs 1; 88 Abs 1 und Abs 4 StGB) und in einem Fall wegen des Vergehens der Körperverletzung (§ 83 StGB) jeweils zu Geldstrafen verurteilt worden war, eine Zusatzfreiheitsstrafe von zehn Jahren. Dabei wertete es den Umstand, daß die Angeklagten aus Habgier, somit aus besonders verwerflichen Beweggründen, ferner heimtückisch, grausam und in einer für das ihnen nahestehende Opfer qualvollen Weise handelten, als erschwerend hingegen den ordentlichen Lebenswandel beider Angeklagten zur Tatzeit und die Tatbegehung vor längerer Zeit, bei Karl H***** auch den Umstand, daß er nur in untergeordneter Weise an der strafbaren Handlung beteiligt war, als mildernd.

Die Angeklagten streben mit ihren Berufungen jeweils eine Herabsetzung der über sie verhängten Freiheitsstrafen an, Karl H***** unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB.

Dem Angeklagten Karl H***** ist zwar im Sinne der Berufungsargumentation der Beitrag zur Wahrheitsfindung - zusätzlich - als mildernd zugute zu halten, hingegen fällt ihm, ebenso wie der Angeklagten Herta H***** (infolge Anwendung der §§ 31, 40 StGB) das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen zusätzlich als erschwerend zur Last; daß die Tat schon vor längerer Zeit begangen wurde, tritt bedeutungsmäßig insoferne in den Hintergrund, als von einem Wohlverhalten beider Angeklagten seither im Hinblick auf die erwähnten Vorverurteilungen nicht gesprochen werden kann.

Soweit der Antrag der Angeklagten Herta H***** auf Strafreduktion im wesentlichen damit begründet wird, sie habe seit dem Jahre 1966 ein absolut rechtschaffenes Leben geführt, immer schwer gearbeitet, ihre Kinder ordentlich erzogen und ihnen eine ordentliche Ausbildung ermöglicht, werden für die angestrebte Strafkorrektur ebensowenig hinreichende Grundlagen aufgezeigt wie mit dem Hinweis auf ihr Alter und die behaupteten ehelichen Probleme.

Die Schuld der beiden Angeklagten wird in besonderem Maße (negativ) geprägt durch die die Mordtat auslösenden Beweggründe, die im Bestreben der Angeklagten, ihre vermögensrechtlichen Interessen unter allen Umständen, letztlich durch die vorsätzliche Tötung des Vaters bzw Schwiegervaters - der der Realisierung ihrer Intentionen, das elterliche Anwesen zu bekommen, entgegenstand bzw sie immer wieder in Frage stellte - zu behaupten, ein Handeln aus verwerflicher niedriger Gesinnung deutlich erkennen lassen.

Wird all das bei Ausmessung der verwirkten Strafe gebührend berücksichtigt, so zeigt sich, daß angesichts der besonderen Schwere der personalen Täterschuld (§ 32 StGB) eine Strafreduktion - auch unter Bedachtnahme auf die in den Berufungen vorgetragenen Argumente - nicht in Betracht gezogen werden kann.

Beiden Berufungen war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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