OGH 6Ob511/96

OGH6Ob511/9630.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 17. November 1980 geborenen Iris U*****, vertreten durch die Mutter, Margareta U*****, als Unterhaltssachwalterin, diese vertreten durch Dr.Sonja Sturm-Wedenig, Rechtsanwalt in Leoben, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Rekursgerichtes vom 21.November 1995, GZ 2 R 587/95-39, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Leoben vom 17. Oktober 1995, GZ 2 P 75/94-36, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung

Die am 17.11.1980 geborene Iris ist die Tochter von Margareta und Peter U*****. Sie lebt mit beiden Eltern, deren Ehe aufrecht ist, im gemeinsamen Haushalt. Die Mutter ist nicht erwerbstätig. Der Vater verdiente zunächst bis 28.2.1995 monatlich einschließlich Sonderzahlungen rund S 20.600,-- netto, war danach bis 21.5.1995 ohne Beschäftigung und verdient seither rund S 20.000,-- netto. Der Vater, der seit der Eheschließung im Jahr 1979 die gesamte finanzielle Gebarung der Familie einschließlich der Haushaltsausgaben allein besorgte, kam und kommt für alle mit der Wohnung verbundenen Kosten sowie für alle Lebensmittel auf. Er zahlt Iris ein monatliches Taschengeld von S 100,-- (8 x jährlich) bzw S 200,-- (4 x jährlich). 1994 erbrachte er außer für einen Schikurs von S 2.000,-- keine weiteren Geldleistungen an seine Tochter. Seit 1989 bezieht die Mutter die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für die Minderjährige von monatlich S 2.000,--. Anläßlich der Änderung des Familienbeihilfenbezuges verlangte der Vater dessen Verwendung für die Minderjährige, die Mutter hat die Familienbeihilfe auch tatsächlich für sie verwendet.

Als Sachwalterin der Minderjährigen beantragte die Mutter im April 1994, den Vater ab 1.1.1994 zu einem monatlichen Geldunterhalt für Iris zu verpflichten, weil er seiner Naturalunterhaltspflicht nicht ausreichend nachkomme. Er sei der Ansicht, daß abgesehen von den mit der Wohnung verbundenen Kosten und den für die Familie getätigten Einkäufen die Mutter, die kein Haushaltsgeld erhalte, mit der von ihr bezogenen Familienbeihilfe das Auslangen finden müsse. Ausgehend von einem Durchschnittseinkommen von S 24.000,-- sei ein monatlicher Unterhalt für die Minderjährige von S 4.080,-- angemessen. Die Fixkosten für die Wohnung machten monatlich S 5.400,-- aus; abzüglich des auf die Minderjährige entfallenden Anteiles ergebe sich ein Geldunterhaltsanspruch von S 2.280,-- monatlich, welcher begehrt werde.

Der Vater begehrt die Abweisung des Antrages, weil er seiner Naturalunterhaltspflicht zur Gänze nachkomme.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt. Es liege eine Unterhaltsverletzung des Vaters vor. Der Unterhalt umfasse den gesamten Bedarf eines Kindes an Nahrung, Kleidung, Unterricht, Erziehung, kulturellen und sportlichen Bedürfnissen. Der Vater habe neben dem Naturalunterhalt im Jahr 1994 für diese Bedürfnisse keinen Beitrag geleistet. Ausgehend von einem Nettoeinkommen von S 20.000,-- sei ihm neben der Zahlung der Fixkosten und des Naturalunterhaltes ein Geldunterhalt von S 2.280,-- zumutbar.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters Folge und wies den Antrag der Minderjährigen gänzlich ab.

Zur Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage, die das Erstgericht mit rund S 20.000,-- pro Monat angenommen habe, müsse wegen der speziellen Situation im vorliegenden Fall auch die Familienbeihilfe hinzugezählt werden. Diese habe den Charakter einer Betreuungshilfe und gelte als Einkommen des Anspruchsberechtigten. Dies sei grundsätzlich jene Person, zu deren Haushalt das Kind gehöre. Das Kind, für das Familienbeihilfe bezogen werde, könne vom Unterhaltspflichtigen grundsätzlich nicht deren Herausgabe neben dem Unterhalt begehren. Als Einkommen des Unterhaltspflichtigen und nicht des Kindes sei sie aber bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen. Auch wenn die Familienbeihilfe direkt an die Mutter gezahlt werde, handle es sich um Einkommen des Vaters, das er an die Mutter weitergebe, damit sie nach ihren eigenen Angaben davon Anschaffungen für Iris bestreite. Die Unterhaltsbemessungs- grundlage sei daher unter Außerachtlassung der kurzen Zeit der Arbeitslosigkeit des Vaters mit S 22.000,-- anzunehmen, der Unterhaltsanspruch von 17 % betrage S 3.740,--. Gehe man für freie Kost und Station, wiederum zum Nachteil des Vaters, nicht von konkreten, allenfalls höheren Beträgen, sondern von den zum Zweck des Steuerabzuges verlautbarten Sätzen für Sachbezüge aus, seien S 2.700,-- pro Monat zu veranschlagen. Zuzüglich der für die Minderjährige verwendeten Familienbeihilfe und eines Taschengeldes von rund S 100,-- pro Monat habe der Vater daher Leistung von rund S 4.800,-- monatlich erbracht, welche den errechneten Unterhaltsanspruch der Minderjährigen demnach um rund S 1.000,-- überstiegen hätten.

Der Vater habe angegeben, anläßlich der Beendigung seines Dienstverhältnisses Ende Februar 1995 S 336.000,-- ausgezahlt erhalten zu haben. Da in diesem Betrag auch das Gehalt für Februar 1995 und aliquote Sonderzahlungen enthalten gewesen seien, sei die Abfertigung mit rund S 300.000,-- anzunehmen. Diese sei wegen des gemeinsamen Haushaltes von Vater und Kind nur zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen und nach den Umständen des Einzelfalles, um erhebliche Schwankungen in der Bemessungsgrundlage in kurzen Zeiträumen zu vermeiden, auf 2 Jahre aufzuteilen. Damit erhöhe sich die Unterhaltsbemessungsgrundlage auf rund S 28.200,--, der Unterhaltsanspruch der Minderjährigen auf monatlich S 4.800,--, also auf jenen Betrag, den der Vater ohnedies bereits leiste. Eine Verletzung der Unterhaltspflicht könne ihm daher nicht vorgeworfen werden.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zum Problem der Einbeziehung der Familienbeihilfe in die Bemessungsgrundlage in jenen Fällen, in denen das Kind im gemeinsamen Haushalt beider Eltern lebe, und auf welche Weise einmalige Sonderzahlungen bei gemeinsamem Haushalt die Unterhaltsbemessungsgrundlage beeinflussen, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bekannt sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Minderjährigen ist zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen auch berechtigt.

Gehört das Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, bestimmt § 2 a Abs 1 FamLG, daß der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vorgeht. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 12 a FamLG idF BGBl 1977/646 (mit Wirkung ab 1.1.1978) gilt die Familienbeihilfe nicht als eigenes Einkommen des Kindes und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch. Es entspricht dem Willen des Gesetzgebers (636 BlgNr 14. GP) und der Rechtsprechung (EFSlg 41.028; RZ 1991/26 uva), daß die Familienbeihilfe seither den Charakter einer Betreuungshilfe hat. Sie soll vorzugsweise jener Person zugute kommen, die die Last der Pflege und Betreuung des Kindes trägt und diese Last vorzugsweise abgelten. In diesem Sinn ist die Familienbeihilfe ein Einkommen jener Person, die die Betreuung tatsächlich leistet, ohne daß der Betrag unmittelbar dem Kind zuzuwenden wäre. Sie soll in ungeschmälerter Höhe dem Haushalt zukommen, in dem das Kind betreut wird und keine Entlastung jener Person bringen, die zwar für das Kind geldunterhaltspflichtig ist, bei der es jedoch nicht haushaltszugehörig ist. Die gesetzlichen Regelungen sind ihrem Zweck nach ganz offensichtlich auf die unvollständige Familie (Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt nur eines Elternteiles und Geldunterhaltspflicht des anderen Teiles) abgestellt.

Besteht, wie im vorliegenden Fall, aber ein gemeinsamer Haushalt der Eltern mit dem Kind und steht diesem daher nur ein Anspruch auf Naturalunterhalt zu, ist zu prüfen, wie sich der Bezug der Familienbeihilfe durch den betreuenden Elternteil auf die Beurteilung einer allfälligen Verletzung der Naturalunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteiles auswirkt. Grundsätzlich sind die Eltern in der finanziellen Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse und in der Entscheidung, in welchem Umfang (sparsam oder großzügig) sie Naturalunterhalt an ihre Kinder leisten wollen, solange der gesetzliche Unterhalt nicht unterschritten wird, frei. Da die Familienbeihilfe aber als Betreuungsgeld Einkommen des betreuenden Elternteiles ist und dieser nach § 140 ABGB durch die Betreuung seinen Unterhaltsbeitrag für das Kind leistet, kann bei Uneinigkeit der Eltern und bei Widerspruch des betreuenden Teiles gegen die ausschließliche Verwendung der Familienbeihilfe für das Kind auch bei gemeinsamem Haushalt nicht von vornherein davon ausgegangen werden, eine Unterhaltsverletzung des nicht betreuenden Elternteiles sei schon deshalb nicht gegeben, weil die Familienbeihilfe (unfreiwillig) ohnedies dem Kind zugute gekommen sei. Da aber nach § 140 Abs 2 ABGB auch der Elternteil, der den Haushalt führt, zum Unterhalt des Kindes beizutragen hat, soweit der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist oder mehr leisten müßte, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre, ist die Rechtssache noch nicht spruchreif.

Um zu beurteilen, ob dem Vater im vorliegenden Fall eine Verletzung seiner Naturalunterhaltspflicht anzulasten ist, fehlt es an Feststellungen über die finanzielle Gestaltung des gemeinsamen Haushaltes bis zur Antragstellung. Der Vater hat angegeben, größere Kredite aufgenommen zu haben, um die offenbar seinem doch bescheidenen Einkommen nicht ädquaten Bedürfnisse der Gesamtfamilie abzudecken. Sollte dies zutreffen, dann wären bei Beurteilung einer allfälligen Verletzung seiner Naturalunterhaltspflicht auch Rückzahlungsraten für aufgenommene Kredite als einkommensmindernd zu berücksichtigen, auch wenn, wie dies im Verfahren hervorgekommen ist, nach aufgetretenen Unstimmigkeiten der Eltern, die Mutter und über ihr geheiß auch die Tochter etwa einen angeschafften PKW nicht mehr benützten. Wenn nach den Lebensverhältnissen im gemeinsamen Haushalt das Einkommen des Vaters zur Deckung der tatsächlichen Ausgaben für die Familie nicht ausgereicht hat und diese nur unter Einbeziehung der Familienbeihilfe möglich waren, wird dies bei der Beurteilung, ob eine Unterhaltsverletzung zum Zeitpunkt der Antragstellung vorlag, zu berücksichtigen sein.

Alle Vermögensbestandteile, die nicht zur Abgeltung konkreter Aufwendungen geleistet werden oder reinen Barauslagenersatz darstellen, sind in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Auch einmalige Zahlungen, insbesondere auch Abfertigungen anläßlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses sind in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzurechnen, auch wenn sie als Überbrückungshilfe bis zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes dienen. Alle Unterhaltsberechtigten sollen auch von solchen einmaligen Einkünften des Unterhaltspflichtigen den ihnen nach dem Gesetz gebührenden Anteil erhalten. Auf die Umstände und Lebensverhältnisse ist aber nicht dadurch Rücksicht zu nehmen, daß überhaupt nur ein Teil eines solchen Einkommens der Aufteilung unterliegen und ein Teil dem Unterhaltspflichtigen allein zukommen soll. Eine Abfertigung ist vielmehr grundsätzlich auf einen im Einzelfall angemessenen Zeitraum aufzuteilen. Aber auch hier ist zu berücksichtigen, daß zwischen Eltern und Kind ein gemeinsamer Haushalt und damit zunächst nur eine Naturalunterhaltsverpflichtung besteht. Wurden, wie dies der Vater behauptet, ("weil es sich anders nicht ausgegangen ist") zur Finanzierung der Bedürfnisse der Familie auch Kredite verwendet, dann entspricht es auch einer ordnungsgemäßen und verantwortungsvollen Gebarung, eine angefallene Abfertigung zunächst zur Abdeckung der aufgenommenen Kredite zu verwenden und nicht über einen kurzen Zeitraum den Lebensstandard weiter zu erhöhen, um in der Folge (in noch größere finanzielle Schwierigkeiten durch weiter bestehende Kreditrückzahlungsverpflichtungen) zu geraten. Auch zur Beurteilung, inwieweit der Vater nach Erhalt der Abfertigung zu einer höheren Unterhaltsleistung verpflichtet gewesen wäre, ist es daher erforderlich, Zweck, Höhe und tatsächliche Verwendung von aufgenommenen Krediten, sowie die damit verbundenen Rückzahlungsverpflichtungen festzustellen. Erst dann kann abschließend beurteilt werden, ob und bejahendenfalls in welchem Ausmaß dem Vater eine Unterhaltsverletzung anzulasten ist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte