OGH 6Ob2197/96y

OGH6Ob2197/96y26.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Ch***** S*****, vertreten durch Prof. Dr.Franz Eckert, Rechtsanwalt in Baden und Dr.Eduard Klingsbigl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mag.K***** K*****, vertreten durch Dr.Richard Soyer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Widerruf infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 10.April 1996, GZ 17 R 49/96t-15, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

§ 1330 Abs 1 ABGB schützt die Ehre der Person, Abs 2 leg cit ihren wirtschaftlichen Ruf. Ehre und wirtschaftlicher Ruf sind absolute Rechte (MR 1993, 221 - No Problem Orchester mwN); ihr Schutz ist umfassend und nicht bloß auf die strafgesetzlichen Tatbestände beschränkt. Eine Ehrenbeleidigung nach bürgerlichem Recht ist vielmehr schon jedes der Ehre eines anderen nahetretende Verhalten, ohne daß es darauf ankommt, ob im konkreten Fall auch eine strafrechtliche Ahndungsmöglichkeit besteht (ecolex 1992, 233; ÖBl 1992, 140 - Politiker als Schnupfer; ÖBl 1992, 213 - Untersuchungsausschuß Magdalen; ÖBl 1993, 84 - Jubelbroschüre; MR 1993, 57 - Katastrophenbudget; MR 1995, 137 - Justizausschußvorsitzender; MR 1995, 137 - Homosexualität).

Rechtliche Beurteilung

Sowohl für die Beurteilung der Frage, ob "Tatsachen" verbreitet werden, als auch für den Sinngehalt (Bedeutungsinhalt) der Äußerung(en) kommt es nach ständiger Rechtsprechung auf den Gesamtzusammenhang und den damit vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung an; das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers (oder Hörers), nicht der subjektive Wille des Erklärenden ist maßgebend (MR 1995, 16 - Sauerei; MR 1995, 97 - Rösslwirtin; ecolex 1995, 407 je mwN). Der Auffassung des Berufungsgerichtes, wonach die Äußerung des Beklagten in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckte, der Kläger sei homosexuell, liegt mit Rücksicht auf den Inhalt dieser Äußerung und die konkreten Begleitumstände keine Fehlbeurteilung zugrunde, zumal die folgenden Medienberichte diesen Eindruck unmittelbar wiedergeben und der Beklagte in einem Artikel der Zeitschrift "Falter" vom 19.7.1995 das "Outing" homosexueller Personen in Machtpositionen angekündigt und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf kirchliche Würdenträger Bezug genommen hatte. Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht hat der Beklagte dem Kläger nicht bloß "homosexuelles Fühlen" vorgeworfen. Er hat vielmehr behauptet, seine Gruppe habe in einem "strengen Auswahlverfahren" sechs homosexuelle Bischöfe ermittelt, hinsichtlich eines jeden lägen mindestens drei Berichte von drei verschiedenen Informanten vor. Aus dieser Formulierung wird deutlich, daß der Beklagte entgegen seiner nunmehrigen Darstellung zum Ausdruck brachte, daß die dem Kläger vorgeworfene Gesinnung auch in Erscheinung getreten sei.

Die Auffassung des Berufungsgerichtes, im Vorwurf der Homosexualität liege eine Ehrenbeleidigung im Sinn des § 1330 Abs 1 ABGB, deckt sich mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (MR 1995, 137 - Homosexualität) und kann ebenso wie die damit verbundene Bejahung der Kreditschädigung im Sinn des Abs 2 der zitierten Gesetzesstelle angesichts des hohen kirchlichen Amtes des Klägers nicht zweifelhaft sein.

Es entspricht ständiger (auch von der Lehre gebilligter) Rechtsprechung, daß im Falle einer kreditschädigenden Tatsachenbehauptung, die - wie hier - zugleich eine Ehrenbeleidigung ist, der betroffene Kläger nur die Tatsachenverbreitung zu beweisen hat, während die Beweislast für die Richtigkeit den Beklagten trifft (MR 1991, 18 - Milchwirtschaftsuntersuchungsausschuß; ÖBl 1992, 278 - "Riedel" Gläser; ÖBl 1993, 84 - Jubelbroschüre; ÖBl 1993, 163 - Kelomat Druckkochtopf; ÖBl 1994, 82 - Nazijournalismus; MR 1995, 16 - Sauerei; Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 17 zu § 1330; Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 64 f).

Daß die Herabsetzung durch unwahre Tatsachenbehauptungen das Maß einer zulässigen (politischen) Kritik überschreitet und auch im Wege einer Interessenabwägung oder mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung selbst im Rahmen eines politischen Meinungsstreites nicht gerechtfertigt ist, hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen (NRSp 1992/199; ÖBl 1993, 84 - Jubelbroschüre; MR 1993, 14 - Spitzelakt; MR 1995, 137 - Justizausschußvorsitzender). Dieser Grundsatz muß umso mehr für den Kläger gelten, als dieser nicht als Teilnehmer eines politischen Meinungsstreites angesehen werden kann.

Stichworte