OGH 14Os134/96

OGH14Os134/9624.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.September 1996 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Scholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Stefan S***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 29.Mai 1996, GZ 20 Vr 668/95-42, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Stefan S***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs liegt ihm zur Last, von Herbst 1994 bis 10.Juni 1995 in S***** zu wiederholten Malen seine am 30.August 1991 geborene, sohin unmündige Tochter Jennifer K***** durch Betasten ihrer Vagina auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

Die Verfahrensrüge (Z 4) versagt schon deshalb, weil der Angeklagte seine beschwerdegegenständlichen Beweisanträge, nämlich den in der Hauptverhandlung vom 1.Feber 1996 (ON 38) gestellten Antrag auf "Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens unter Einbeziehung beider Elternteile zum Beweis dafür, daß der Angeklagte keinen sexuell gefärbten Umgang zu seiner Tochter hatte" (S 235), und den in der Hauptverhandlung vom 28.März 1996 (ON 40) gestellten Antrag auf "zeugenschaftliche Vernehmung des Dominik M***** (Halbbruder des Tatopfers) zum Beweis dafür, welche Beobachtungen und Wahrnehmungen er bei den Besuchen der Kinder beim Beschuldigten machte, insbesondere bezüglich des Verhaltens des Beschuldigten gegenüber Jennifer K*****, ferner, was ihm die Schwester hierüber mitteilte" (S 245), in der zum Urteil führenden, gemäß § 276 a StPO wegen Zeitablaufes neu durchgeführten Hauptverhandlung vom 29.Mai 1996 (ON 41) nicht wiederholt hat.

Im übrigen wurden ohnedies sowohl ein kinderpsychologisches Sachverständigengutachten eingeholt (ON 21 iVm S 255 f), als auch die Ton- und Bildaufzeichnung der Vernehmung des Zeugen Dominik M***** in der Hauptverhandlung vorgeführt (§§ 162 a, 252 Abs 1 Z 4 StPO - ON 24 iVm S 246), und ist nach der Aktenlage nicht erkennbar, inwiefern die Einbeziehung beider Elternteile der Jennifer K***** in die Befundaufnahme bzw die unmittelbare Vernehmung des Zeugen Dominik M***** geeignet gewesen wären, die dem Gericht durch die Gesamtheit der ihm solcherart bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse vermittelte Sach- und Beweislage maßgebend zu verändern.

Richtig ist, daß dem Schöffensenat eine gerichtliche Aussage des unmündigen Tatopfers Jennifer K***** nicht zur Verfügung stand, weil sich das Kind beim Untersuchungsrichter der Aussage entschlagen hatte (ON 12) und daher zu den Hauptverhandlungen nicht mehr geladen worden ist. Es trifft aber nicht zu, daß aus den dem Gericht auf andere Weise zugänglich gewordenen Äußerungen des Mädchens keine Umstände zu gewinnen gewesen wären, die auf sexuell motivierte Berührungen oder Betastungen hindeuten würden. So hat das Kind bereits anläßlich der Anzeigenerstattung selbst angegeben, daß der Angeklagte "den Finger (in die Scheide) hineingesteckt hat" (S 39). Seiner Tante Adelheid K***** gegenüber hat es geäußert, daß es der Angeklagte am Geschlechtsteil "immer aufkratze und mit etwas hineinfahre" (S 43; ähnlich auch S 78 und 236). Auch die Mutter Heidemarie M***** bekundet eine Mitteilung ihrer Tochter, wonach ihr der Angeklagte "mit dem Finger wehgetan" und in ihre Scheide "hineingefahren" sei (S 230). Die Beschwerdeprämisse, das Mädchen hätte stets nur von "unten aufgekratzt" oder "wehgetan" gesprochen, weshalb sich aus seinen Schilderungen ein unzüchtiger Beweggrund für die Berührungen im Intimbereich nicht ableiten ließe, ist somit nicht aktengetreu, die darauf aufbauende Mängelrüge der Unvollständigkeit demzufolge unbeachtlich.

Mit der Behauptung, die Zeuginnen Heidemarie M***** (Mutter) und Adelheid K***** (Tante) seien durch eigene Mißbrauchserlebnisse in der Kindheit sexuell traumatisiert und daher in ihrer Beurteilung nicht objektiv, wird kein formeller Begründungsmangel (Z 5) dargetan, sondern in Wahrheit lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter in unzulässiger Weise kritisiert.

Daß Dr.Akba R***** bei Jennifer K***** nur am 14.Oktober 1994 eine Blasenentzündung festgestellt hat, schließt keineswegs aus, daß das Kind auch in den folgenden Monaten - ohne daß deshalb der Arzt aufgesucht wurde - gelegentlich Schmerzen beim Urinieren verspürt hat (was vom Erstgericht als Indiz für einen vorangegangenen Angriff im Genitalbereich gewertet wurde). Die Aussage des Dr.R***** mußte daher keiner Erörterung unterzogen werden.

Hinsichtlich jenes Zeitraumes, in dem sie Schwierigkeiten der Jennifer K***** beim Urinieren beobachtet haben, sind in den Aussagen der Zeugen Gabriele R***** und Harald L***** einerseits und Adelheid K***** andererseits keine nennenswerten Divergenzen zu erkennen. Sollte in diesem Punkt der Beschwerdeführer aber die Zeugin Adelheid K***** mit der Zeugin Heidemarie M***** verwechseln, so liegt die gerügte Unvollständigkeit gleichfalls nicht vor, denn es ist naheliegend und bedarf daher keiner besonderen Erwähnung im Urteil, daß die Mutter des Kindes (Heidemarie M*****) insoweit genauere Beobachtungen machen konnte als deren Lebensgefährte (Harald L*****) oder die "Kindergartentante" (Gabriele R*****).

Den zugegebenermaßen äußerst knappen Entscheidungsgründen kann immerhin entnommen werden, daß die Tatrichter aus der festgestellten Intensität der Berührungen des kindlichen Geschlechtsteils in Verbindung mit den auffallenden psychischen (Ablehnung des Angeklagten; Zurückhaltung auch gegenüber anderen Männern) und physischen (Schmerzen beim Urinieren) Folgeerscheinungen sowie des Mangels an Anhaltspunkten für eine Fehlinterpretation realer Vorgänge seitens des Tatopfers (US 5 iVm S 155) sowohl in objektiver wie in subjektiver Hinsicht auf geschlechtliche Mißbrauchshandlungen im Sinne des § 207 Abs 1 StGB geschlossen haben. Diese Begründung kann nach Lage des Falles als mängelfrei beurteilt werden, nachdem plausible andere Erklärungen, die eine eingehendere Befassung mit der aufgeworfenen Frage erfordert hätten, im Verfahren nicht hervorgekommen sind.

Nach Prüfung des abschließenden Beschwerdevorbringens (Z 5 a) anhand der Akten hegt der Oberste Gerichtshof auch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen.

Die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285 i StPO).

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht ist in § 390 a StPO begründet.

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