OGH 15Os142/96

OGH15Os142/9619.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Berger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josef H***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 25. April 1996, GZ 10 Vr 1654/95-49, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem im zweiten Rechtsgang erflossenen und auch einen unangefochtenen Freispruch enthaltenden schöffengerichtlichen Urteil wurde Josef H***** (insofern erneut) des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt dieses Schuldspruchs hat der Angeklagte in G***** (Bezirk F*****) zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 1993 die am 13.Februar 1982 geborene Manuela E*****, somit eine unmündige Person, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er sie an den Brüsten über der Kleidung streichelte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Gründe der Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützt wird, und mit (nicht angemeldeter, jedoch ausgeführter) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld; gegen den Strafausspruch richtet sich eine zwar angemeldete, aber nicht ausgeführte Berufung wegen Strafe.

Die Berufung wegen Schuld ist zurückzuweisen, weil ein derartiges Rechtsmittel gegen schöffengerichtliche Urteile in den österreichischen Prozeßgesetzen nicht vorgesehen ist.

Auch der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu:

In der Hauptverhandlung am 25.April 1996 beantragte der Angeklagte die Vernehmung der Zeugen Willibald und Katharina A*****, Josef E*****, Maria H*****, Anna G***** und Erika H***** zum Beweise dafür, "daß die dem Angeklagten H***** vorgeworfenen Unzuchtshandlungen nicht an der Zeugin E***** ausgeführt werden konnten, da der Angeklagte zum Zeitpunkt der oben angeführten Ungarn-Fahrt nicht babygesittet hat und niemals ein Grillfest im Hause der Familie E***** stattgefunden hat und daß die Kinder der Familie E***** zum Zeitpunkt der Ungarn-Fahrt allein zu Hause gewesen seien", sowie die "Beischaffung von Lichtbildern, die den Zustand der körperlichen Entwicklung der Zeugin zum Tatzeitpunkt dokumentieren sollen und die Einvernahme einer Lehrerin der Zeugin, welche Manuela E***** in der Volksschule in der vierten Klasse unterrichtet hat" zum Beweise dafür, daß die Zeugin zum Tatzeitpunkt gering entwickelt und von geringer Größe gewesen sei (S 501 f/I).

Diese Beweisanträge wies das Schöffengericht durch Zwischenerkenntnis gemäß § 238 StPO mit der Begründung ab, daß sie durch die glaubwürdigen Aussagen der Zeugen Manuela und Gabriele E***** sowie Dr. Sylvia W***** entbehrlich seien (S 505/I).

Durch die Nichtdurchführung der begehrten Beweise erachtet sich der Angeklagte zu Unrecht in seinen Verteidigungsrechten verkürzt.

In Anbetracht der nach den Urteilsannahmen nicht näher eingrenzbaren Tatzeit "im Jahre 1993" (US 3 und 6) hätte der Angeklagte - um die Relevanz der beantragten Beweise aufzuzeigen - dartun müssen, aus welchen besonderen Gründen die erwähnten Zeugen in der Lage gewesen wären, zu bestätigen, daß er an keinem Tag des Jahres 1993 die Möglichkeit zur Tatausführung im Hause E***** gehabt hätte; ohne solches zusätzliches Vorbringen läuft der Beweisantrag im Ergebnis ersichtlich auf die Aufnahme eines bloßen Erkundungsbeweises und der Sache nach überdies auf eine Bekämpfung der von den Tatrichtern als glaubwürdig beurteilten Aussagen der Zeugin Manuela E***** hinaus.

Die in diesem Zusammenhang behauptete Benützung des PKWs des Angeklagten durch seine Gattin, angeblich zum Zweck einer Fahrt nach Ungarn, und das Stattfinden eines Grillfestes im Hause der Familie E***** zielt auf unerhebliche Umstände ab, zumal sich das zuletzt genannte Beweisthema auf einen vom Freispruch erfaßten Vorfall bezieht (vgl S 283/I).

Die begehrte Beischaffung der Lichtbilder und die beantragte Einvernahme einer (nicht näher genannten) Lehrerin läßt die gebotene Substantiierung vermissen, weil weder eine nähere Spezifizierung der Fotos, deren Existenz und deren Auffindungsmöglichkeit dargetan, noch die Person aus dem Lehrpersonal konkret bezeichnet wurde, sodaß es schon an den formellen Voraussetzungen zur erfolgreichen Geltendmachung der Verfahrensrüge gebricht.

Die Ausführungen in der Mängelrüge (Z 5) laufen im Ergebnis bloß auf den Versuch hinaus, den auf den Aussagen der sachverständigen Zeugin Dr. Sylvia W***** (vgl S 501 ff/I) fußenden Urteilsfeststellungen über die geschlechtliche Reife des zur Tatzeit 11 Jahre alten Mädchens eine für den Angeklagten vermeintlich günstigere Würdigungsvariante gegenüberzustellen. Damit wird aber nur nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung der kritisch-psychologische Vorgang der Abwägung der Beweisresultate bekämpft, ohne einen formalen Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen.

Sofern in der Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Zusammenhang die erstrichterlichen Konstatierungen als "nicht präzise genug" bezeichnet werden und eine genaue Eingrenzung der Tatzeit reklamiert wird, übergeht der Angeklagte einerseits das ausreichend beschriebene Tatsachensubstrat (US 6 f), wonach er nicht bloß flüchtige und oberflächliche Berührungen an der entwickelten Brust des Mädchens vornahm, anderseits bezieht sich das Vorbringen in bezug auf die Datierung der Vorfälle auf keinen für die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes entscheidenden Umstand. Auch die kritisierte Feststellung, wonach der Angeklagte (auch) versucht hätte, die Hose des Opfers zu öffnen (US 6) betrifft ein unerhebliches Detail, zumal diese Tathandlung dem Angeklagten im allein maßgeblichen Urteilsspruch nicht angelastet wurde, sondern bloß illustrativ in den Entscheidungsgründen Eingang fand.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) gelangt nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung, weil sie nicht - wie es die dem Gesetz entsprechende Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert - den Urteilssachverhalt in seiner Gesamtheit mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht.

Indem der Angeklagte das Vorliegen einer (nicht tatbildlichen) bloß oberflächlichen und kurzen Berührung des Mädchens behauptet, übergeht er die unmißverständlichen Urteilsfeststellungen, wonach das inkriminierte Betasten der Brust des Mädchens eben keine bloß flüchtige Kontaktnahme bedeutete, sondern eine intensive, präzise und zielgerichtete Berührung darstellte (US 7).

Der in diesem Zusammenhang als Feststellungsmangel zur subjektiven Tatseite erhobene Vorwurf negiert, daß sich bei der gebotenen gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe und der einheitlichen Betrachtung von Urteilstenor und Entscheidungsgründen die erforderlichen Komponenten der subjektiven Tatseite insofern hinlänglich dargestellt werden, wonach der Angeklagte die bereits entwickelten Brüste der Manuela E***** mit dem - zumindest bedingten - Vorsatz des Mißbrauchs zur Unzucht intensiv, präzis und zielsicher streichelte (vgl US 2, 6, 7), Feststellungen, die keine andere Deutung als jene eines vorsätzlichen Tatverhaltens zulassen.

Die zum Teil offenbar unbegründete, zum Teil als nicht dem Gesetz gemäß dargestellte Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285 a Z 2 StPO).

Demgemäß fällt die Entscheidung über die zwar nicht ausgeführte, indes zwangsläufig nur den einzigen Sanktionsausspruch betreffende Berufung wegen Strafe (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 294 E 4 a) in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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