OGH 7Ob2205/96g

OGH7Ob2205/96g18.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schalich, Dr. Tittel und Dr. I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Versicherung AG, ***** vertreten durch Dr. Heinrich Kammerlander und andere Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Helmut K*****, Landwirt, ***** vertreten durch Dr. Wilfried Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen S 100.000,- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 18. April 1996, GZ 5 R 357/95-21, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Wildon vom 26. Juli 1995, GZ 4 C 1160/94k-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 10.141,44 (darin S 1.690,24 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 12.706,40 (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer und S 6.620,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte verschuldete am 26.10.1991 als Lenker des bei der klagenden Partei haftpflichtversicherten Traktors der Marke Steyr Fiat 680 mit dem polizeilichen Kennzeichen ***** samt einem nicht zum Verkehr zugelassenen, mit Mais beladenen Anhänger auf dem unabgeschrankten Eisenbahnübergang der Gemeindestraße in W***** mit der Bahnlinie der GKB einen Zusammenstoß mit einer Eisenbahngarnitur. Der Traktor, der ein Eigengewicht von 2.985 kg aufweist war vom Beklagten durch Beladen mit Front- und Felgengewichten und durch Einfüllen von Wasser in die Reifen auf ein Gewicht von 4.605 kg gebracht worden. Das Eigengewicht des mit fast 7 t Mais beladenen Anhängers betrug mehr als 6.000 kg. Für diesen Anhänger wäre keine Ausnahmsgenehmigung nach § 104 Abs 7 KFG erteilt worden.

Das vom Beklagten mit seinem Gespann vor dem unabgeschrankten Eisenbahnübergang befahrene Straßenstück weist in seiner Fahrtrichtung ein Gefälle von ca 5 % auf. Der Beklagte hielt zunächst etwa 9 m vor dem Eisenbahnübergang bei einem dort angebrachten Stopzeichen an, nahm aber dort auf Grund der schlechten Sichtverhältnisse nach Norden den aus dieser Richtung herannahenden Eisenbahnzug nicht wahr. Er setzte seine Fahrt im Schrittempo fort und erkannte erst vier Meter vor dem westlichen (das ist der ihm nähere) Schienenstrang den herannahenden Zug. Er nahm aus einer Geschwindigkeit von ca 7 km/h eine Betriebsbremsung vor und kam mit dem Traktor noch vor dem Gleiskörper zum Stillstand. Der Beklagte war der Meinung, daß seine Anhalteposition das Passieren des Zuges (noch) ermögliche und wunderte sich über die Hupsignale des Zuges. Es ergab sich jedoch, daß eine Überdeckung von zwanzig bis dreißig Zentimetern bestand, sodaß es zu einer Kollision kam.

Der mitgeführte Anhänger hat die Bremsfähigkeit des Traktors auf 40 % des "normalen" Wertes reduziert. Bei den gegebenen guten Sichtverhältnissen wäre es dem Beklagten auch bei dieser geringen Bremsverzögerung bei der von ihm eingehaltenen Geschwindigkeit problemlos möglich gewesen, unfallsverhütend anzuhalten. Wäre der Beklagte mit einem Anhänger mit einem Gesamtgewicht von 6.000 kg gefahren, so wäre er mindestens zwanzig bis dreißig Zentimeter vor dem späteren Kollisionspunkt zum Stillstand gekommen, sodaß der Unfall vermieden worden wäre.

Der Beklagte wurde wegen dieses Unfalls mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 16.12.1991 wegen des Vergehens der fahrlässigen Gemeingefährdung nach § 177 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Urteilsspruch lautet auszugsweise:

".... indem er mit seiner Zugmaschine einen nicht zum Verkehr zugelassenen, nicht bremsbaren Anhänger mit einem Gesamtgewicht von

12.580 kg, davon sieben Tonnen Nutzlast, an einer abschüssigen Bahnübersetzung derart knapp vor den Bahngeleisen anhielt....".

Die Klägerin begehrt vom Beklagten unter Berufung auf § 7 der AKHB 1988 S 100.000,-. Sie habe an die Geschädigte S 328.391,- an Schadenersatz leisten müssen. Der Beklagte habe durch die Verwendung eines nicht zum Verkehr zugelassenen und darüber hinaus überladenen Anhängers eine Gefahrerhöhung vorgenommen, die die Klägerin zu diesem Regreß berechtige.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung. Er wendete im wesentlichen ein, der Unfall sei nicht auf die Verwendung eines nicht zum Verkehr zugelassenen überladenen Anhängers, sondern allein auf seine Unaufmerksamkeit zurückzuführen. Zufolge der Erhöhung des Gewichtes des Traktors habe er keine Sicherheitsvorschriften verletzt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines nicht mehr revisionsgegenständlichen Zinsenbegehrens statt. Gemäß § 62 Abs 1 Z 3 KDV dürften nicht zum Verkehr zugelassene Anhänger mit einem Kraftfahrzeug ohne Bewilligung des Landeshauptmannes nur dann gezogen werden, wenn ihr Gesamtgewicht bei Anhängern ohne Bremsanlage bei Zugfahrzeugen mit auf alle Räder wirkende Betriebsbremsanlage das dreifache, bei anderen Zugfahrzeugen das doppelte des Eigengewichtes des Zugfahrzeuges, höchstens jedoch 6000 kg, nicht übersteigt. Für das vorliegende Gespann hätte daher eine Ausnahmsgenehmigung nach § 104 Abs 7 KFG nie erteilt werden können. Der überladene Anhänger sei mitunfallskausal gewesen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil in eine Klagsabweisung ab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision unzulässig sei. Eine Gefahrenerhöhung im Sinne der §§ 23 ff VersVG setze einen - hier nicht vorliegenden - Dauerzustand voraus. Es lägen keine Beweisergebnisse vor, daß der Beklagte den - nicht zum Verkehr zugelassenen - Anhänger wiederholt überladen habe. Das einmalige Überladen des Anhängers führe noch nicht zu einer Gefahrerhöhung im Sinne der zitierten Normen. Darüber hinaus habe der Beklagte den Kausalitätsgegenbeweis, daß nämlich die ihm zur Last gelegte Obliegenheitsverletzung nicht für das Zustandekommen des Unfalles kausal gewesen sei, erbracht, da der Unfall nach den Feststellungen nicht auf die infolge Überladung erzielbare geringere Bremsverzögerung, sondern darauf zurückzuführen sei, daß der Beklagte sich verschätzt habe und daher zu nahe an den Schienenstrang herangefahren sei. Eine Bindung an das verurteilende Straferkenntnis liege nicht vor, weil diesem nicht die verringerte Bremsfähigkeit des Traktors zufolge der Überladung des Anhängers, sondern das zu knappe Stehenbleiben des Beklagten vor den Geleisen als Unfallsursache zugrunde liege.

Die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision der klagenden Versicherung ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Dem Spruch des Strafurteiles kann tatsächlich nicht zweifelsfrei entnommen werden, ob die Überladung des Anhängers als strafbegründendes Tatbestandsmerkmal gewertet worden ist.

Im vorliegenden Fall ist dem Beklagten auf Grund des klaren Normeninhaltes des § 62 Abs 1 Z 3 KDV (arg.: ein Gesamtgewicht von 6.000 kg darf nicht überschritten werden) ein Verstoß gegen eine Verordnung vorzuwerfen. Es ist davon auszugehen, daß der Versicherer bei Kenntnis der Verwendung eines solchen nicht zum Verkehr zugelassenen Anhängers bzw bei Kenntnis von dessen Überladung die Übernahme einer Haftpflichtversicherung abgelehnt hätte. Die Annahme des Berufungsgerichtes, der Verstoß des Beklagten sei nicht kausal für das Unfallsgeschehen gewesen, ist verfehlt, weil das Erstgericht zum Ergebnis gekommen ist, daß der Beklagte, hätte er den Anhänger nicht normwidrig überladen, bei gleichstarker Bremsung (als sie tatsächlich erfolgte) noch vor dem späteren Kollisionspunkt anhalten hätte können. Die Frage, inwieweit der Beklagte durch seine Aussage, daß er trotz früherer Sichtmöglichkeit den herannahenden Zug nicht erkannt hat, den Kausalitätsgegenbeweis überhaupt hätte erbringen können, mußte daher nicht weiter untersucht werden. Richtig ist, daß die Rechtsprechung für die Annahme einer Gefahrenerhöhung im Sinne der §§ 23 ff VersVG nicht einen einmaligen, sondern einen doch länger anhaltenden Zustand erfordert, bei dem sich die neue Gefahrenlage auf einem neuen, höheren Niveau stabilisiert und die Grundlage eines neuen, natürlichen Schadensverlaufes bildet (vgl Schauer, Das österreichische Vertragsversicherungsrecht3, 237 mwN). Es kommt aber dabei nach Meinung des erkennenden Senates nicht darauf an, daß die neue Gefahrenlage tatsächlich schon längere Zeit bestanden hat, sondern nur darauf, daß sie ex ante darauf ausgelegt war. Für die Absicht des Beklagten, das von ihm gefahrene Gespann längere Zeit im öffentlichen Verkehr zu verwenden, spricht schon die Belastung des Zugfahrzeuges mit schweren Platten und das Auffüllen der Reifen mit Wasser, um dessen Eigengewicht zu erhöhen. Derartige Maßnahmen werden nach der Lebenserfahrung nicht für nur kurzfristige Transporte zB auf der eigenen Liegenschaft gesetzt, sondern dokumentieren das Bemühen des Versicherungsnehmers, mit einem nicht zum Verkehr zugelassenen - und überladenen - Anhänger, der die Bremsfähigkeit des Zugfahrzeuges weitestgehend herabsetzt, bei der Teilnahme am öffentlichen Verkehr, bei der in nicht vorhergesehenen Verkehrssituationen doch immer wieder eine entsprechende Bremswirkung erzielt werden muß, diese sich dennoch behelfsmäßig zu beschaffen. Wenn auch im vorliegenden Fall die vom Beklagten befahrene Strecke von seinem Feld bis zu seinem Anwesen in ihrer Länge nicht festgestellt worden ist, reichen diese Umstände doch für die Annahme hin, daß der Beklagte den gegenständlichen Anhänger für alle Beladevorgänge im Zuge der Erntetätigkeit verwenden wollte. Der Beklagte hat damit eine (neue) Gefahrenlage auf einem höheren Niveau, als sie dem bisherigen Versicherungsvertrag zugrundelag, in Kauf genommen.

Zumindest ist dem Beklagten dabei verschuldete Unkenntnis seines Vorgehens vorzuwerfen, weil ihm nach den bei einem Versicherungsnehmer mit Lenkerberechtigung vorauszusetzenden Kenntnissen klar sein mußte, daß die Verwendung eines nicht zum Verkehr zugelassenen und überladenen Anhängers auf öffentlichen Straßen unzulässig ist. Der Entscheidung SZ 40/157 lag eine mehrfache Überladung eines LKWs zugrunde, die zu einer Verlängerung des Bremsweges dieses Fahrzeuges geführt hatte. Eine Kompensation dieses Gefahrenzustandes durch ein vom Fahrzeuglenker versuchtes Langsamfahren wurde vom Obersten Gerichtshof als fragwürdig erachtet und dem Versicherungsnehmer unter Hinweis auf die deutsche Rechtsprechung verschuldete Unkenntnis von der Überladung zur Last gelegt. Hingegen war bei dem der Entscheidung VersR 1973, 875 zugrunde gelegten Sachverhalt die Verkehrswidrigkeit des vom Versicherungsnehmer verwendeten, ebenfalls zum Verkehr nicht zugelassenen, aber auch nicht überladenen Anhängers eindeutig nicht unfallskausal. In der Entscheidung 7 Ob 28/79 (= VersR 1981, 768 = Prölss-Martin VVG25, 235) wurde die Verwendung eines Traktors als Zugmaschine für einen nicht zum Verkehr zugelassenen und den Verkehrsvorschriften nicht entsprechenden Anhänger zwar für eine bloß einmalige, unter gefahrdrohenden Umständen vorgenommene Fahrt, wie etwa eine Fortsetzung der Unfallsfahrt oder die Fahrt in eine Reparaturwerkstätte, noch nicht als gefahrenerhöhend beurteilt, wohl aber für das vom dortigen Versicherungsnehmer vorgenommene mehrfache Befahren von Strecken in der Länge von ca. 1 km. Ein Widerspruch zur Rechtsansicht des erkennenden Senates im vorliegenden Fall liegt daher nicht vor.

Sohin hat die klagende Versicherung sowohl die gefahrenerhöhende Obliegenheitsverletzung als auch die leichte Fahrlässigkeit des Beklagten bewiesen (vgl MGA VersVG4 § 23/34 f und 55 ff). Es war daher ihrem Regreßbegehren stattzugeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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