Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 1.811,52 bestimmten halben Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 301,52 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 8.10.1940 geborene Kläger erlitt am 26.11.1986 einen Arbeitsunfall. Als Arbeiter bei einem Haustechnikunternehmen stürzte er beim Stemmen einer Elektroleitung von einer Leiter und erlitt dabei einen Bruch beider Fersenbeine. Unter konservativer Behandlung kam es zu einem funktionell befriedigenden Ausheilungszustand beider Fersenbeinbrüche. Unfallunabhängig leidet der Kläger an einer Osteomyelitis im Bereich des linken Schienbeines, die durch einen anderen Unfall vor mehr als 20 Jahren herbeigeführt wurde. Darüberhinaus liegt ein Zustand nach Pankreastumor vor. Die chronisch rezidivierende Pankreatitis wurde am 7.12.1990 operativ behandelt. Ein Befund vom 31.7.1991 registriert einen iliacofemoralen Zweietagenverschluß links, wobei eine Gefäßrekonstruktion vorgeschlagen wurde. Der chronische Gefäßverschluß links bildet zusammen mit der veränderten Stoffwechsellage infolge des Pankreasverlustes eine ungünstige Voraussetzung für die Abheilung des Unterschenkelgeschwürs, das durch einen Gipsverband, der als Folge des Arbeitsunfall angebracht wurde, wesentlich herbeigeführt wurde. Zum Zeitpunkt der Feststellung der Dauerrente (1.11.1988) bestand beim Kläger eine Verkürzung beider Fersenbeine sowie ein Druckschmerzhaftigkeit im Sprunggelenk und im Fersenbein beiderseits als Folge des Arbeitsunfalls. Darüberhinaus zeigte sich schon damals eine unfallbedingte Gangstörung. Sämtliche unfallbedingten Funktionseinschränkungen führen zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H. Das als Behandlungsfolge nach dem Arbeitsunfall aufgetretene Unterschenkelgeschwür mit Sekretion, welches das Tragen eines Verbandes erforderlich macht, ergibt einen mittleren Grad der Beeinträchtigung von Körperfunktionen. Die Narbenbildungen und Deformierungen im Zusammenhang mit dem festgestellten Unterschenkelgeschwür ergeben gleichfalls einen mittleren Grad der Verunstaltung. Der Kläger leidet an einer Depression, somit an einer schweren seelischen Störung, die vorwiegend auf das als internistisch zu bezeichnende Leiden zurückzuführen ist, nämlich den Zustand nach Entfernung der Pankreas, Diabetes und Polyneuropathie. Ein Drittel der beim Kläger vorliegenden schweren seelischen Störung ist auf die Unfallfolgen, nämlich die Folgen der Fersenbeinbrüche zurückzuführen. Die beklagte Partei gewährte dem Kläger eine Versehrtenrente, die vorerst mit 30 v. H. und schließlich ab 1.11.1988 mit 20 v.H. der Vollrente bemessen wurde. Der Kläger geht seit dem Unfall keiner Erwerbstätigkeit mehr nach.
Mit Bescheid vom 30.4.1991 wies die Beklagte den Antrag des Klägers vom 9.4.1990, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalles eine Integritätsabgeltung gemäß § 213 a ASVG zu gewähren, ab.
Das Erstgericht wies das dagegen erhobene auf Gewährung einer Integritätsabgeltung im gesetzlichen Ausmaß gerichtete Klagebegehren ab, weil es zu dem Ergebnis gelangte, daß ein Integritätsschaden von wenigstens 50 v.H. nicht vorliege. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage 30 v.H. und dieser Hundertsatz sei nach § 2 Abs 1 Z 2 bis 4 der Richtlinien um jeweils 5 v.H. zu erhöhen. Nach den Richtlinien seien die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Versicherten nicht auf die Bemessung des Integritätsschadens als solchen anzuwenden, sondern nur auf die Höhe der aufgrund eines bestimmten Integritätsschadens gebührenden Integritätsabgeltung. Der Integritätsschaden des Klägers betrage nur 45 v.H. Ob der Arbeitsunfall durch eine grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften verursacht worden sei, brauche nicht geprüft zu werden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S nicht übersteige und daß die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei, weil zur Bestimmung des § 213 a ASVG eine gesicherte Rechtsprechung fehle. Das Berufungsgericht billigte die Auffassung des Erstgerichtes, daß der Integritätsschaden des Klägers als Folge des Arbeitsunfalles unter Anwendung des § 2 Abs 1 der Richtlinien selbst bei einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H. nur 45 v. H. betrage und damit die Mindestgrenze von 50 v.H. nicht erreicht werde. Ein Großteil der Beeinträchtigungen sei nämlich nicht auf den Arbeitsunfall, sondern auf den Pankreastumor und seine Folgen zurückzuführen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß das derzeitige Erscheinungsbild des Klägers eine durch den Arbeitsunfall bedingte schwere Verunstaltung darstelle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens, hilfsweise auf Aufhebung und Zurückverweisung an das Gericht erster oder zweiter Instanz.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.
Einer sachlichen Erledigung dieses Rechtsmittels stand vorerst entgegen, daß der Oberste Gerichtshof gegen die von ihm anzuwendende Bestimmung des § 2 Abs 1 der von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt erlassenen Richtlinien über die Leistung einer Integritätsabgeltung gemäß § 213 a ASVG, kundgemacht SozSi 1991, 137, Amtliche Verlautbarung Nr. 28/1991, Bedenken aus dem Grunde der Gesetzwidrigkeit hatte. Der Senat stellte daher am 6. Dezember 1994 zu 10 ObS 89/94 den Antrag an den Verfassungsgerichtshof, § 2 Abs 1 der Richtlinien nach § 139 B-VG als gesetzwidrig aufzuheben.
Diesen Antrag wies der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. Juni 1996, G 187/94 ua, V 114/94 ua, ab. In diesem Erkenntnis führte der Verfassungsgerichtshof ua wörtlich aus:
"Die Bedenken gehen dahin, daß die Integritätsabgeltung funktionell den Ansprüchen nach den §§ 1325 letzter Halbsatzund 1326 ABGB gleiche, weshalb bei ihrer Bemessung eine Bezugnahme auf die Höhe der Versehrtenrente nicht sachgerecht sei. § 2 Abs 1 Z 1 der Richtlinien stelle einen gleichsam untrennbaren Zusammenhang des Grades des Integritätsschadens mit dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit her. Soweit durch die Integritätsabgeltung aber ideeller Schaden abgegolten werde, fehle die Verbindung zum Erwerbsschaden, und soweit die Integritätsabgeltung einen potentiellen Vermögensschaden ersetze, bestehe zwar ein Konnex zur Versehrtenrente, doch sei zu beachten, daß der Vermögensschaden in der Unfallversicherung nach anderen Kriterien als im allgemeinen Schadenersatzrecht ersetzt werde. Darüberhinaus sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit als Erwerbsschaden im Sinn des § 203 Abs 1 ASVG kein Kriterium für die Ausmessung der Integritätsabgeltung und scheine auch folgerichtig im Gesetzestext nicht auf. Die Beeinträchtigung von Körperfunktionen, die Verunstaltung des äußerlichen Erscheinungsbildes und die seelische Störung werde aber nach § 2 Abs 1 Z 2 bis 4 der Richtlinien nur in Form von Zuschlägen zu dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit berücksichtigt. Da das Gesetz ungeachtet des Umstandes, daß die Integritätsabgeltung einen Anspruch auf Versehrtenrente voraussetze (§ 213 a Abs 1 ASVG), keinen Anhaltspunkt dafür liefere, daß die Höhe des Erwerbsschadens bei der Ausmessung der Integritätsabgeltung zu berücksichtigen sei, sei der von der bekämpften Vorschrift der Richtlinien aufgestellte untrennbare Zusammenhang des Anspruchs auf Integritätsabgeltung mit dem Ersatz des Erwerbsschadens durch eine Versehrtenrente im Hinblick auf das Legalitätsprinzip bedenklich.
Zunächst ergibt sich aus den Kriterien, an denen sich die Richtlinien gemäß § 213 a Abs 4 ASVG zu orientieren haben, wie auch aus den Gesetzesmaterialien, daß die Integritätsabgeltung einen Ersatz für die im allgemeinen aufgrund des Haftungsausschlusses im Sinn des § 333 ASVG nicht zu erlangenden (und auch durch keine sonstige Leistung der gesetzlichen Sozialversicherung substituierten) Ansprüche auf Schmerzengeld (§ 1325 zweiter Halbsatz ABGB) und Enttschädigung für Verhinderung besseren Fortkommens (§ 1326 ABGB) darstellen soll.
Es kann nun dem Gesetzgeber nicht der Vorwurf der Unsachlichkeit und dem Verordnungsgeber nicht der Vorwurf der Gesetzwidrigkeit gemacht werden, wenn er aus den unterschiedlichen Ausmaßen der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf entsprechende Unterschiede des Ausmaßes der Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Integrität schließt, zumal es wegen der feststehenden Obergrenze der Integritätsabgeltung (gemäß § 3 Abs 3 der Richtlinien: das Doppelte der in der Unfallversicherung geltenden Höchstbeitragsgrundlage) im Einzelfall immer nur um das Verhältnis der Schwere der denkbaren Beeinträchtigungen zueinander geht. Die Erhöhung dieses, dem jeweiligen Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entsprechenden "Sockelbetrages" nach Maßgabe des Vorliegens der in § 2 Z 2 bis 4 der Richtlinien genannten Komponenten, nämlich des in der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht berücksichtigten besonderen Ausmaßes der Beeinträchtigung von Körperfunktionen, des Grades der Verunstaltung und der unfalls- oder berufskrankheitsbedingten seelischen Störung ist durchaus geeignet, die zunächst schematische Übertragung der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf die Bemessung der Integritätsabgeltung entsprechend den Umständen des Einzelfalls an diesen anzupassen. Dabei geht es nicht um einen vom Obersten Gerichtshof als unsachlich erachteten "untrennbaren Zusammenhang" mit dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit, der nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht besteht; kann doch unter Berücksichtigung der ihrer Natur nach ohnehin nur sehr vergröbert möglichen Ermittlung des Ausmaßes der Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Integrität nicht gesagt werden, daß der für die Abstufung als eine Komponente herangezogene Beurteilungsmaßstab der Minderung der Erwerbsfähigkeit (in welchem sich letztlich die Schwere der körperlichen Beeinträchtigung zumindest annähernd abbildet), hiefür von vornherein ungeeignet oder sachwidrig wäre. Dies zeigt im übrigen auch die Rechtsprechung der Zivilgerichte zur abstrakten Rente, deren Ermittlung sich ebenfalls - mangels eines besser geeigneten Kriteriums - im allgemeinen am Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit orientiert.
Es trifft - entgegen den Ausführungen des Obersten Gerichtshofes - auch nicht zu, daß dieses Kriterium im Gesetzestext keinen Niederschlag fände; ist doch in § 213 a Abs 4 ASVG ausdrücklich der Grad der Beeinträchtigung von Körperfunktionen (nichts anderes findet im Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit im allgemeinen seinen Ausdruck) als einer der zu berücksichtigenden Belange erwähnt.
Die behauptete Gesetzwidrigkeit des § 2 Abs 1 der Richtlinien liegt daher nicht vor."
In dem genannten Erkenntnis hielt der Verfassungsgerichtshof auch die in einem anderen Verfahren geäußerten Bedenken des Oberlandesgerichtes Wien gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 213 a Abs 4 ASVG für unbegründet. Er führte dazu wörtlich aus:
"Der bekämpfte § 213 a Abs 4 ASVG sieht vor, daß die näheren Bestimmungen zur Durchführung der Absätze 1 und 2 des § 213 a in Richtlinien zu regeln sind. § 213 a Abs 1 ASVG normiert als Anspruchsvoraussetzung für eine Integritätsabgeltung, daß der Versicherte eine erhebliche und dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Integrität infolge eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit, verursacht durch die grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, erlitten hat. Gemäß dieser Vorschrift ist eine weitere Anspruchsvoraussetzung für eine Integritätsabgeltung, daß wegen der Folgen dieses Arbeitsunfalls oder dieser Berufskrankheit auch ein Anspruch auf Versehrtenrente gemäß § 203 Abs 1 ASVG besteht. Der Absatz 2 des § 213 a ASVG legt fest, daß die Integritätsabgeltung als einmalige Leistung gewährt wird und zieht eine Obergrenze ein: Die Integritätsabgeltung darf demnach das Doppelte des bei Eintritt des Versicherungsfalles nach § 178 Abs 2 ASVG jeweils geltenden Betrages nicht überschreiten. Der bekämpfte Absatz 4 des § 213 a gibt dem Verordnungsgeber weitere, bei der Ausmessung der Höhe der Integritätsabgeltung zu berücksichtigende Kriterien vor. Demnach haben die Richtlinien "auf das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten sowie auf den Grad der Beeinträchtigung von Körperfunktionen, den Grad der Verunstaltung des äußerlichen Erscheinungsbildes des Versicherten sowie den Grad einer unfalls- oder berufskrankheitsbedingten seelischen Störung Bedacht zu nehmen."
Die Gesamtheit der Regelungen des § 213 a ASVG bildet nach Meinung des Verfassungsgerichtshofes auch vor dem Hintergrund des Art 18 Abs 2 B-VG und der einschlägigen Judikatur eine ausreichende Grundlage für die Erlassung von Durchführungsverordnungen. Sie gibt dem Verordnungsgeber in ausreichendem Maß Kriterien vor, vermittels welcher er die Ausgestaltung der Integritätsabgeltung vorzunehmen hat. Das Gesetz legt fest, unter welchen Voraussetzungen die Integritätabgeltung gebührt und in welcher Höhe sie maximal zu gewähren ist. Das Gesetz schreibt dem Verordnungsgeber weiters vor, daß die Höhe der Integritätsabgeltung entsprechend der Schwere des Integritätsschadens abzustufen ist und nennt dabei zu berücksichtigende Kriterien. Der dichte Regelungskomplex setzt dem Verordnungsgeber nicht nur klar umschriebene Grenzen, sondern gibt ihm auch nähere Hinweise hinsichtlich seines Verhaltens. Die Verordnung ist daher ausreichend determiniert. Die behauptete Verfassungswidrigkeit liegt somit nicht vor."
Mit den dargestellten Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes sind nicht nur die Bedenken des Obersten Gerichtshofes gegen die Gesetzmäßigkeit des hier anzuwendenden § 2 Abs 1 der Richtlinien, sondern auch die vom Revisionswerber geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 213 a Abs 4 ASVG ausgeräumt.
Nach § 2 Abs 1 der Richtlinien ist der Grad des Integritätsschadens zum Zeitpunkt der erstmaligen Feststellung der Dauerrente zu ermitteln; er ergibt sich aus 1. dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit; 2. dem Grad der Beeinträchtigung von Körperfunktionen, soweit diese Beeinträchtigung nicht für die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu berücksichtigen ist; der gemäß Z 1 zu ermittelnde Hundersatz erhöht sich demnach a) bei schwerer Beeinträchtigung um 10 v.H. b) bei mittlerer Beeinträchtigung um 5 v.H.; 3. dem Grad der Verunstaltung des äußerlichen Erscheinungsbildes; der gemäß Z 1 zu ermittelnde Hundersatz erhöht sich danach a) bei schwerer Verunstaltung um 10 v. H. b) bei mittlerer Verunstaltung um 5 v.H.; 4. dem Grad der unfall- oder berufskrankheitsbedingten seelischen Störung; der gemäß Z 1 zu ermittelnde Hundersatz erhöht sich danach a) bei schwerer seelischer Störung um 10 v.H. b) bei mittlerer seelischer Störung um 5 v.H.
Die vorliegende Revision wendet sich dagegen, daß die Vorinstanzen insbesondere aufgrund des gestörten Gangbilds des Klägers keine schwere, sondern nur eine mittlere Verunstaltung angenommen und demzufolge den Hundertsatz nur um 5 v.H. anstatt um 10 v.H. erhöht haben. Dabei sei nämlich außer acht gelassen worden, daß der Kläger unnfallskausal ganggestört sei, daß er vor dem Unfall normal gearbeitet habe und ohne Krücken gegangen sei und daß er nun ein "ekelerregendes Geschwür" aufweise. Dem ist folgendes entgegenzuhalten:
Wie bereits dargestellt, ist bei Ermittlung des Integritätsschadens zunächst vom Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit auszugehen und dieser dann je nach Schwere der Beeinträchtigung nicht global, sondern für jede Integritätsschadensgruppe (Beeinträchtigung von Körperfunktionen, Verunstaltung, unfallskausale seelische Störungen) gesondert zu erhöhen. Die Summe aus Grad der MdE und den jeweiligen Erhöhungen definiert dann das Ausmaß des Integritätsschadens. Die Erhöhungsprozentsätze sind dabei nicht kontinuierlich abgestuft, sondern es wird jeweils zwischen schwerer Beeinträchtigung (für die 10 v.H) und mittlerer Beeinträchtigung (für die 5 v.H. Erhöhung gebührt), unterschieden. Welche Kriterien für die Subsumption unter den einen oder anderen Fall maßgebend sind, bleibt ohne Erwähnung (Dörner, Die Integritätsabgeltung nach dem ASVG [1994], 91). Im vorliegenden Fall geht es um die Unterscheidung, ob die unfallskausale Verunstaltung des Klägers, die zweifellos vorliegt, als "schwere" oder als "mittlere" Verunstaltung zu qualifizieren ist. Geht man davon aus, daß der Kläger ein gestörtes Gangbild aufweist und mit Krücken geht, dazu an einem Unterschenkelgeschwür mit Sekretion leidet, welches das Tragen eines Verbandes erfordert, dann ist die Einschätzung der Vorinstanzen, daß es sich hiebei um eine mittlere Verunstaltung handelt, zu billigen.
Erst wenn der Grad des Integritätsschadens wenigstens 50 v.H. erreicht, ist nach § 3 Abs 1 der Richtlinien die Höhe der Integritätsabgeltung auszumessen. Sie beträgt etwa bei einem Grad des Integritätsschadens von 50 v.H. bis unter 60 v.H. 20 v.H. der im Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles jeweils geltenden doppelten Höchstbemessungsgrundlage. Nach § 3 Abs 2 der Richtlinien gebührt allerdings dem Versicherten in Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Bedürfnisse eine Zulage zu dem in Absatz 1 ermittelten Betrag, die vom monatlichen Nettoeinkommen des Versehrten abhängig ist. Da der Kläger aber nach den obigen Ausführungen einen Integritätsschaden von mindestens 50 v.H. nicht erlitten hat, gebührt ihm auch keine Zulage in Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Bedürfnisse. Die Bestimmung des § 3 Abs 2 der Richtlinien entspricht auch dem § 213 a Abs 4 ASVG, wonach die Richtlinien ua auf das wirtschaftliche Bedürfnis des Versicherten Bedacht zu nehmen haben. Es wäre aber nicht sachgerecht, einen höheren Integritätsschaden aufgrund einer unfallsbedingten Verletzung nur deshalb anzunehmen, weil der Versehrte ein niedriges Monatseinkommen erzielt. Deshalb hat sich auch der Senat seinerzeit nicht veranlaßt gesehen, § 3 Abs 2 der Richtlinien beim Verfassungsgerichtshof als gesetzwidrig anzufechten.
Zusammenfassend ergibt sich, daß der Anspruch des Klägers auf Integritätsabgeltung schon deshalb nicht besteht, weil der Integritätsschaden unter 50 v.H. zurückbleibt. Ob der Arbeitsunfall des Klägers überhaupt durch grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften verursacht wurde, braucht daher nicht mehr geprüft zu werden. Daß sich der Unfall lange vor dem Inkrafttreten der 48. ASVG-Novelle ereignete, wäre kein Anspruchshindernis: § 213 a ASVG ist nämlich auf Antrag auch auf Versicherungsfälle anzuwenden, die vor dem 1.Jänner 1990 eingetreten sind, wenn seit dem Versicherungsfall keine wesentliche Besserung des körperlichen oder geistigen Zustandes des Versicherten erfolgt ist (Art VI Abs 10 der 48. ASVG-Novelle; SSV-NF 6/61; vgl auch § 4 Abs 1 der Richtlinien; dazu Dörner aaO 147).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG abhing, entspricht es der Billigkeit, dem unterlegenen Kläger die Hälfte seiner Kosten des Revisionsverfahrens zuzusprechen (SSV-NF 6/61 ua).
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