OGH 4Ob2249/96f

OGH4Ob2249/96f17.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm.Dr.Franz V*****, vertreten durch Schuppich, Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1."W*****-gesellschaft mbH, Wien 1., Marc Aurelstraße 1c-12, vertreten durch Giger, Ruggenthaler & Simon, Rechtsanwälte KEG in Wien, 2. M*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 360.000), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 24.Juli 1996, GZ 1 R 112/96i-12, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Parteien wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die angefochtene Entscheidung steht im Einklang mit den Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 78 UrhG:

§ 78 UrhG soll nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers jedermann gegen den Mißbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit, namentlich (ua) dagegen schützen, daß sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Mißdeutungen Anlaß geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt (EB in Peter, Urheberrecht 617). Auch allgemein bekannte Personen, wie der Kläger, haben Anspruch darauf, daß die Allgemeinheit auf ihre Persönlichkeit Rücksicht nimmt. Deshalb ist die Privat- und Intimsphäre einer solchen Person geschützt und die Verbreitung von Bildern unzulässig, die entstellend wirken oder die - allenfalls erst im Zusammenhang mit der Bildunterschrift oder dem Begleittext - den Abgebildeten der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit preisgeben (SZ 67/114 = ÖBl 1995, 135 - Marmor, Stein und Eisen mwN aus dem Schrifttum).

Trotz des in den letzten Jahrzehnten eingetretenen tiefgreifenden Wandels in der Einstellung der Gesellschaft zur Sexualität und dem Abbau vieler Tabus wird es nach wie vor von vielen, wenn nicht den meisten Menschen als peinlich empfunden, sich in der Öffentlichkeit nackt zu zeigen. Daß es sich daher niemand gefallen lassen muß, ohne seine Zustimmung in einer Zeitschrift - noch dazu auf dem Titelblatt - nackt dargestellt zu werden, ist so offenkundig, daß es hiezu einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht bedarf. Die Veröffentlichung eines Nacktfotos gegen den Willen des Abgebildeten ist geradezu ein klassischer Fall der Benützung des Bildes in einer Art "die zu Mißdeutungen Anlaß geben kann ... und entwürdigend wirkt." Das gilt in ganz besonderem Maße für die Veröffentlichung eines Nacktfotos von einer Person, die - wie der Kläger - eine führende Stellung im Staat einnimmt und in dieser Funktion Würde und Ansehen zu wahren hat. Daß er im gegebenen Zusammenhang nicht als Regierungschef, sondern als Parteivorsitzender behandelt wurde, kann im Hinblick auf die Personenidentität keinen Unterschied machen.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den meisten bisher entschiedenen Sachverhalten dadurch, daß das Bild selbst und nicht (in erster Linie) der beigegebene Text die für den Abgebildeten abträgliche Wirkung erzeugt. Für die Beklagten wäre aus dem Text für ihren Standpunkt demnach nur dann etwas zu gewinnen, wenn damit die für den Kläger nachteilige Wirkung aufgehoben würde. Ob und in welcher Weise das bei einem Nacktfoto möglich ist, braucht hier nicht geprüft zu werden. Die hiedurch den Text ausgelöste Assoziation zu einem Märchen ("Des Kaisers neue Kleider") vermag jedenfalls ebensowenig wie die dort aufgestellte Behauptung, der Koalitionspartner habe dem Kläger "Hemd und Hosen" ausgezogen, die den Kläger entwürdigende Darstellung - "Bloßstellung" im wahrsten Sinn des Wortes - aufzuwiegen.

Der Hinweis, daß es sich um eine Fotomontage handle, ist so klein gedruckt, daß er vom - nicht nur flüchtigen - Betrachter des Titelbildes nicht wahrgenommen wird. Ein nicht geringer Teil des Publikums wird es durchaus für möglich gehalten haben, daß es tatsächlich gelungen ist, den Kläger bei irgendeiner Gelegenheit nackt zu fotografieren. Im übrigen wirkt auch die durch eine sehr realistische ("naturgetreue") Fotomontage hergestellte Abbildung eines nackten Körpers, auch wenn sie als Montage erkannt wird, gleichfalls für viele peinlich und ist daher geeignet, den solcherart Dargestellten in seiner Würde zu verletzen.

Die nach der Rechtsprechung gebotene Abwägung zwischen den Interessen des Abgebildeten am Unterlassen der Bildveröffentlichung und denjenigen seines Gegners am Verbreiten muß hier zugunsten des Klägers ausfallen, weil die beanstandete Abbildung des nackten Körpers wahrlich keinerlei Informationswert hat.

Die Berufung der Erstbeklagten auf Art 10 MRK geht fehl, weil mit dem Verbot der Verbreitung des beanstandeten Bildnisses in keiner Weise ihr Recht auf freie Meinungsäußerung beschnitten wird. Das Begehren des Klägers ist ja nicht darauf gerichtet, der Erstbeklagten abträgliche Äußerungen über sein politisches Verhalten, insbesondere über die Art seiner Verhandlungsführung mit dem Koalitionspartner, zu untersagen.

Das Nacktfoto ist auch kein Kunstwerk. Art 17 a StGG kann daher gleichfalls nicht als Rechtfertigungsgrund herangezogen werden. Die Grundsätze der Entscheidungen SZ 62/210 = MR 1989, 15 - Der Aufstand und ÖBl 1992, 49 - Schweinchen-Karikatur sind somit hier nicht anwendbar. Eine Karikatur, die eine in der Öffentlichkeit bekannte Person nackt darstellt, hat im übrigen eine andere, in aller Regel wesentlich weniger ungünstige Wirkung für den Abgebildeten als die Veröffentlichung eines Nacktfotos dieser Person, kann doch die Karikatur nie den Eindruck entstehen lassen, es handle sich dabei um eine realistische Darstellung.

Soweit die Zweitbeklagte weiterhin ihre Haftung als bloße Vertriebsorganisation des Nachrichtenmagazins, welches das beanstandete Lichtbild gebracht hat, in Zweifel zieht, übersieht sie, daß sie diese Zeitschrift und damit das Lichtbild jedenfalls "verbreitet" (§ 78 UrhG) hat und daher selbst Täterin war. Ihre - verschuldensunabhängige - Haftung steht deshalb außer Zweifel. Ein Gegensatz zur Entscheidung ÖBl 1991, 101 - Einstandsgeschenk besteht nicht. Dort war es um die Haftung eines Vertriebsunternehmens für die in der von ihr verbreiteten Zeitung enthaltene Zugabenankündigung gegangen. Angekündigt und gewährt wurde die Zugabe von der dortigen Erstbeklagten, die somit Täterin war. Die Haftung der Zweitbeklagten wäre nur dann zu bejahen gewesen, wenn sie als Gehilfin zu werten gewesen wäre. Für den Gehilfen ist aber das bewußte Fördern des Täters Tatbestandsmerkmal. Im vorliegenden Fall hat aber die Zweitbeklagte die Zeitschrift der Erstbeklagten mit dem beanstandeten Titelblatt verbreitet und daher tatbestandsmäßig gehandelt. Selbst wenn ihr die mit der Darstellung auf dem Titelblatt verbundene Rechtsverletzung der Erstbeklagten nicht bekannt oder bewußt gewesen sein sollte, wäre sie zur Unterlassung verpflichtet.

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