OGH 15Os134/96

OGH15Os134/9612.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.September 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Berger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Wilmont F***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. Februar 1996, GZ 11 b Vr 13146/94-60, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch seine Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unangefochtene Freisprüche enthält, wurde Wilmont F***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (I) und des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 1 WaffG (II) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien

zu I: am 12.Oktober 1994 Tericha P*****, die er unter der Vorspiegelung, Fotos von ihr machen zu wollen, in seine Wohnung gelockt hatte, dadurch, daß er seine Wohnungstür absperrte, wodurch die Genannte seine Wohnung nicht verlassen konnte, sohin durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung des Beischlafes und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen, nämlich dazu, daß Tericha P***** einen Oralverkehr an sich durchführen ließ, sowie durch Gewalt, indem er die Genannte festhielt, gegen die Bettbank drückte und sie an den Haaren zurückzog, zur Duldung des Beischlafes genötigt und

zu II: von einem zwischen Anfang und Mitte September 1994 gelegenen Zeitpunkt bis zum 14.Oktober 1994 unbefugt eine Faustfeuerwaffe, nämlich einen Revolver der Marke North America Arms Corp, Kaliber 22 Long Rifle, besessen.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit auf § 281 Abs 1 Z 5 a und 9 lit a StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde. In der Rechtsmittelschrift wird ausschließlich der Schuldspruch wegen des erwähnten Verbrechens behandelt. Indem der Beschwerdeführer aber im Rechtsmittelantrag dennoch begehrt, das angefochtene Urteil (zur Gänze) aufzuheben und einen Freispruch zu fällen, in eventu die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen, wird davon auch der Schuldspruch wegen des Vergehens nach dem Waffengesetz tangiert. Hinsichtlich dieses Urteilsfaktums gebricht es der Nichtigkeitsbeschwerde aber an der deutlichen und bestimmten Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen, sodaß auf sie gemäß §§ 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO keine Rücksicht zu nehmen war.

Mit der Beweisrüge (Z 5 a) versucht der Angeklagte erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Urteilsfeststellungen aufzuzeigen, indem er Ungereimtheiten in den verlesenen Angaben von Tericha P***** und Manuela B***** sowie in der Aussage der Zeugin Manuela P***** behauptet.

Damit wendet sich der Beschwerdeführer nach Art einer zwar breit ausgeführten, jedoch unzulässigen Schuldberufung gegen die ausführliche, alle maßgeblichen Umstände behandelnde (US 11-23) und im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile auch unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 5 a StPO unanfechtbare Beweiswürdigung des Schöffengerichtes (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 5 a E 4 uvam), das in schlüssig nachvollziehbarer und lebensnaher Weise mängelfrei begründet hat, aus welchen Erwägungen der Verantwortung des Angeklagten, Tericha P***** habe sich mit dem Oral- und Vaginalverkehr einverstanden erklärte, keine Glaubwürdigkeit zuerkannt wurde, ohne daß damit schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustandegekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufgezeigt werden oder auf aktenkundige Beweisergebnisse hingewiesen wird, die gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Punkten aufkommen lassen.

In der Rechtsrüge (Z 9 lit a) führt der Beschwerdeführer zur objektiven Tatseite aus, sein im Urteil festgestelltes Verhalten (US 8 Abs 2) sei rechtlich weder als ein "Gefangenhalten" noch als Freiheitsentziehung auf andere Weise im Sinn des § 99 StGB zu werten.

Mit diesem Beschwerdevorbringen, in welchem nicht dargetan wird, aus welchen Erwägungen das Abschließen (Versperren) einer Türe, um den Widerstand einer Person hintanzuhalten oder deren Flucht zu verhindern, nicht tatbestandsmäßig in der Bedeutung der vorhin genannten Gesetzesstelle wäre, wird der relevierte Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, weil in der Rechtsmittelschrift nicht deutlich und bestimmt aufgezeichnet wird, welcher Umstand die behauptete Urteilsnichtigkeit darstellen soll (§ 285 a Z 2 StPO, vgl auch ÖJZ-LSK 1996/205).

Sofern der Angeklagte in weiterer Folge ausführt, das Versperren einer Tür an und für sich sei etwas Alltägliches und nichts Ungewöhnliches und reiche für sich allein nicht aus, um ein "Gefangenhalten" begründen zu können, läßt die Rechtsrüge gleichfalls eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen, weil sie nicht - was hiefür Voraussetzung wäre - den Urteilssachverhalt in seiner Gesamtheit mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht. Der Beschwerdeführer übergeht bei diesem Einwand nämlich die Urteilsfeststellungen, daß er durch das Abschließen der Türe die Flucht seines Opfers verhindern oder dessen Widerstand hintanhalten wollte sowie das Opfer festhielt, niederdrückte, packte und an den Haaren zurückzog, daß er demnach widerrechtlich im Sinn des § 99 StGB gehandelt hat.

Wenn der Angeklagte in weiterer Folge seines Vorbringens Feststellungen vermißt, auf welche Weise die Eingangstür zu seiner Wohnung versperrt war, negiert er die mehrfache Urteilsfeststellung (US 8, 9, 17), daß Tericha P***** um die Aussichtslosigkeit eines Fluchtversuches wegen der versperrten Eingangstür wußte, womit hinlänglich dargetan ist, daß die Tatbestandserfordernisse des § 99 StGB, nämlich die ernsthafte Behinderung am Verlassen des Raumes, das Bewußtsein des Opfers in bezug auf die Beraubung seiner Freiheit sowie die nicht bloß vorübergehende Hinderung der Bewegungsfreiheit (vgl Mayerhofer/Rieder StGB4 § 99 Anm 3) als erwiesen angenommen wurden.

Mit dem Einwand schließlich, im Hinblick auf die Angaben der Zeugin B***** vor dem Sicherheitsbüro, die Widersprüche der Angaben der Tericha P***** und die Verantwortung des Beschwerdeführers wäre die Feststellung geboten, daß dieser gegenüber P***** keine Gewalt angewendet hat, verläßt er erneut den Boden der tatrichterlichen Konstatierungen (US 9: Festhalten an den Beinen, Drücken auf die Bettbank, Packen und Zurückziehen an den Haaren) und führt solcherart den genannten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht dem Gesetz entsprechend aus.

Aus den gleichen Erwägungen sind die Beschwerdeausführungen zur subjektiven Tatseite unbeachtlich. Indem vorgebracht wird, das Erstgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, daß P***** auf Grund einer entgeltlichen Vereinbarung mit dem Angeklagten freiwillig dessen Wohnung betreten, dieser deren Weinen während des Beischlafs auf eine von ihr behauptete Vergewaltigung vor zehn Jahren bezogen hat und demnach im Bewußtsein gewesen sei, P***** habe die sexuellen Handlungen auf Grund der Vereinbarung freiwillig erbracht und geduldet, sodaß kein Vorsatz in Richtung § 201 Abs 2 StGB vorliege, läßt er die beweiswürdigenden schöffengerichtlichen Erwägungen, wonach seine Verantwortung, die Sexualkontakte mit Tericha P***** wären seitens des Mädchens freiwillig erfolgt, als unglaubwürdig erachtet und insbesondere auf Grund der Angaben der Tericha P***** als erwiesen angenommen wurde, sowie die darauf gegründete Tatsachenkonstatierung, daß die Genannte zum Geschlechts- und Mundverkehr genötigt worden ist, außer acht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als zur Gänze nicht der Prozeßordnung entsprechend ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285 a Z 1 und 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Strafberufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft - die von der Staatsanwaltschaft angemeldeten (und nicht ausgeführten) Rechtsmittel einer Nichtigkeitsbeschwerde und einer Schuldberufung wurden zurückgezogen - fällt demnach gemäß § 285 i StPO in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien.

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