OGH 3Ob12/96

OGH3Ob12/9610.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst, Dr. Graf, Dr. Pimmer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Alexander B*****, Chemiker, ***** vertreten durch Dr. Gerhard Schatzlmayr, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, wider die beklagte Partei Peter B*****, Student, ***** vertreten durch Dr. Franz Gölles, Rechtsanwalt in Graz, wegen Einwendungen gegen den Anspruch, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 19. Juli 1995, GZ 4 R 157/95-83, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Bezirksgerichtes Frohnleiten vom 9. Februar 1995, GZ C 49/93 x-71, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist auf Grund eines gerichtlichen Beschlusses vom 12.10.1988 schuldig, dem am 8.9.1972 geborenen Beklagten, seinem ehelichen Sohn, einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.000 zu bezahlen. Der Beklagte führt auf Grund dieses Beschlusses zur Hereinbringung der ab 1.8.1990 fälligen Unterhaltsbeträge die Gehaltsexekution.

Der Kläger erhob mit der am 9.2.1993 eingebrachten Klage die Einwendung, daß der betriebene Anspruch seit 1.7.1992 erloschen sei. Der Beklagte habe im Mai 1992 die Matura abgelegt und sei seither selbsterhaltungsfähig. Er habe kein Studium begonnen und bereits eine Beschäftigung angenommen.

Der Beklagte brachte hiezu vor, daß er nach der Ablegung der Matura zunächst als Werkstudent gearbeitet habe, um einen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten von Amerika bezahlen zu können, und daß er sich dann vom 5.10.1992 bis 18.1.1993 dort aufgehalten habe, um seine Kenntnisse der englischen Sprache zu verbessern. Seit dem Sommersemester 1993 studiere er an der Technischen Universität Graz als ordentlicher Hörer die Studienrichtung "Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau".

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 30.9.1994 wendete der Kläger noch ein, daß der betriebene Anspruch auch deshalb erloschen sei, weil der Beklagte das Studium nicht oder nicht ordnungsgemäß betreibe. Überdies habe er von Juli 1992 bis August 1993 ein Einkommen in der Höhe von S 117.816,19 bezogen und sei deshalb selbsterhaltungsfähig.

Das Erstgericht erkannte zunächst mit einem Teilanerkenntnisurteil, daß der betriebene Anspruch vom 1.2.1994 bis zur Beendigung des Zivildienstes des Beklagten erloschen ist.

Mit dem Endurteil sprach es aus, daß das Klagebegehren abgewiesen wird, soweit es über den durch das Teilanerkenntnisurteil erledigten Zeitraum hinausgeht. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:

Der Beklagte legte am 25.6.1992 an der Höheren Technischen Bundeslehranstalt in Kapfenberg die Reifeprüfung mit ausgezeichnetem Erfolg ab. In der Zeit vom 6.7. bis 26.9.1992 ging er mit einer kurzfristigen Unterbrechung einer Erwerbstätigkeit nach und verdiente dadurch S 51.500 netto. Für das Wintersemester 1992/93 inskribierte er als ordentlicher Hörer die Studienrichtung "Telematik", legte jedoch keine Prüfungen ab. Vom 5.10.1992 bis 18.3.1993 hielt er sich in den Vereinigten Staaten von Amerika auf, um seine Kenntnisse der englischen Sprache zu verbessern. Diese sind für sein Studium förderlich. Da in der Studienrichtung "Telematik" zu wenig auf Computer eingegangen wurde, inskribierte er ab dem Sommersemester 1993 als ordentlicher Hörer die Studienrichtung "Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau" wobei er unmittelbar nach seiner Rückkehr aus den Vereinigten Staaten Vorlesungen dieser Studienrichtung besuchte. Aus einer im April 1993 begonnenen Erwerbstätigkeit erzielte er ein Einkommen von etwa S 25.000 netto.

Am Ende des Sommersemesters 1993 legte der Beklagte Prüfungen aus verschiedenen Lehrveranstaltungen der von ihm inskribierten Studienrichtung mit Erfolg ab. Im Anschluß daran verdiente er durch eine in den Sommerferien ausgeübte Erwerbstätigkeit etwa S 30.000 netto. Im Wintersemester 1993/94 inskribierte er wieder als ordentlicher Hörer die Studienrichtung "Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau", wobei er am 1.12.1994 (richtig gemäß Beilage B: 1993) die Prüfung einer Lehrveranstaltung dieser Studienrichtung mit Erfolg ablegte. Vom 1.2. bis 30.11.1994 leistete er den Zivildienst. Im Wintersemester 1994/95 inskribierte er wieder als ordentlicher Hörer die von ihm schon früher belegte Studienrichtung.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß der Studienerfolg des Beklagten, der in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit Prüfungen in Lehrveranstaltungen mit einem Umfang von insgesamt acht Wochenstunden abgelegt habe, noch als zumindest durchschnittlich anzusehen sei, was zur Aufrechterhaltung des Unterhaltsanspruchs ausreiche. Wenn man das von ihm erzielte Einkommen auf das Jahr aufteile, ergebe dies für 1992 ein monatliches Einkommen von S 4.300 und für 1993 von S 4.600. Auf Grund dieses Einkommens sei der Beklagte noch nicht selbsterhaltungsfähig.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil infolge Berufung des Klägers dahin ab, daß es für die Zeit vom 1.7.1992 bis 28.2.1993 das Erlöschen des betriebenen Anspruchs feststellte, und bestätigte im übrigen das erstgerichtliche Urteil. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Rechtlich war es der Meinung, daß für die Beurteilung der Frage, ob der Beklagte das Studium ernst und zielstrebig betrieben habe, nur das Sommersemester 1993 und das Wintersemester 1993/94 herangezogen werden könnten und daß diese Frage unter Berücksichtigung des Umstands, daß der Beklagte in diesem Zeitraum Prüfungen in Lehrveranstaltungen im Umfang von acht Wochenstunden abgelegt habe, gerade noch zu bejahen sei. Die Einkünfte durch die Ferialarbeit seien nicht so hoch gewesen, daß daraus die Selbsterhaltungsfähigkeit des Beklagten abgeleitet werden könne. Bis zum Beginn des Sommersemesters 1993 habe der Beklagte allerdings keinen Unterhaltsanspruch, weil er sich in dieser Zeit keinem Studium gewidmet habe. Die Revision sei zulässig, weil die Frage der Unterhaltspflicht während einer unmittelbar an die Matura anschließenden Ferialpraxis und eines daran anschließenden Aufenthalts im Ausland und des gerade noch ausreichenden Studienerfolgs während zweier Semester zu klären sei.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision ist unzulässig.

Wie der erkennende Senat in der Entscheidung vom 30.6.1993, 3 Ob 523,524/93 (= ÖA 1994, 66), mit eingehender Begründung dargelegt hat, wird durch ein Studium der Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit hinausgeschoben, wenn das Kind es ernsthaft und zielstrebig betreibt. Das Studium werde im allgemeinen ernsthaft und zielstrebig betrieben, wenn die im § 2 Abs 1 lit b FLAG idF BGBl 1992/311 angeführten Voraussetzungen erfüllt sind, wobei dies auch schon für ein Studium gelte, das vor dem Studienjahr 1993/94 begonnen wurde. Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG in der angeführten Fassung werde ein Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben, wenn im ersten Studienabschnitt nach jedem Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- oder Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von 8 Semesterwochenstunden nachgewiesen wird. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gelte als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Da der Beklagte diese Voraussetzungen erfüllt hat, entspricht die Entscheidung des Berufungsgerichtes der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Dabei kommt es auf die Ansicht, die in dem Schreiben des Vorsitzenden der Studienkommission der vom Beklagten belegten Studienrichtung zum Ausdruck kommt, nicht an, weshalb die vom Kläger in diesem Zusammenhang behauptete Aktenwidrigkeit für die Entscheidung nicht wesentlich ist. Auf die Leistung des Zivildienstes kommt es entgegen der vom Kläger in der Revision vertretenen Meinung nicht an, weil für diesen Zeitraum ohnedies das Erlöschen des Unterhaltsanspruchs des Beklagten festgestellt wurde und die Frage, ob der Beklagte im Anschluß daran sein Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt, nach den dargelegten Kriterien zu beurteilen sein wird. Bloße Vermutungen, wie sie in der Revision angestellt werden, sind nicht angebracht.

In der Entscheidung ÖA 1992, 87 hat der erkennende Senat ferner schon ausgesprochen, daß bei einem Wechsel des Studiums zu berücksichtigen ist, ob subjektive oder objektive Gründe gegeben sind, also ein entschuldbarer Irrtum des Kindes über seine persönlichen Voraussetzungen oder über die mangelnden Berufsaussichten anzunehmen ist. Beim ersten Wechsel, vor allem nach kurzer Studiendauer von einem Semester, sei dabei kein strenger Maßstab anzulegen. Mit dieser Entscheidung stimmt die angefochtene Entscheidung im Grundsätzlichen überein, weshalb auch in diesem Zusammenhang eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen ist (vgl RZ 1994/45 ua).

Entgegen der in der Revision vertretenen Meinung weicht die Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht von den Entscheidungen RZ 1978/138 und SZ 58/83 ab. Die zuerst genannte Entscheidung betraf einen anderen Sachverhalt, weil dort das Kind bereits aus einer fast zwei Jahre dauernden Erwerbstätigkeit ein zur Befriedigung der Lebensbedürfnisse ausreichendes Einkommen bezogen hatte. Nur für diesen Fall wurde ausgesprochen, daß der Wunsch nach einer neuen Berufsausbildung nur dann ein Wiederaufleben der Unterhaltspflicht begründen könne, wenn eine besondere Eignung für den neuen Beruf bestehe und dieses Ziel ernsthaft und strebsam verfolgt werde. Im übrigen ist hier die zweite Voraussetzung nach dem Gesagten ohnedies erfüllt und der Kläger hat nicht einmal behauptet, geschweige denn bewiesen, daß der Beklagte keine besondere Eignung für das von ihm betriebene Studium hat.

In der Entscheidung SZ 58/83 wurde nur allgemein gesagt, daß einem bereits selbsterhaltungsfähigen Kind gegen den Willen seines Vaters eine zusätzliche Ausbildung, die diesen zu weiteren Unterhaltsleistungen nötigt, nur bei besonderer Eignung für diesen Beruf unter sicherer Erwartung eines besseren Fortkommens gewährt werden kann, es wurde aber gleich im Anschluß an diese Aussage darauf hingewiesen, daß die Unterhaltspflicht weiterbesteht, wenn das Kind die zu einem Studium erforderlichen Fähigkeiten besitzt, das Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt und dem Unterhaltspflichtigen nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen eine Beteiligung an den Kosten des Studiums möglich und zumutbar ist. Diese Kriterien sind hier demnach maßgebend.

Die übrigen vom Berufungsgericht als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO bezeichneten Rechtsfragen wären nur zu lösen, wenn der Beklagte das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision bekämpft hätte. Auf Grund der Revision des Klägers ist hingegen aus den angeführten Gründen ein erhebliche Rechtsfrage im Sinn dieser Bestimmung nicht zu lösen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Dem Beklagten gebühren Kosten für die Revisionsbeantwortung, weil er darin auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.

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