OGH 3Ob2291/96z

OGH3Ob2291/96z10.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Ing.Herbert O*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Blaschitz, Rechtsanwalt in Wien, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Betroffenen gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 11.Juli 1996, GZ 44 R 521/96k-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 20.Juni 1996, GZ 13 P 81/96v-8, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Revisionsrekurswerber hat die Kosten seines Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 18.3.1996, 4 Cg 72/94s-69, erging in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei K***** GesmbH i.L., ***** vertreten durch Dr.Berthold Thunn-Hohenstein, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr.Gernot S*****, Rechtsanwalt in Z*****, wegen 1.) S 2,162.110,-- sA, 2.) S 2,200.007,55 sA, die Verständigung gemäß § 6 a ZPO, daß sich auf Seiten des Liquidators der klagenden Partei Anzeichen für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 273 ABGB mit Beziehung auf diesen Rechtsstreit ergeben hätten. Zur Begründung führte das Prozeßgericht aus, daß die durch den Liquidator Ing.Herbert O***** vertretene klagende Partei gegen den Beklagten mehrere Schadenersatzprozesse wegen pflichtwidriger Führung des Amtes als Masseverwalter führe bzw geführt habe. Neben den Verfahren, in denen der Beschluß gemäß § 6 a ZPO gefaßt wurde, führte das Prozeßgericht folgende Verfahren an:

Zu 5 Cg 22/95w des Landesgerichtes Linz sei gegen den Beklagten und vier im Konkursverfahren bestellte Sachverständige ein Verfahren über S 74,253.945,60 sA anhängig; die Klage sei von der Gesellschaft am 28.10.1987 eingebracht worden.

Zu 7 Cg 402/89 des Landesgerichtes Salzburg habe die klagende Gesellschaft eine Klage über S 231.062,92 sA eingebracht; in diesem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren habe die klagende Partei teilweise obsiegt.

Zu 4 Cg 17/95d stelle die klagende Gesellschaft ein Feststellungsbegehren und ein Begehren auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von S 41,227.587,--.

In dem betreffenden Verfahren 4 Cg 72/94s des Landesgerichtes Salzburg habe der Betroffene in der Tagsatzung am 22.2.1996 nach Erörterung der Sach- und Rechtslage erklärt, die Inventargegenstände, die dieses Verfahren betreffen, seien bereits Gegenstand eines früheren Verfahrens gewesen. Daraufhin habe der Klagevertreter mit Zustimmung des Betroffenen die Klage zu 4 Cg 72/94s unter Anspruchsverzicht zurückgezogen. In der Folge habe der Betroffene in einem als "Rekurs gegen die Verfahrenseinstellung 4 Cg 72/94s Landesgericht Salzburg" bezeichneten Schreiben behauptet, der Richter habe erklärt, daß eine Identität der Streitgegenstände vorliege; dadurch sei der Betroffene in die Irre geführt worden und habe einer Verfahrenseinstellung "gezwungenermaßen" zugestimmt. Diese Eingabe sei zur Verbesserung durch Anbringung einer Unterschrift des Rechtsvertreters zurückgestellt worden. Der Betroffene habe im Verlauf der Verfahren bereits mehrfach persönliche Eingaben an das Gericht gerichtet und sei dabei immer wieder belehrt worden, daß im Gerichtshof Verfahren jeder Schriftsatz die Unterschrift des Rechtsanwaltes zu enthalten habe. Der bestellte Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe habe im Antrag vom 11.3.1996 erhebliche Zweifel an der Prozeßfähigkeit des Liquidators der klagenden Partei geäußert und die Vorgangsweise nach § 6 a ZPO angeregt.

Das Erstgericht bestellte nach Erstanhörung für den Betroffenen zur Vertretung im Verfahren, in dem Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters geprüft wird, einen einstweiligen Sachwalter. Zur Begründung führte das Erstgericht an, der Betroffene sei nach dem Ergebnis der Erstanhörung nicht in der Lage, alle seine Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Das Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters geprüft werde, sei daher fortzusetzen. Für dieses Verfahren sei ein Vertreter vorgeschrieben. Da der Betroffene keinen Vertreter gewählt habe, sei gemäß § 238 Abs 1 AußStrG ein einstweiliger Sachwalter für das Verfahren zu bestellen. Mit gesondertem Beschluß wurde Dr.Martha Brenneis zum Sachverständigen mit dem Auftrag bestellt, Befund und Gutachten zu erstatten, wie weit die betroffene Person in der Lage ist, ihre Angelegenheit selbst zu besorgen.

Danach verständigte das Landesgericht Linz im Verfahren 5 Cg 22/95w das Pflegschaftsgericht gemäß § 6 a ZPO, daß sich auf Seiten des Liquidators der klagenden Partei Anzeichen für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 273 ABGB mit Beziehung auf diesen Rechtsstreit ergeben hätten. Durch zahlreiche, vom Liquidator selbst bzw von seinem hiezu beauftragten Verfahrenshelfer verfaßte Eingaben und Anträge sei es immer wieder zu erheblichen Verfahrensverzögerungen gekommen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Betroffenen gegen den Beschluß auf Einleitung des Sachwalterverfahrens nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu, weil Rechtsfragen der in § 14 Abs 1 AußStrG genannten Bedeutung nicht zu lösen gewesen seien. Die bei der Erstanhörung hervorgekommenen Umstände erforderten zum Schutz des Betroffenen die Vorsetzung des Verfahrens, um durch Einholung eines psychiatrischen Gutachtens klären zu können, ob die Hinweise auf das Vorliegen einer psychischen Störung objektiviert werden können oder nicht das Ergebnis eines Krankheitsgeschehens sind.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Betroffenen ist zulässig und berechtigt.

Nach § 236 AußStrG ist das Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters für eine behinderte Person nach § 273 ABGB einzuleiten, wenn sie selbst die Bestellung eines Sachwalters beantragt oder, etwa aufgrund einer Mitteilung über die Schutzbedürftigkeit einer behinderten Person, begründete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer solchen Bestellung vorliegen. Die Anhaltspunkte müssen konkret und begründet sein und sich sowohl auf die psychische Krankheit oder geistige Behinderung als auch auf die Notwendigkeit des Sachwalterbestellung beziehen (EvBl 1992/12; NRsp 1990/5). Eine solche Notwendigkeit besteht dann, wenn die Person, die an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist, alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen vermag. Der Begriff Angelegenheiten ist hiebei umfassend zu verstehen, darunter fallen nicht nur Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen, sondern auch Prozesse und sonstige Behördenverfahren (EvBl 1992/12; Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 273).

Gemäß § 273 Abs 2 Satz 2 ABGB darf ein Sachwalter nicht nur deshalb bestellt werden, um einen Dritten vor der Verfolgung eines, wenn auch bloß vermeintlichen, Anspruchs zu schützen. In einem solchen Fall kommt eine Sachwalterbestellung - trotz Vorliegens einer psychischen Krankheit oder einer geistigen Behinderung - nicht in Betracht (RV 742 BlgNr 15. GB). Der in § 273 Abs 1 ABGB klar zum Ausdruck gebrachte Gedanke, daß eine Sachwalterbestellung nur bei Selbstgefährdung, nicht jedoch bei Fremdgefährdung vorzunehmen ist, wird in § 273 Abs 2 Satz 2 ABGB für einen bestimmten Fall wiederholt. Einem querulatorischen Behinderten kann nicht deshalb ein Sachwalter bestellt werden, weil Dritte (Privatpersonen, aber auch Behörden unter anderen Einrichtungen) daran interessiert sind, nicht länger mit dessen vermeintlichen Ansprüchen belästigt zu werden. Eine Sachwalterbestellung ist nur zulässig, wenn sich der Querulant selbst Nachteile (zB Kosten aussichtsloser Prozeßführung) zuzieht (Schlemmer in Schwimann, ABGB, Rz 8 zu § 273). Alleiniges Interesse Dritter, auch der Allgemeinheit, des Staates, der Familie ist nie ein Grund zur Sachwalterbestellung. Sogenannten Querulanten kann nur dann ein Sachwalter bestellt werden, wenn sie zufolge psychischer Krankheit oder geistiger Behinderung sich selbst Rechtsnachteile zuziehen, zB durch kostenaufwendige, mutwillige oder offenbar aussichtslose Prozeßführung (Pichler in Rummel2, Rz 4 zu § 273).

Im vorliegenden Fall wird die Notwendigkeit einer Sachwalterbestellung ausschließlich aus dem Verhalten des Betroffenen in mehreren gerichtlichen Verfahren abgeleitet. Dabei verkennen die Vorinstanzen, daß in allen diesen Verfahren nicht der Betroffene selbst, sondern eine GmbH in Liquidation als klagende Partei auftritt. Wenn auch diese GmbH vom Betroffenen als Liquidator vertreten wird, so ist doch nicht konkret nachvollziehbar, welche Rechtsnachteile sich der Betroffene selbst durch die Prozeßführung zuziehen sollte. Nur eine derartige Gefahr für den Betroffenen, nicht jedoch ein Interesse Dritter (Privatpersonen oder Behörden), kann Grund für die Bestellung eines Sachwalters nach § 273 ABGB sein.

Schon aus diesem Grund erweist sich die Einleitung eines Sachwalterverfahrens mangels konkreter Anhaltspunkte im Bezug auf die Notwendigkeit der Sachwalterbestellung zum Schutz des Betroffenen als unzulässig. Fehlen solche Anhaltspunkte, ist das Verfahren einzustellen (7 Ob 598/91, teilweise veröffentlicht in EvBl 1992/12).

Die vom Prozeßgericht vorgenommene Verständigung des Pflegschaftsgerichtes gemäß § 6 a ZPO war schon deshalb verfehlt, weil nicht der Betroffene, sondern eine Kapitalgesellschaft Partei mehrerer beim Landesgericht Salzburg anhängiger Verfahren ist. Ob die Gesellschaft durch den Liquidator ordnungsgemäß vertreten ist, hat das Prozeßgericht nach § 6 ZPO selbst von Amtswegen zu prüfen.

Kostenersatz ist dem Betroffenen im Außerstreitverfahren nicht zu zuerkennen.

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