OGH 15Os103/96

OGH15Os103/965.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.September 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Berger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter Sa***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 27.März 1996, GZ 12 Vr 601/95-69, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr.Bierlein, des Angeklagten sowie des Verteidigers Dr.Bernhauser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 4 (vier) Jahre erhöht.

Der Angeklagte wird mit seiner das Strafausmaß betreffenden Berufung auf diese Entscheidung verwiesen; seiner gegen die Versagung bedingter oder teilbedingter Strafnachsicht gerichteten Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter Sa***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A) und nach § 201 Abs 2 StGB (C I und II) sowie der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB (B), der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (C III), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (C IV), der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (D), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (E) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (F) schuldig erkannt.

Darnach hat

zu A: am 24.Juli 1995 in Wien Jutta A***** durch Anhalten eines Messer mit einer 10 cm langen Klinge an deren Hals sowie die Äußerung: "Schrei nicht, sonst bringe ich dich um", und ihr werde nichts passieren, sofern sie alles tue, was er von ihr verlange, somit durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme eines oralen Verkehrs bis zum Samenerguß, sohin einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, genötigt;

zu B: am 24.August 1995 in Wien der Manuela St***** deren Handtasche mit 2.000 S Bargeld, sohin fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen;

zu C: am 26.August 1995 in Großrußbach Sabine W***** durch Entziehen der persönlichen Freiheit, nämlich durch Einsperren in seinem Haus, genötigt, und zwar

I. zur Durchführung eines Mundverkehrs,

II. überdies mit Gewalt, nämlich durch Würgen und Festhalten auf dem Bett, zum Beischlaf,

III. überdies mit Gewalt, nämlich durch Würgen, Zerren und Festhalten auf dem Bett, zur Duldung des Mundverkehrs sowie

IV. überdies mit Gewalt, nämlich durch Würgen, zum Küssen der Füsse;

zu D: Ende April, Anfang Mai 1995 in Wien Andrea K***** durch geführliche Drohung, nämlich durch die Äußerung, daß sie nichts tun könne, wenn sie aussteigen wolle, solange er das nicht wolle, wobei er mit einem Messer vor ihrem Gesicht herumfuchtelte, zur Unterlassung des Aussteigens aus seinem PKW zu nötigen versuchte;

zu E: am 26.August 1995 in Großrußbach Sabine W***** nach den zu C angeführten Taten durch die Äußerung, daß sie das Haus sicher nicht lebend verlassen werde, gefährlich (im erstgerichtlichen Urteil infolge eines offenkundigen Diktatfehlers: "gesetzlich") bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen; sowie

zu F: in der Zeit vom 24."7." (richtig: August) bis 7.September 1995 in Großrußbach den österreichischen Reisepaß der Manuela St***** und eine Monatskarte der ÖBB und der WVB, sohin Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, unterdrückt, indem er diese Urkunden in seinem PKW versteckte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, zu verhindern, daß die Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis von Rechten und Tatsachen gebraucht werden.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde.

Der Rechtsmittelantrag geht dahin, "das Urteil aufzuheben". Zu den Fakten E und F finden sich in der Beschwerde keine Ausführungen; insoweit versagt die Nichtigkeitsbeschwerde schon mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen (§ 285 a Z 2 StPO).

Die bezüglich der Schuldspruchfakten A, B, C und D erhobene Mängelrüge (Z 5) zeigt keinen formalen Begründungsmangel in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes auf, sondern versucht in unzulässiger Weise die im Verfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile der Anfechtung entzogene Beweiswürdigung des Schöffengerichtes in Zweifel zu ziehen.

Das trifft auf die durch nichts belegten Spekulationen des Beschwerdeführers über eine allfällige Verabredung der Zeuginnen A***** und W***** zu. Auf Abweichungen in den verschiedenen Aussagen der Zeugin A***** ging das Schöffengericht ein, maß ihnen jedoch kein die Glaubwürdigkeit beeinträchtigendes Gewicht zu (US 15). Gleichermaßen vermag das Remonstrieren des Angeklagten gegen die Beurteilung der Aussage seiner Ehefrau als unglaubwürdig keinen formalen Begründungsmangel aufzuzeigen. Auch die Bemängelung der tatrichterlichen Argumentation hinsichtlich der Herkunft des PKWs der Marke BMW als "unstatthafte Vermutung zu Lasten des Angeklagten" versagt. Es handelt sich jeweils um denkmögliche, durch den Akteninhalt gedeckte Schlußfolgerungen des Schöffengerichtes.

Das Vorbringen im Gerichtstag, die Wahlkonfrontation mit den Zeuginnen A***** und St***** sei nicht in Photos festgehalten worden, widerspricht dem Akteninhalt (s. Photos S 277-281/I).

Dem Grundsatz freier richterlicher Beweiswürdigung entsprechend hat das Erstgericht auch mit zureichender Begründung dargetan, warum es den Angaben der Zeugin St***** vor der Polizei Glaubwürdigkeit zuerkannte und weshalb es deren Angaben in der Hauptverhandlung (auch hinsichtlich einer Alkoholisierung) weniger Glauben schenkte; da der Beschwerdeführer nach den Urteilsfeststellungen die in Faktum F des Urteilssatzes angeführten Urkunden, die sich in der Handtasche der Zeugin Steiner befunden hatten, unter dem Beifahrersitz seines Autos versteckt hat, waren weitere Ausführungen dahin, warum er diese ihn belastenden Gegenstände nicht sofort beseitigt oder an einer schwer auffindbaren Stelle deponiert hätte, nicht geboten.

Dem Beschwerdevorbringen zuwider widerspricht die tatrichterliche Beweiswürdigung in den Schuldspruchfakten C und D weder allgemeiner Lebenserfahrung, noch sind sie logisch nicht nachvollziehbar oder mit den Denkgesetzen in Widerspruch.

Der Beschwerdeführer trachtet mit seiner durch nichts belegten Spekulation, die Zeugin W***** habe die mangelhafte Bekleidung auf ihrer Flucht als "Begleitumstand" einer fälschlich behaupteten Vergewaltigung "dargestellt", und dem Vorbringen, sie habe nicht die "erstbeste Gelegenheit zur Flucht ergriffen", erneut nur unzulässig die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes zu bekämpfen. Gleiches gilt für die Bemängelung der Ausführungen des Erstgerichtes darüber, aus welchen Gründen die Zeugin K***** nicht sofort Anzeige erstattete.

Auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist nicht berechtigt.

Sofern der Angeklagte mit Bezugnahme auf den Schuldspruch wegen versuchter Nötigung (Punkt D des Urteilssatzes) dem "Fuchteln mit dem Messer" die Eignung als gefährliche Drohung mit der Begründung abspricht, daß dies während einer Autofahrt erfolgt sei, übersieht er, daß Beurteilungskriterium einer Handlung oder Äußerung als gefährliche Drohung die objektive Eignung dieser Tat ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse oder seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen (§ 74 Z 5 StGB). Daß die Zeugin K***** bei unbefangener Betrachtung der Situation den Eindruck gewinnen konnte, der Beschwerdeführer sei in der Lage und auch willens, ihr ein ins Gewicht fallendes körperliches Ungemach zuzufügen (vgl Leukauf/Steininger, Komm3 § 74 RN 21), wurde vom Schöffengericht angesichts der aus den Entscheidungsgründen hervorgehenden näheren Tatumstände (s insbes US 6) frei von Rechtsirrtum bejaht; der in der Beschwerde hervorgehobene Umstand einer möglichen Selbstgefährdung des damals einen PKW lenkenden Angeklagten - dem es freistand, die Geschwindigkeit so zu drosseln, daß eine Selbstgefährdung unwahrscheinlich wurde - ist mangels rechtlicher Relevanz nicht weiter erörterungsbedürftig. Die Beschwerde übergeht außerdem den festgestellten Umstand, daß der Angeklagte in solcher Weise mit dem Messer vor dem Gesicht des Tatopfers "fuchtelte", daß er dabei sogar das Gesicht mit dem Messer kurz berührte (US 6).

Sofern der Nichtigkeitswerber hinsichtlich des Faktums C des Urteilssatzes das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der Entziehung der persönlichen Freiheit in Zweifel zieht, weil die Zeugin W***** durch die nicht versperrte Balkontür "sich ins Freie" begeben hat, übergeht er, daß er nach den Urteilsfeststellungen nicht nur die Eingangstür zu den Wohnräumen abgesperrt hatte, sondern daß die gekippte Verandatür schwer zu öffnen und ein Vorhang vorgezogen war, ferner daß er die Zeugin am Verlassen der Räumlichkeiten durch Zurückhalten und Würgen gehindert hatte und daß der Zeugin erst später (nach Vollziehung der zu C II bis C IV angeführten Tathandlungen) die Flucht durch die Terrassentür gelungen war.

Zur Rechtsrüge, wonach das Schöffengericht "notwendige Feststellungen zur subjektiven Tatseite" unterlassen habe, genügt der Hinweis, daß die vermißten Konstatierungen den Entscheidungsgründen in Ansehung sämtlicher Schuldspruchsfakten mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sind.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 201 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die einschlägige Vorstrafe, als mildernd hingegen, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist.

Während der Angeklagte mit seiner Berufung eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und "unter Heranziehung des § 43 a StGB" eine "zumindest teilweise" bedingte Strafnachsicht anstrebt, begehrt die Staatsanwaltschaft die Erhöhung der Freiheitsstrafe.

Nur der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.

Die erstgerichtlichen Strafzumessungsgründe bedürfen insofern einer Korrektur, als die Vorverurteilung des Angeklagten vom 14.November 1990, AZ 2 d E Vr 10.834/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien seit 19.November 1995 getilgt ist und ihm demgemäß der Milderungsgrund des § 34 Z 2 StGB zugute kommt sowie der Erschwerungsgrund des § 33 Z 1 StGB zu entfallen hat. Im übrigen aber hat das Erstgericht jedoch die besonderen Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig angeführt.

Zwar ist - der Berufungsausführung der Staatsanwaltschaft zuwider - die Vorgangsweise des Angeklagten vor Verübung der meisten Taten nicht als heimtückisch zu bezeichnen, denn der festgestellte Urteilssachverhalt läßt die Beurteilung nicht zu, daß der Angeklagte heimlich oder überraschend unter einem verwerflichen Vertrauensbruch gehandelt hat; ebensowenig ist die Annahme gerechtfertigt, daß er seinen Opfern schwere körperliche oder seelische Qualen bei der Tatbegehung zugefügt hat (vgl Leukauf/Steininger aaO § 33 RN 12; Kunst im WK § 33 Rz 12; Pallin Strafzumessung Rz 48).

Allerdings kommt dem Unrechtsgehalt der verfahrensgegenständlichen Straftaten erhöhtes Gewicht zu, hat der Angeklagte doch seine Opfer jeweils durch List oder Täuschung in eine Situation gebracht, die jener der Wehr- oder Hilflosigkeit bereits nahekommt.

Bei Berücksichtigung des Umstandes, daß der Angeklagte neben dem mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bedrohten Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB die zweimalige Verübung des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB mit einer Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren sowie sechs weitere Vergehen zu verantworten hat, und seine Taten insgesamt ein hohes Aggressionspotential manifestieren, entspricht eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von vier Jahren dem hohen Unrechtsgehalt der von ihm begangenen strafbaren Handlungen und der schweren personalen Täterschuld.

Der Angeklagte war demnach mit seiner Berufung hinsichtlich des Strafausmaßes auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen; sein Begehren auf gänzliche oder teilweise bedingte Strafnachsicht scheitert schon am Ausmaß der (korrigierten) Freiheitsstrafe.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogenen Gesetzesstelle.

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