OGH 9ObA2136/96z

OGH9ObA2136/96z4.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Christian Kleemann und Thomas Mais als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag.Thomas D***** V*****, ***** vertreten durch Dr.Peter Bartl und Dr.Anton Cuber, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien

1.) Dr.Erwin B***** und 2.) Dr.Peter Z*****, wegen S 60.000,-- sA, infolge Revision aller Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.März 1996, GZ 7 Ra 126/95-22, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 14. August 1995, GZ 35 Cga 14/95i-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die Kosten der Revisionsbeantwortung von S 3.573,50 (darin enthalten S 595,58 Umsatzsteuer). Die beklagten Parteien sind schuldig dem Kläger die Kosten der Revisionsbeantwortung von S 4.464,76 (darin enthalten S 744,12 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1.10.1993 bis 31.12.1994 als Rechtsanwaltsanwärter in der Rechtsanwaltskanzlei der Beklagten beschäftigt. Beim Einstellungsgespräch wurde er nach dem Vorhandensein eines Führerscheins und eines Kraftfahrzeuges gefragt. Es entstand bei ihm der Eindruck, daß Kraftfahrzeug und Führerschein Voraussetzung für die Anstellung seien. Es wurde ein Monatsgehalt und ein Kilometergeld ab B***** in Aussicht gestellt. Bereits vor Eintritt des Klägers hatte sich die Übung entwickelt, daß die Konzipienten der Beklagten ihre Personenkraftwagen während der Woche in B***** stehen hatten. Die Fahrzeuge wurden jeweils am Montag nach B***** gebracht und am Freitag von B***** entfernt. Während der Woche reisten die Rechtsanwaltsanwärter mit dem Zug nach B***** zu, außer die PKW wurden anderweitig benötigt. Diese Praxis wurde vom Kläger bei seinem Eintritt übernommen. Die Übung kannten die Beklagten nicht nur, sondern es wurde insbesondere vom Erstbeklagten das Bereitstehen der PKW der Konzipienten in B*****gefordert. Der Kläger wohnte bei seiner Anstellung in G*****. Eine Verlegung des Wohnsitzes wurde nicht verlangt. Die Kanzlei der Beklagten ist üblicherweise von 7.30 bis 18.00 Uhr durchgehend geöffnet. Die Konzipienten kommen zwischen 7.45 und 8.15 Uhr, wobei ihr Eintreffen nicht überwacht wird. Die Termine für die nächste Woche wurden etwa Mitte der Woche eingeteilt. Dennoch kam es immer wieder zu kurzfristigen Terminverschiebungen, sodaß nie von vornherein bekannt war, ob der PKW benötigt wird oder nicht. Der Kläger verrichtete während seiner Beschäftigungszeit mehrmals auswärtige Termine, Verhandlungen und Tagsatzungen. Die Fahrten mit dem eigenem PKW zu Verhandlungen und auswärtigen Terminen wurden mit Kilometergeld abgegolten. Für die "Überstellungsfahrten" von G***** nach B***** bzw retour wurde kein Kilometergeld geleistet. Die Zugverbindung von G***** nach B***** und retour bzw nach L***** oder W***** ist gut. Bestimmte Verhandlungsorte sind jedoch mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichbar. Ein Verbot der Benützung des eigenen PKW wurde durch die Beklagten nicht ausgesprochen. Am 24.1.1994 (einem Montag) fuhr der Kläger mit seinem PKW von G***** nach B*****. Es handelte sich um eine "Überstellungsfahrt". Auf dieser Fahrt ereignete sich ein Verkehrsunfall, der durch die AUVA ausdrücklich als Arbeitsunfall anerkannt wurde. Bei diesem Unfallgeschehen entstand am Fahrzeug des Klägers ein Totalschaden. Es wurde außerdem ein Lichtmast beschädigt. Weiters waren Reinigungsarbeiten erforderlich. Es entstand überdies ein Verwaltungsaufwand und es fielen Abschleppkosten an. Die Kleidung des Klägers und seine Brille wurden beschädigt.

Der Kläger begehrt von den Beklagten den Ersatz seines Schadens mit der Begründung, daß die Bereitstellung des Personenkraftwagens in B***** vom Arbeitgeber vorausgesetzt wurde und der Schaden zu den typischen Gefahren des Arbeitsauftrages gehöre.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens, weil ein Kraftfahrzeug bei einem Konzipienten weder Bedingung noch erforderlich sei, es Konzipienten mit Kraftfahrzeug und ohne Kraftfahrzeug gebe und im übrigen ein Umweltticket bezahlt werde. Es habe sich um eine im Privatinteresse des Klägers vorgenommene Fahrt gehandelt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt.

Es vertrat die Rechtsansicht, daß der private Personenkraftwagen im Interesse der Dienstgeber eingesetzt worden sei, weil die Bereitstellung des Kraftfahrzeuges am Arbeitsort vom Dienstgeber vorausgesetzt wurde und die Flexibilität aber auch Mobilität besonderes Kennzeichen des Anwaltsberufes sei, sodaß die Fahrt des Klägers im Interesse des Dienstgebers erfolgte.

Das Berufungsgericht änderte in teilweiser Stattgebung der Berufung der beklagten Parteien das angefochtene Urteil dahingehend ab, daß es dieses mit einem Betrag von S 45.000,-- (PKW Schaden) bestätigte und das Mehrbegehren von S 15.000,-- abwies. Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig.

Es teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, daß die sogenannte "Überstellungsfahrt" vornehmlich im Interesse der Beklagten erfolgte, sodaß diese das damit verbundene Unfallrisiko zu tragen hätten. Sie hätten nämlich die Verwendung des privaten Personenkraftwagens am Arbeitsort verlangt und für eigene Zwecke zu ihrem Vorteil disponiert. Sie hätten gewußt, daß die Konzipienten nach Ende der Arbeitswoche ihre Personenkraftwagen zur Heimfahrt benützen würden, und verlangt, die Fahrzeuge während der Woche wieder zur Verfügung zu stellen. Die Zureise mit dem Personenkraftwagen zur Bereitstellung desselben unter der Woche sei daher im Interesse der Beklagten gelegen. Die im übrigen geltend gemachten Schäden seien aber dem allgemeinen Lebensbereich zuzuordnen, der vom Dienstgeber nicht zu ersetzen sei.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Streitteile wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und den Anträgen des Klägers auf Abänderung der berufungsgerichtlichen Entscheidung durch Zuspruch auch des abgewiesenen Betrages von S 15.000,-- und der Beklagten auf Abweisung der Klage.

Beide Streitteile stellen den Antrag, der Revision des jeweils anderen Streitteiles nicht Folge zu geben.

Beide Revisionen sind nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach der Rechtsprechung haftet der Arbeitgeber nach dem auch auf

Arbeitsverhältnisse analog anzuwendenden § 1014 ABGB für

"arbeitsadäquate" Sachschäden des Dienstnehmers (Arb 10.268 = DRdA

1984/1 Eg [Jabornegg], Arb 10.495 = ZAS 1987/10 [Kerschner] = DRdA

1988/6 [Jabornegg]; Arb 10.784; Arb 10.901 = ecolex 1991, 114 = JBl

1991, 329; EvBl 1996/49).

Es sind daher Sachschäden zu ersetzen, die das spezifische Risiko der Tätigkeit des Dienstnehmers verwirklichen, nicht aber auch andere Nachteile, die der Dienstnehmer nur zufällig ("gelegentlich" seiner Arbeitsverrichtung) erleidet. Der Ersatzanspruch beruht darauf, daß der Dienstgeber in dem Gefahrenbereich, in dem der Dienstnehmer seinen Dienst auszuüben hat, über diese Sachen des Dienstnehmers oder Dritter, die dem Dienstnehmer die Sachen zur Verfügung stellen, für eigene Zwecke disponiert und sich dadurch einen entsprechenden Nutzen verschafft. Dem Dienstgeber ist daher der Schaden aus der Benützung des eigenen Kraftfahrzeuges durch den Dienstnehmer zuzurechnen, wenn dem Dienstnehmer Aufgaben übertragen wurden, deren Erfüllung ohne Kraftfahrzeug nicht möglich oder nicht zumutbar war, der Schaden in Erfüllung dieser Aufgaben eingetreten ist und sich der Dienstgeber mangels Beistellung eines Dienstfahrzeuges das eigene Unfallrisiko erspart. Darauf, ob der Dienstnehmer seinen PKW im Ergebnis letztlich "freiwillig" beistellt, kommt es nicht an.

Die Fahrt des Dienstnehmers vom Wohnort zum Arbeitsort ist im allgemeinen der Privatsphäre des Dienstnehmers und nicht dem Risikobereich des Dienstgebers zuzurechnen. Durch die Zurücklegung dieser Wegstrecke wird weder der betriebliche Nutzen gefördert noch liegt typischerweise eine Disposition des Dienstgebers in diesem Bereich vor (Arb 10.901 = ecolex 1991, 114 = JBl 1991, 329).

Entscheidend ist, ob das Fahrzeug des Klägers am Unfallstag zum Nutzen und nach Disposition der beklagten Parteien eingesetzt worden ist.

Im vorliegenden Fall entsprach das Bereitstellen des PKW des Klägers am Dienstort der bei den Beklagten gepflogenen Übung. Das Bereitstehen des PKW wurde insbesondere vom Erstbeklagten gefordert. Damit war aber die sogenannte "Überstellungsfahrt" vom Wohnort zum Dienstort mit dem auch für den Dienstgebrauch am Dienstort bereitzustellenden PKW für den Nutzen der Beklagten maßgeblich. Die für das vom Dienstgeber geforderte Bereitstehen des Privatfahrzeuges erforderliche Überstellungsfahrt geschah daher auf Grund der Disposition des Dienstgebers. Sie war für die Bereitstellung des PKW am Dienstort nicht weg zu denken, sodaß ähnlich wie in der Entscheidung Arb 10.901 = ecolex 1991, 114 = JBl 1991, 329 die Verwendung des Privatfahrzeuges auf der Überstellungsfahrt mit der Erfüllung des Arbeitsauftrages verbunden war. Der Dienstgeber ersparte sich durch sein Verlangen, den privaten Personenkraftwagen am Dienstort bereitzustellen, ein Dienstfahrzeug.

Der Arbeitgeber muß in diesem Zusammenhang mit einem allfälligen Schaden an dem für die dienstliche Verwendung bereitzustellenden und daher zu überstellenden Kraftfahrzeug als typische Folge seiner Disposition rechnen (SZ 19/40).

Der Dienstgeber hat aber nicht für alle im Zusammenhang mit dem Arbeitsauftrag entstandenen Schäden zu haften, die nicht an den für die dienstliche Verwendung bereitzustellenden PKW entstehen. Während der PKW des Dienstnehmers wirtschaftlich geradezu als Dienstfahrzeug verwendet wurde und daher der daran eingetretene Schaden durch das Auftragsrisiko erkennbar begünstigt wurde, ist dies bei den durch den Unfall hervorgerufenen Schäden am Lichtmast, den Reinigungskosten der Feuerwehr, den Abschleppkosten, dem Verwaltungsaufwand sowie den Schäden an der Brille und der Kleidung nicht der Fall.

Unter Berücksichtigung aller objektiven Tatsachen, die der Dienstgeber bei seiner Willensbetätigung, das Bereitstehen der PKW am Dienstort zu fordern, erkennen konnte und mußte, war die Wahrscheinlichkeit des später tatsächlich eingetretenen Schadens nicht höher zu beurteilen, als wenn der Dienstnehmer nur im Privatleben tätig sein würde. Während die Benützung des Privatfahrzeuges zur Erfüllung der Wünsche des Dienstgebers das private Lebensrisiko deshalb überschritt, weil infolge der guten Zugsverbindungen die Benützung des PKW im Privatleben gar nicht erforderlich gewesen wäre und daher nicht nur auf privater Bequemlichkeit erfolgte, ging das durch den Dienstauftrag entstehende Risiko im Bereich der übrigen Schäden nicht über das private Lebensrisiko des Dienstnehmers hinaus und wurde durch die Fahrt im dienstlichen Interesse nicht vergrößert (Bydlinski, Risikohaftung des Arbeitgebers, 75).

Zu Recht wies das Berufungsgericht daher das auf Zahlung von weiteren S 15.000,-- gerichtete Klagebegehren ab.

Die Vereinbarung des Monatsgehaltes von S 12.000,-- netto ab B***** und eines Kilometergeldes von damals S 4,30 ebenfalls ab B***** beinhaltet keine infolge der dispositiven Natur des § 1014 ABGB grundsätzlich zulässige Abdingung der Risikohaftung des Arbeitgebers (Löschnigg/Reissner, Arbeitgeberhaftung für Sachschäden auf der Dienstreise, ecolex 1991, 110 f). Die Vereinbarung läßt überhaupt keine Aussage über die Risikohaftung erkennen. Wenngleich nicht unbedingt eine ausdrückliche Abdingung der Risikohaftung gefordert werden muß, so muß sich ein solcher Ausschluß doch zumindest aus der Vertragsauslegung ergeben. Dies wäre vor allem dann der Fall, wenn im Vertrag ein bestimmter einvernehmlicher Zweck zum Ausdruck kommt, mit dem die Risikohaftung auf Schadenersatz nicht vereinbar ist, mag auch an diese Frage beim Vertragsabschluß nicht gedacht worden sein. In Betracht kommt vor allem, daß dem Arbeitnehmer ein Geldbetrag mit einer deutlichen und von ihm akzeptierten Zweckwidmung zugestanden wird, die die Risikohaftung des Arbeitgebers ausschließt, beispielsweise eine Kaskoversicherung (Bydlinski aaO, 96 f). Im vorliegenden Fall mag zwar die Vereinbarung von Monatsgehalt und Kilometergeld ab B***** den Willen der Beklagten, für den Weg bis B***** kein Risiko tragen zu wollen, entsprechen, dem Kläger war dieser innerliche Ausschlußwille aber objektiv nicht erkennbar und daher rechtlich irrelevant. Darüberhinaus gibt es kein Geldäquivalent für einen Risikoausschluß bis B*****. Dem zufolge liegt keine Vereinbarung über die Abdingung der Risikohaftung vor.

Beiden Revisionen kommt daher keine Berechtigung zu.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die mit Ausnahme eines Additionsfehlers der Beklagten richtig verzeichneten Kosten der Revisionsbeantwortungen waren den Parteien als zur zweckmässigen Rechtsverteidigung notwendig zuzusprechen.

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