OGH 9ObA2076/96a

OGH9ObA2076/96a4.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christian Kleemann und Thomas Mais als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Brigitte S*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Verlag***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Reinhard Tögl und Dr.Nicoletta Wabitsch, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 42.000 brutto sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Februar 1996, GZ 7 Ra 32/96x-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. November 1995, GZ 31 Cga 15/95g-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Arbeitsrechtssache wird an das Berufungsgericht zur allenfalls ergänzenden Berufungsverhandlung und neuerlichen Urteilsfällung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin, die vom 1.2.1991 bis 31.8.1994 bei der beklagten Partei als Büroangestellte beschäftigt war, begehrt von der beklagten Partei den der Höhe nach unstrittigen Klagebetrag als Abfertigung. Diese stehe ihr zu, weil das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst worden sei.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Klägerin stehe keine Abfertigung zu, weil sie selbst gekündigt habe. Erst nach Zugang ihrer Kündigungserklärung habe sie den Wunsch geäußert, nach außen hin eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses bestätigt zu erhalten, weil dies besser aussehe, wenn sie eine neue Stellung antrete. Die beklagte Partei habe ihr diesen Gefallen getan. Dabei habe es sich aber um einen "Leger" der Klägerin gehandelt, die einer Mitarbeiterin gegenüber zugegeben habe, daß der Chef sicher nicht wisse, was er hier unterschreibe (S 91). Dieses Vorgehen ändere aber nichts daran, daß die Klägerin selbst gekündigt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest:

Die Klägerin trug sich bereits längere Zeit mit dem Gedanken, ihre Tätigkeit bei der beklagten Partei zu beenden. Sie hatte bereits zwei konkrete andere Arbeitsplätze in Aussicht, die ihr fix zugesagt worden waren. Sie suchte am 1. oder 2.August 1994 den Geschäftsführer der beklagten Partei auf und teilte diesem mit, daß sie ihre Arbeit beenden wird und kündige. Auf die Frage des Geschäftsführers woran es liege, äußerte die Klägerin, warum sie der Meinung sei, daß sie nicht mehr bleiben möchte. Sie trat am 15.9.1994 ihre Arbeit bei dem neuen Arbeitgeber an. Das Bestreben, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, ging ausschließlich von ihr aus.

Zu einem späteren Zeitpunkt, aber noch vor der tatsächlichen Beendigung ihrer Tätigkeit ersuchte die Klägerin den Geschäftsführer, ihr eine Bestätigung auszustellen, aus der hervorgehe, daß eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses stattgefunden habe, weil dies bei Antritt einer neuen Stelle besser aussehen würde. Die Klägerin, die für den Geschäftsführer sämtliche Schreibarbeiten erledigte, verfaßte ein Schreiben, das die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses bestätigt und legte es ebenso wie ein Dienstzeugnis dem Geschäftsführer zur Unterzeichnung vor. In Unkenntnis des Umstandes, daß bei einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses ein Abfertigungsanspruch besteht, unterfertigte der Geschäftsführer diese Schriftstücke.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Klägerin zufolge ihrer Selbstkündigung keine Abfertigung zustehe. Die Unterfertigung der nachträglichen Bestätigung über eine einvernehmliche Auflösung sei lediglich über ausdrücklichen Wunsch der Klägerin aus Gefälligkeit erfolgt, ohne daß dadurch ein übereinstimmender rechtsgeschäftlicher Wille zum Ausdruck gekommen wäre.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nach § 46 Abs 1 ASGG nicht zulässig sei.

Es vertrat die Auffassung, es sei den Feststellungen nicht zu entnehmen, daß die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis zum 31.8.1994 (fristwidrig) gekündigt habe. Festgestellt sei nur, daß sie dem Geschäftsführer mitgeteilt habe, daß sie ihre Arbeit beenden und kündigen wolle, jedoch ohne konkret eine Kündigung auszusprechen und dabei eine Kündigungsfrist oder einen Kündigungstermin zu nennen. Sie habe bei dem Gespräch mit dem Geschäftsführer daher nur eine Kündigungsabsicht geäußert. Tatsache sei aber, daß der Geschäftsführer eine Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31.8.1994 unterfertigt habe. Über eine Abfertigung sei bis dahin nie die Rede gewesen.

Daraus folge, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin einvernehmlich aufgelöst worden sei. Die Vereinbarung lasse den darauf gerichteten Willen der vertragsschließenden Teile klar erkennen. Die Klägerin habe jedenfalls nie eine Kündigung zum 31.8.1994 ausgesprochen. Eine listige Erschleichung der Unterfertigung der Bestätigung durch den Geschäftsführer der beklagten Partei, welche eine andere Beurteilung der Sache rechtfertigen könnte, sei weder eingewendet noch festgestellt worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeant- wortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht dadurch gegen das Gebot der Rechtssicherheit (§ 46 Abs 1 ASGG) verstieß, daß es seiner rechtlichen Beurteilung ohne Beweiswiederholung vom Ersturteil abweichende Feststellungen zugrunde gelegt hat (vgl SZ 57/142 ua).

Die Revision ist auch berechtigt.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes suchte die Klägerin den Geschäftsführer der beklagten Partei auf und teilte diesem mit, daß sie ihre Arbeit beenden wird und kündige. Mit seinen Ausführungen, die Klägerin habe dem Geschäftsführer lediglich mitgeteilt, daß sie ihre Arbeit beenden und kündigen wolle, sohin lediglich eine Kündigungsabsicht geäußert, verläßt das Berufungsgericht in aktenwidriger Weise die Feststellungen des Erstgerichts. Dieses stellte überdies in seiner Beweiswürdigung eindeutig klar, daß ihm die Aussage des Geschäftsführers, wonach ihm die Klägerin im Zuge dieses Gespräches gesagt habe, daß sie kündige, glaubwürdig erschienen sei und sich aus Zeugenaussagen ergebe, daß der Geschäftsführer keinesfalls eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses beabsichtigt habe (S 101 f). Die Erwägungen des Berufungsgerichtes über Kündigungsfrist und Kündigungstermin sind dazu insoferne unerheblich, weil auch eine fristwidrige Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet (die Klägerin begann bereits am 15.9. ein neues Arbeitsverhältnis) und weder Frist noch Termin für die Kündigung an sich wesentlich sind (vgl Floretta in Floretta/Spielbüchler/Strasser, ArbR3 I 262 ff mwH). Das Erstgericht stellte weiters fest, daß die Klägerin nach Zugang ihrer mündlichen Kündigung an den Geschäftsführer herangetreten ist und diesen ersuchte, ihr eine Bestätigung auszustellen, aus der hervorgehe, daß eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses stattgefunden habe, weil dies bei Antritt einer neuen Stelle "besser aussehen" würde. Das Berufungsgericht ging aber seinerseits davon aus, daß der Geschäftsführer durch diese Vereinbarung einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses ohne Vorbehalt zustimmte. Eine listige Erschleichung der Unterschrift sei weder eingewendet noch festgestellt worden. Auch diese Auffassung entspricht nicht den Verfahrensergebnissen. Die beklagte Partei wandte ein, daß sie "gelegt" worden sei und das Erstgericht stellte eine Gefälligkeitsbestätigung fest (auch S 103).

Ohne Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes hätte das Berufungsgericht daher von den Feststellungen des Erstgerichts nur nach Beweiswiederholung abgehen dürfen. Die Klägerin hat in ihrer Berufung entsprechende Beweis- und Tatsachenrügen vorgetragen (S 109 ff) und in der Revisionsbeantwortung wiederholt. Das Berufungsgericht hat die Feststellungen des Erstgerichts zwar, ohne auf diese Berufungsgründe einzugehen, als "unbedenklich übernom- men", seiner rechtlichen Beurteilung aber andere Feststellungen zugrunde gelegt. Es wird daher im fortzusetzenden Verfahren vorerst die Beweis- und Tatsachenrüge der Klägerin in ihrer Berufung zu behandeln haben. Bleibt es nämlich bei den Feststellungen des Erstgerichts, steht der Klägerin wegen Selbstkündigung kein Abfertigungsanspruch zu (§ 23 Abs 7 AngG).

Die Kostenentscheidung ist in § 52 Abs 1 ZPO begründet.

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