OGH 14Os118/96

OGH14Os118/963.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.September 1996 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hawlicek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karel S***** wegen des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 29.April 1996, GZ 23 Vr 2.258/95-11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Schroll, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Bachmann zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karel S***** der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB und der teils vollendeten, teils versuchten Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 15 StGB schuldig erkannt, weil er am 4.Oktober 1995 in Rohrbach

1. Süßwaren im Gesamtwert von 35,80 S Gewahrsamsträgern der Firma B***** mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern;

2. Andrea P***** mit Gewalt, und zwar

a) durch Versetzen eines Stoßes zur Unterlassung der Durchsuchung seiner Kleidung nach Diebsgut genötigt und

b) durch Ergreifen und Schütteln an den Armen zur Rückgabe der von Leopoldine S***** als Aufwandersatz übergebenen 500 S zu nötigen versucht hat.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen auf die Gründe der Z 4, 5, 9 lit a und lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Zum Faktum 1. des Urteilsspruchs:

Durch die Abweisung des Antrages auf Vornahme eines Augenscheins an der vom Angeklagten zum Tatzeitpunkt getragenen Jacke zum Nachweis dafür, daß "ein Vorhandensein von zwei Packungen Zuckerl (die in den Innentaschen versteckt gewesen sein sollen) bereits bei offener Jacke zu sehen war" (S 77), wurden Verteidigungsrechte (Z 4) des Beschwerdeführers nicht verletzt:

Den Angaben der vom Schöffengericht als glaubwürdig beurteilten Zeuginnen Andrea P***** und Judith H***** zufolge hat der Angeklagte seine Jacke nur widerwillig kurz geöffnet, sodaß lediglich "ein Teil der Innenseite sichtbar war" (US 4). Selbst unter Zugrundelegung des unter Beweis gestellten Umstandes könnte demzufolge nicht ausgeschlossen werden, daß die Genannten das in den Innentaschen verwahrte, bei ungehinderter Nachschau einsehbare Diebsgut angesichts der konkreten, einer zuverlässigen Wahrnehmung hinderlichen Umstände nicht bemerkten. Ob dies anzunehmen oder, ob der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers der Vorzug zu geben war, hatte der Schöffensenat, auch unter Berücksichtigung der übrigen Ergebnisse der Beweisaufnahme, in freier Beweiswürdigung zu klären. Dafür war - wie schon das Erstgericht in seiner entgegen der Vorschrift des § 238 Abs 2 StPO erst im Urteil nachgeholten Begründung für die Ablehnung des Beweisantrages dargetan hat (US 8 f) - der mit dem Beweisantrag angestrebte Nachweis der rein abstrakten Sichtmöglichkeit nicht von Bedeutung.

Unbegründet ist auch die Subsumtionsrüge (Z 10). Wenngleich der Angeklagte bei der Ansichnahme der Süßwaren von Kontrollorganen des B***** beobachtet und zur Herausgabe der Sachen aufgefordert wurde, läßt der Urteilssachverhalt, demzufolge es dem Beschwerdeführer trotz seiner Anhaltung gelungen war, mit dem Diebsgut das Geschäft zu verlassen, für die von der Beschwerde verlangte Annahme eines bloßen Diebstahlsversuches keinen Raum.

Zum Faktum 2.a des Urteilsspruchs:

Die Annahme, daß der Angeklagte der Andrea P***** einen (dem Zusammenhang nach zweifellos vorsätzlichen) Stoß versetzte, um sie von seiner geplanten Durchsuchung abzubringen (US 4), findet entgegen der Mängelrüge (Z 5) in den Aussagen der Zeuginnen Andrea P***** und Judith H*****, wonach er Andrea P***** aggressiv weggestoßen hat, als sie in die Innentasche der Jacke greifen wollte (S 21, 25, 66, 74), hinreichend Deckung. Auch die behauptete Undeutlichkeit liegt nicht vor, ist dem Urteilssachverhalt doch unmißverständlich zu entnehmen, daß das Vorhaben des Beschwerdeführers zwar letztlich auf ein Verlassen des Tatortes abzielte, er aber vorher gewaltsam die Durchsuchung seiner Jacke verhindern wollte und tatsächlich verhindert hat.

Mit dem in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zunächst erhobenen Einwand, es mangle am Nötigungsvorsatz, entfernt sich der Angeklagte von dem im Urteil festgestellten Sachverhalt (US 4), sodaß der geltend gemachte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund der gesetzmäßigen Ausführung entbehrt.

Unzutreffend ist ferner der Vorwurf, es sei die "Erheblichkeitsschwelle der Gewalt" nicht festgestellt, womit der Beschwerdeführer augenscheinlich dem ihm angelasteten Tatverhalten die Eignung als Gewaltanwendung im Sinn des § 105 Abs 1 StGB abspricht. Denn als Begehungsmittel der Nötigung kommt jeder nicht ganz unerhebliche Krafteinsatz in Betracht, der unter Berücksichtigung der persönlichen Beschaffenheit des Opfers zur Überwindung des entgegenstehenden Widerstandes tauglich ist (Leukauf-Steininger Komm3 § 105 RN 4); daß das Versetzen eines Stoßes nach Lage des Falles diesen Kriterien durchaus gerecht wird, zeigt sich schon daraus, daß das Tatopfer als Folge dieses Verhaltens vom geplanten Vorhaben tatsächlich Abstand genommen hat.

Der Beschwerde kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie das Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes nach § 105 Abs 2 StGB mit der Begründung behauptet, der Angeklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Durchsuchung seiner Kleidung durch eine Dienstnehmerin der Firma B***** zu dulden. Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, weil die Anwendung von Gewalt, um die zweifelsfreie Objektivierung eines auf hinreichender Indiziengrundlage im Raum stehenden Diebstahlverdachtes zu hindern, jedenfalls den guten Sitten zuwiderläuft.

Zum Faktum 2.b des Urteilsspruchs:

Der Einwand (Z 5), die erstgerichtliche Annahme, daß der Angeklagte Andrea P***** an den Armen ergriffen und geschüttelt habe, um so die Rückgabe der 500 S zu erzwingen (US 5), fände in den Aussagen der Zeuginnen P***** und H***** keine Deckung, versagt. Denn das Erstgericht konnte sich insoweit auch auf die in der Hauptverhandlung verlesenen (S 76) Angaben der genannten Zeugen vor der Gendarmerie stützen, welche der betreffenden Konstatierung durchaus eine tragfähige Grundlage bieten (S 23, 27).

Mit der Behauptung schließlich (Z 11), unter den gegebenen Umständen hätte die Strafe zur Gänze bedingt nachgesehen werden müssen, überdies sei der Strafausspruch widersprüchlich begründet, wird kein rechtlicher Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung, sondern bloß ein Berufungsgrund dargetan.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte Karel S***** nach § 105 Abs 1 StGB unter Anwendung der §§ 28 Abs 1, 37 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 180 (einhundertachtzig) Tagessätzen a 30 S, im Nichteinbringungsfall zu neunzig Tagen Freiheitsstrafe, wobei es einen Teil von neunzig Tagessätzen für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen mehrerer Vergehen derselben und verschiedener Art als erschwerend, den Umstand, daß die Nötigung in einem Fall beim Versuch geblieben ist, hingegen als mildernd.

Auch unter Berücksichtigung der bisherigen Unbescholtenheit des Angeklagten und des Umstandes, daß die ihm angelastete Gewaltanwendung an der Untergrenze strafrechtlicher Relevanz liegt, entspricht die Strafhöhe - der Berufung zuwider - der tat- und täterbezogenen Schuld.

Einer bedingten Nachsicht der Gesamtstrafe stehen präventive Erwägungen entgegen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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