OGH 8ObA2011/96k

OGH8ObA2011/96k29.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Langer und die fachkundigen Laienrichter Werner Jeitschko und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Georg H*****, vertreten durch Dr.Harald Hauska und Dr.Herbert Matzunski, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr.Hansjörg Zink, Rechtsanwalt, 6330 Kufstein, Unterer Stadtplatz 24, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Heinz S***** (19 S 23/95w des Landesgerichtes Innsbruck), wegen Feststellung einer Konkursforderung (Streitwert S 56.223,27) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9.Jänner 1996, GZ 15 Ra 120/95z-13, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 18.Juli 1995, GZ 48 Cga 118/94h-8, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 (einschließlich S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 3.11.1986 bis 22.12.1994 beim nunmehrigen Gemeinschuldner angestellt. Anläßlich eines finanziellen Engpasses im April 1993, in welchem der Dienstgeber nicht mehr in der Lage war, die Löhne und Lohnabgaben für die Belegschaft zu bezahlen, überwies Ing.W***** ein leitender Angestellter des Dienstgebers, von seinem Privatkonto dem Dienstgeber den Betrag von S 537.000,-, mit welchem Geld die Löhne der Dienstnehmer ausbezahlt wurden. Davor hatte Ing.W***** mit jedem einzelnen Dienstnehmer, also auch mit dem Kläger, mündlich vereinbart, daß eine Rückzahlung des Gehaltes an ihn, Ing.W*****, zu erfolgen habe, wenn dieser das Geld nicht vom Dienstgeber oder von dritter Seite (Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds) zurückerstattet bekomme. Ing.W***** hatte großes Interesse daran, den Arbeitsbetrieb beim nunmehrigen Gemeinschuldner aufrechtzuerhalten, weil er als Patentinhaber verschiedener Geräte für jedes verkaufte Gerät ein Lizenzeinkommen hatte. Eine direkte Überweisung der Bezüge auf die Lohnkonten der einzelnen Mitarbeiter und somit auch des Klägers lehnte Ing.W***** aber ab, weil er sich nicht der Gefahr aussetzen wollte, selbst als Dienstgeber in Erscheinung zu treten. Der Dienstgeber wußte über die von Ing.W***** mit den übrigen Arbeitnehmern getroffenen Vereinbarungen Bescheid. Ing.W***** war an dem Unternehmen des späteren Gemeinschuldners nicht gewinnbeteiligt und hatte auch keine Kapitaleinlage.

Im Juni 1994 war das Unternehmen des Dienstgebers wieder in einer Finanznotlage und konnten wiederum Lohn- und Urlaubsgeld nicht bezahlt werden.Ing.W***** überwies diesmal einen Betrag von S 300.000,- auf das Geschäftskonto des Dienstgebers und nunmehrigen Gemeinschuldners. Dieser Betrag wurde von dem Kreditunternehmen mit dem Verwendungszweck "Umbuchung, Kreditvaluta, Kapitaleinlage, Ing.W*****" bezeichnet. Mit diesem Geld wurden die Löhne und das Urlaubsgeld an den Arbeitnehmer ausbezahlt. Die Lohnnebenkosten wurden damit nicht beglichen. Zuvor war wiederum zwischen den einzelnen Dienstnehmern und Ing.W***** mündlich die gleiche Rückzahlungsverpflichtung vereinbart worden wie seinerzeit im April 1993. Man rechnete damit, daß der Dienstgeber auf Grund des Erlöses aus einem Exportauftrag das Geld an Ing.W***** refundieren könnte.

Mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 11.1.1995 wurde über das Vermögen des Dienstgebers das Konkursverfahren eröffnet. Der nunmehrige Beklagte wurde zum Masseverwalter bestellt. Der Kläger meldete im Konkursverfahren unter ON 62 folgende Lohnforderung an:

"Auf Grund der Tatsache, daß für mich, H***** Georg, 1993 der April-Lohn in der Höhe von öS 21.211,35 und 1994 der Juni-Lohn samt Urlaubsgeld in der Höhe von öS 35.011,92 von meinem Arbeitskollegen Josef W***** an die Sparkasse K***** und von dort an mich bezahlt wurde, werde ich diesen Gesamtbetrag an Josef W***** zurückzahlen. Gleichzeitig erhöhe ich meine bisherige Lohn/Gehaltsforderung um den Korrekturbetrag von öS 56.223,27".

Bei der am 6.3.1995 abgehaltenen Prüfungstagsatzung bestritt der Masseverwalter diese Forderung mangels Anspruchs und Nachweises. Die Höhe des geltend gemachten Betrages ist rechnerisch unstrittig.

Mit seiner am 7.6.1995 eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß ihm im Konkurs über das Vermögen seines Dienstgebers diese angemeldete Forderung von netto S 56.223,27 zustehe. Der Lohn für April 1993 und Juni 1994 sei von Ing.W***** aus dessen Privatmitteln bezahlt worden und der Kläger habe vereinbarungsgemäß diesen Betrag inzwischen zurückbezahlt.

Der beklagte Masseverwalter beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil der Kläger die angemeldete Lohnforderung ordnungsgemäß ausbezahlt erhalten habe. Die Behauptung des Klägers, daß er diese Beträge an Ing.W***** vereinbarungsgemäß zurückzahlen habe müssen, sei eine nachträgliche Konstruktion, um Ing.W***** zu Lasten des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds zur Rückzahlung seiner an den Gemeinschuldner bezahlten Beträge zu verhelfen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es meinte, daß die im rechtsgültig zwischen dem Kläger und Ing.W***** abgeschlossenen Vertrag vorgesehene Bedingung zur Rückzahlung der bezahlten Beträge eingetreten sei, weil der Dienstgeber in Konkurs verfallen und die Beträge auch nicht vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds rückerstattet worden seien. Daher habe der Kläger die gegenständliche Zahlung an seinen Vertragspartner retournieren müssen. Somit ergäbe sich die Situation, daß der Kläger für April 1993 und Juni 1994 tatsächlich keine Gehaltszahlungen von seinem Dienstgeber bekommen habe.

Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung des beklagten Masseverwalters die Entscheidung im klagsabweisenden Sinn ab und ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Nach dem unstrittigen Sachverhalt habe der Kläger (wie auch die übrigen Dienstnehmer) den Gehalt für die Monate April 1993 und Juni 1994 tatsächlich aus dem Konto des nunmehrigen Gemeinschuldners überwiesen erhalten. Damit sei die Lohnzahlungsverbindlichkeit des damaligen Dienstgebers gegenüber dem Kläger erfüllt worden. Da somit die nunmehr geltend gemachten Lohnforderungen bezahlt seien und auch nicht mehr mit Erfolg im Konkursverfahren angemeldet werden könnten, sei die Bestreitung dieser Forderungen durch den beklagten Masseverwalter zu Recht erfolgt.

Die Verpflichtungserklärung des Klägers, Ing.W***** die erhaltenen Lohnbeträge zurückzubezahlen, falls ihm diese nicht anderweitig erstattet werden, sei als Bürgschaft anzusehen. Auch wenn man unterstelle, daß die Rückzahlung der Beträge, die der Kläger im April 1993 und Juni 1994 als Gehaltszahlung von seinem Dienstgeber erhalten habe, auf Grund der Vereinbarung mit Ing.W***** an diesen nicht als bloß freiwillige Leistung erfolgt sei, führe dies zu keinem Wiederaufleben der beglichenen Lohnforderungen des Klägers gegenüber dem nunmehrigen Gemeinschuldner. Wenn der Kläger Ing.W***** auf Grund einer internen Vereinbarung mit diesem den vom Dienstgeber nicht zurückbezahlten Kreditanteil bezahlt habe, sei er zwar gemäß § 1358 ABGB befugt, vom jetzigen Gemeinschuldner den Ersatz der bezahlten Schuld zu fordern. Dabei handle es sich aber nicht um ein Wiederaufleben der seinerzeit bezahlten Gehaltsforderung, sondern um die Kreditforderung des Ing.W*****, die der Kläger anstelle des nunmehrigen Gemeinschuldners bezahlt habe. Nach dem Klagebegehren habe der Kläger aber nicht die Feststellung einer auf ihn gemäß § 1358 ABGB übergegangenen Kreditforderung verlangt, sondern die Feststellung einer Lohnforderung, die längst bezahlt worden sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils; hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungsantrag.

Der beklagte Masseverwalter beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, der außerordentlichen Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zwar oberstgerichtliche Judikatur zu ähnlichen Fällen vorliegt, eine oberstgerichtliche Entscheidung zur hier streitgegen- ständlichen Konstruktion aber fehlt; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Der Kläger meint, der vorliegende Sachverhalt hätte dahingehend beurteilt werden müssen, daß ein Darlehensvertrag zwischen Ing.W***** und ihm (sowie seinen Kollegen) zustandegekommen sei, auch wenn die Auszahlung des vorgeschossenen Lohnes über den Dienstgeber erfolgt sei. Seine Lohnforderung hafte daher unberichtigt aus, so daß sie im Konkurs der Gemeinschuldnerin anzumelden gewesen sei und infolge Bestreitung als solche einzuklagen und auch festzustellen gewesen wäre.

Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist im wesentlichen zutreffend; insofern genügt es, auf diese Begründung zu verweisen (§ 48 ASGG). Klarstellend und den Revisionsausführungen erwidernd ist jedoch zu bemerken:

Auszugehen ist von der Feststellung, daß Ing.W***** das Geld nicht direkt seinen Arbeitskollegen, sondern seinem Dienstgeber vorstrecken und sich nur für den Fall der Nichtbegleichung durch diesen oder einen Dritten (dem Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds) die Rückzahlung des seinem Dienstgeber vorgestreckten Darlehensbetrages durch seine Arbeitskollegen sichern wollte. Das spricht für die Darlehensgewährung des an der Weitererhaltung des Betriebes des späteren Gemeinschuldners interessierten Ing.W***** an ersteren und die damit im Zusammenhang stehende - allerdings formungültige, weil nur mündlich abgegebene (§ 1346 Abs 2 ABGB) - Bürgschaftsverpflichtung des Klägers (und seiner Arbeitskollegen) für die Rückzahlung der dem Dienstgeber zur Begleichung des Lohnes vorgestreckten Darlehensbeträge. Da es zur Rückzahlung durch den Dienstgeber bzw einem Dritten nicht gekommen ist, wäre die Bedingung für die Inanspruchnahme des Klägers aus seiner Ing.W***** abgegebenen, allerdings formungültigen Bürgschaft eingetreten. Ersetzt der Kläger die ihn betreffenden Teile des seinem ehemaligen Arbeitgeber von Ing.W***** vorgestreckten Betrages, wozu er allerdings infolge Formungültigkeit der Bürgschaft nicht verpflichtet war, geht die Forderung zwar nicht gemäß § 1358 ABGB, wohl aber bei entsprechendem Verlangen gemäß § 1422 ABGB auf ihn über; ein solches Verlangen ist dem Kläger bei richtiger rechtlicher Beurteilung des Sachverhalts seinerseits zweifellos zu unterstellen, so daß es hierüber keiner ergänzender Feststellungen bedarf. Der Kläger hat durch die "Rückzahlung" des auf ihn entfallenden Teiles des von Ing.W***** dem späteren Gemeinschuldner vorgestreckten Geldbetrages insoweit die Forderung des Ing.W***** gegen den Gemeinschuldner eingelöst und könnte diese im Konkurs seines ehemaligen Dienstgebers als Konkursforderung anmelden. Dies hat er aber nicht getan; er hat eindeutig Lohnforderungen angemeldet und auch nur solche anmelden wollen. Solche will er auch mit der vorliegenden Feststellungsklage festgestellt wissen. Da sie nicht zu Recht bestehen, weil er den strittigen Lohn ohnehin von seinem ehemaligen Dienstgeber ausbezahlt erhalten hat, wurde das Klagebegehren zur Recht abgewiesen.

Abgesehen davon, daß der Kläger keine eingelöste Darlehensforderung geltend machen will (vgl seine diesbezüglich eindeutigen Ausführungen in der Revision), wäre auch die Geltendmachung einer solchen mit der vorliegenden Feststellungsklage unzulässig, da er im Konkurs unzweifelhaft eine Lohnforderung angemeldet hat (§ 110 Abs 1 zweiter Satz KO). Mit der Frage, ob der Kläger nunmehr noch nachträglich im Konkurs des Gemeinschuldners den ihn betreffenden und von ihm eingelösten Teil der Darlehensforderung des Ing.W***** anmelden könnte, hat sich der erkennende Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu beschäftigen.

Die im allgemeinen Einverständnis zwischen dem geldvorstreckenden Ing.W*****, dem späteren Gemeinschuldner und dessen Dienstnehmern angestrebte Konstruktion wäre im übrigen eine unzulässige Überwälzung des Finanzierungsrisikos vom kreditgebenden Ing.W***** auf einen Dritten, nämlich den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds, wollte doch damit der an der Fortführung des Unternehmens interessierte Ing.W***** das Risiko der Finanzierung des Lohns - unter möglichster Ausschaltung seines eigenen Risikos - im Insolvenzfall auf den Fonds, und somit auf die Allgemeinheit überwälzen, und wußten alle Beteiligten von dieser Absicht und nahmen sie zumindest billigend in Kauf.

Der Fall ist dem der E 9 ObS 15/92, SZ 66/8, zugrundeliegenden durchaus vergleichbar; wenn auch im vorliegenden Fall der Darlehensgeber nicht Gesellschafter oder Gewinnbeteiligter war, so war er doch an der Fortführung des Unternehmens in vergleichbarer Weise interessiert, weil er als Patentinhaber aus den vom späteren Gemeinschuldner verkauften Geräten Lizenzvergütungen erhalten hat. In der Vereinbarung kommt auch hier deutlich die Absicht zum Ausdruck, das Risiko im Insolvenzfall nicht selbst zu tragen, sondern es auf einen an der Vereinbarung nicht beteiligten Dritten - den Insolvenz-Ausfallgeld- Fonds - zu überwälzen (in diesem Sinn auch 8 ObS 20/94, WBl 1995, 75). Solche Vereinbarungen sind, jedenfalls soweit daraus Ansprüche gegen den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds abgeleitet werden, gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig (SZ 66/8). Die Bestreitung der Forderung des Klägers durch den Masseverwalter erfolgte daher auch unter diesem Gesichtspunkt zu Recht, führte doch die Anerkennung zu einer den Fonds bindenen Entscheidung im Sinn des § 7 Abs 1 IESG (zum deutschen Recht vgl § 32a Abs 3 dGmbHG; zur allfälligen Anwendbarkeit des in ihr enthaltenen Regelungsgedanken auch in Österreich vgl Karsten Schmidt in Ges RZ 1993, 8 ff, 86 ff insb 89 f).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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