OGH 5Ob535/95

OGH5Ob535/9527.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dr.Burkhard H*****, Arzt, und 2.) Lilly H*****, Angestellte, beide *****, beide vertreten durch Dr.Leopold Grohmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Dr.Gregor K*****, Pensionist, und 2.) Mag.Viktoria K*****, AHS-Lehrerin, beide *****, beide vertreten durch Dr.Manfred Melzer und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen S 200.000,-

s. A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 12. Juli 1995, GZ 40 R 393/95-44, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 27. Feber 1995, GZ 41 C 490/90x-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind je zur Hälfte schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit S 11.385,- (darin S 1.897,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die Frage, ob die zur Rückzahlung einer ungültigen und verbotenen Ablöse verpflichteten Beklagten gegen diesen Rückforderungsanspruch der Kläger mit einer Schadenersatzforderung, abgeleitet aus der Art und Weise des von den Klägern vorgenommenen Dachbodenausbaues, aufrechnen dürfen oder ob in einem solchen Fall das Aufrechnungsverbot des § 1440 Satz 2 ABGB zum Tragen kommt. Die Wiedergabe des Sachverhaltes und der Entscheidungen der Vorinstanzen kann daher im folgenden auf das zur Erledigung des Rechtsmittels unter dem aufgezeigten Gesichtspunkt Erforderliche beschränkt werden.

Die Kläger begehren mit der am 31.Oktober 1990 eingebrachten Klage die Rückzahlung von S 200.000,- s.A. mit der Begründung, es handle sich dabei um eine von ihnen anläßlich der Anmietung eines in einem Haus der beklagten gelegenen Bestandobjektes gezahlten ungültigen und verbotenen Ablöse.

Die Beklagten wendeten (ua) eine Gegenforderung von S 290.000,- ein. Die Kläger hätten den ihnen gestatteten Dachbodenausbau nicht bauordnungskonform hergestellt. Den Beklagten als Liegenschaftseigentümern sei daher aufgetragen worden, binnen 5 Monaten (nach Rechtskraft des Bescheides der Bauoberbehörde für Wien vom 26.Mai 1993) die vom letzten Stock in das Dachgeschoß führende Stiegenanlage so abzuändern, daß sie der Baubewilligung vom 25.Juli 1988 (- Grundlage des von den Klägern durchgeführten Dachbodenausbaues -) entspreche und schließlich mit Bescheid vom 24.10.1994 (Beilage./26) die Vorauszahlung von S 290.000,- an Kosten der diesbezüglichen Ersatzvornahme aufgetragen worden.

Das Erstgericht erkannte im zweiten Rechtsgang die eingeklagte Forderung als zu Recht bestehend, die eingewendeten Gegenforderungen bis zur Höhe der Klagsforderung als nicht zu Recht bestehend und gab daher dem Klagebegehren statt.

Das Erstgericht traf folgende noch entscheidungswesentliche Feststellungen:

Die Kläger mieteten am 29.12.1987 von den Beklagten eine Wohnung samt anschließender Dachboden- fläche im Gesamtausmaß von ca. 250 m2. Es wurde vereinbart, daß die Mieter auf ihre Kosten und Gefahr diese Dachbodenfläche ausbauen und in die dazugehörige Dachgeschoßwohnung einbeziehen dürfen. In einer Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom selben Tag finden sich folgende Vertragspunkte:

"Die Gestaltung, Errichtung und die Nutzung der gestalteten Fläche erfolgt auf Kosten und Gefahr der Mieter, die verpflichtet sind, den Vermieter vollkommen schad- und klaglos zu halten. ..........

Zur Abgeltung allfälliger am Dach entstehender Schäden sowie zur Abgeltung der durch die Umbauarbeiten der Mieter erforderlichen Dachreparatur leisten diese einen Pauschalbetrag von S 200.000,- und verzichtet der Vermieter auf weitere Schadenersatzansprüche hinsichtlich der Dacheindeckung durch die Mieter, soweit diese durch die nunmehrigen Umbauarbeiten erfolgen."

Weiters wurde vereinbart, daß nach Durchführung der Ausbauarbeiten des Bestandobjektes durch die Mieter der Vermieter eine neue Eindeckung des Daches vornehmen wird.

Bei einem dem Abschluß des schriftlichen Mietvertrages bzw der Zusatzvereinbarung vorausgehenden Gespräch hatte der Erstbeklagte dem Erstkläger mitgeteilt, zur Erlangung der Mietrechte sei eine Zahlung von S 200.000,- an die Beklagten erforderlich. Er erwähnte dabei nicht, daß der geforderte Betrag in irgendeinem Zusammenhang mit allfälligen, durch den Dachbodenausbau befürchteten Schäden am Haus oder mit einem Kostenbeitrag der Kläger für die Neuherstellung des Daches stehe. Der Erstkläger als juristischer Laie verstand diese Forderung auch ausschließlich dahingehend, daß der Erstbeklagte diese Zahlung als Voraussetzung für die Einräumung des Mietrechtes begehre.

Bei Unterfertigung des schriftlichen Mietvertrages und der Zusatzvereinbarung wurde über diesen Punkt über den schriftlichen Vertragstext hinausgehend nichts gesprochen. Sämtliche Vertragsteile gingen jedoch bei der Unterfertigung übereinstimmend davon aus, daß der Zweck der Zahlung von S 200.000,- nicht der in der schriftlichen Zusatzvereinbarung genannte sein sollte, sondern daß dieser Betrag - im Sinne der Vorbesprechungen - von den Klägern deswegen zu zahlen ist, damit ihnen die Beklagten überhaupt das Mietrecht einräumen. S 190.000,- wurden vom Erstkläger noch vor Unterfertigung der Vereinbarungen am 29.Dezember 1987 gezahlt, die restlichen S 10.000,-

einige Monate später, jedenfalls vor dem 12.Oktober 1990.

Rechtlich qualifizierte das Erstgericht die Zahlung von S 200.000,-

durch die Kläger als ungültige und verbotene Ablöse im Sinne des § 27 MRG. Die eingewendeten Gegenforderungen erachtete das Erstgericht als nicht bestehend.

Bezüglich der aus Beilage./26 abgeleiteten Gegenforderungen führte das Erstgericht aus, die Beklagten hätten nicht einmal behauptet, daß sie die in diesem Bescheid genannte Vorauszahlung überhaupt schon geleistet hätten. Es hätte auch nicht festgestellt werden können, daß die der Beilage./26 zugrundeliegende Bauordnungswidrigkeit von Leuten der Kläger verursacht worden sei. Der Bescheid betreffe nämlich lediglich die zum Dachgeschoß führende Stiegenanlage, welche nicht zum Bestandobjekt der Kläger gehöre und hinsichtlich welcher die Kläger auch keine Arbeiten durchgeführt hätten. Der geltend gemachte Betrag sei überdies nicht schlüssig, weil es sich lediglich um eine vorläufige Schätzung handle.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß es in dem dreigliedrigen Spruch unter Pkt 2.) nicht die eingewendeten Gegenforderungen nicht als zu Recht bestehend bezeichnete, sondern den Antrag der Beklagten, gegen die eingeklagte Forderung mit Gegenforderungen in einer den Klagsbetrag übersteigenden Höhe aufzurechnen, abwies.

Das Berufungsgericht führte zu der allein noch den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Abweisung des Antrages auf Berücksichtigung eingewendeter Gegenforderungen - Gegenstand des Berufungsverfahrens war nur noch die auf Beilage./26 gestützte Gegenforderung gewesen - folgendes aus:

Ausgehend von den in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 29. Mai 1991, 9 ObA 104/91 (= WBl 1991, 362 = RdW 1991, 366 = Arb

10.941) zu § 4 KautSchG dargelegten Grundsätzen sei eine Aufrechnung gegen den Rückforderungsanspruch nach § 27 Abs 3 MRG, abgeleitet von einer nach § 27 Abs 1 MRG ungültigen und verbotenen Ablösevereinbarung, in analoger Anwendung des § 1440 Satz 2 ABGB nicht zulässig; die in der genannten Entscheidung dargelegten Grundsätze betreffend das Aufrechnungsverbot gegen den Rückforderungsanspruch nach § 4 KautSchG träfen auch auf den Rückforderungsanspruch einer verbotenen und nichtigen Ablöse zu. Insbesondere sei die Drucksituation des Mieters beim Abschluß des Mietvertrages jener des Arbeitssuchenden bei Antritt eines Dienstverhältnisses vergleichbar. Es bestehe daher auch in diesem Fall, die Gefahr einer weitgehenden Vereitelung der Nichtigkeitssanktion durch Verzögerung der Durchsetzung des Rückforderungsanspruches mit der bloßen Behauptung etwaiger Schadenersatzansprüche etc. Infolge der ex tunc-Wirkung der Nichtigkeit (Krejci in Rummel, ABGB2, Rz 251 zu § 879) werde die geleistete verbotene Ablöse zu einer eigenmächtig entzogenen und in Verwahrung genommenen Sache im Sinne des § 1440 ABGB. Der diesbezügliche Rückforderungsanspruch sei daher in analoger Anwendung des § 1440 ABGB kein Gegenstand der Kompensation. Es bedürfe daher keiner Feststellungen über die zuletzt geltend gemachte Gegenforderung von S 290.000,- betreffend Verbreiterung des Stiegenaufganges.

Die Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage einer analogen Anwendung des § 1440 ABGB auf den Rück- forderungsanspruch nach § 27 Abs 3 MRG bezüglich einer nach § 27 Abs 1 MRG unzulässigen Ablöse fehle.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen unter Berücksichtigung der Gegenforderung in klageabweisendem Sinn abzuändern; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 879 Abs 1 ABGB sind Verträge, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, nichtig. Ein solches, noch dazu mit Strafsanktion bewehrtes, gesetzliches Verbot stellt die Bestimmung des § 27 Abs 1 MRG dar, sodaß der von den Klägern gezahlte Betrag von S 200.000,- - wie im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft wird - auf Grund eines bloß insoweit (Krejci in Rummel, ABGB2, Rz 189 zu § 879 mwN) nichtigen Vertrages (Krejci, aaO; Würth in Rummel, ABGB2, Rz 3 zu § 27 MRG mwN geleistet wurde). Da die Nichtigkeit im Regelfall, daher auch hier (weil die bloß für eine Wirkung ex nunc sprechenden Argumente bei Verstößen von bereits im Erfüllungsstadium befindlichen Dauerschuldverhältnissen gegen minder gravierende Normzwecke in einem Fall wie diesem nicht gegeben sind) ex tunc wirkt (Krejci in Rummel, ABGB2 Rz 251 zu § 879 unter Hinweis auf HS 1220), ist die geleistete unzulässige Ablöse als ein eigenmächtig oder listig entzogenes bzw in Verwahrung genommenes "Stück" (§ 1440 Satz 2 ABGB) zu behandeln, zumal unter "Stück" iSd § 1440 Satz 2 ABGB auch Gattungssachen, insbesondere - wie hier - Geld zu verstehen sind (Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 8 zu § 1440; SZ 33/55). Es besteht daher - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte - ein Aufrechnungsverbot gegen den Rück- forderungsanspruch des Mieters.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, daß über die ausdrücklichen gesetzlichen Aufrechnungsverbote hinaus die Interpretation der schuldbegründenden Norm ergeben kann, daß wegen schutzwürdigen Interesses an einer effektiven Leistung im Einzelfall die Aufrechnung deshalb ausgeschlossen ist, weil der Mißbrauch des Aufrechnungs- oder Retentionsrechtes geradezu als Vertrauensbruch zu werten ist. Es kann daher in vergleichbaren Fällen Analogie zu § 1440 Satz 2 ABGB angebracht sein (SZ 62/45; WBl 1991, 362). So hat die Rechtsprechung im Einzelfall das Aufrechnungsverbot des § 1440 Satz 2 ABGB bereits angewendet, wenn es um die Rückzahlung einer nach dem Kautionsschutzgesetz nichtigen Kaution ging (JBl 1988, 128; WBl 1991, 362). In beiden Fällen wurde eine iSd § 4 KautSchG nichtige Kaution infolge der ex tunc-Wirkung der Nichtigkeit als eigenmächtig entzogene und in Verwahrung genommene Sache im Sinne des § 1440 ABGB behandelt. Bejaht wurde auch die analoge Anwendung des Kompensationsverbotes auf die Prozeßkostenforderung dessen, der die Rückzahlung eines betrügerisch herausgelockten Darlehens geltend gemacht hatte (SZ 62/45).

"Eigenmächtig oder listig" entzogen sind Sonderfälle vorwerfbarer Handlungen (vgl diesen Überbegriff bei Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 7 zu § 1440). Analogie ist daher immer dann geboten, wenn die vorwerfbare Handlung an Gewicht den in der genannten Gesetzesstelle ausdrücklich genannten Fällen gleichkommt. Der erkennende Senat hat keine Bedenken gegen die Annahme, daß die Ausnützung der Unterlegenheit des Mieters auf dem Wohnungsmarkt, wenn er die Erlangung einer Wohnung unter den vom Gesetzgeber gewünschten Bedingungen anstrebt, bei Leistung der verbotenen Ablöse unter einem vom Gesetzgeber verpönten wirtschaftlichen Druck steht. Diese Zwangslage rechtfertigt es schon, das solcherart unter Druck Geleistete wie eine eigenmächtig entzogene Sache zu behandeln.

Unzutreffend ist auch der in der Revision erhobene Einwand der Beklagten, das Berufungsgericht hätte auf die Aufrechnungshindernisse des § 1440 Satz 2 ABGB nicht Bedacht nehmen dürfen, weil sich die Kläger darauf nicht berufen hätten. Dem ist zu erwidern, daß die Kläger die Berechtigung der eingewendeten Gegenforderung von S 290.000,- schon deswegen bestritten, weil sie nicht fällig sei. Daraus folgt, daß auch alle anderen Aufrechnungshindernisse, zu deren Wahrnehmung es keiner weiteren Tatsachenfeststellungen bedarf als jene, die auf Grund des sonst relevanten Vorbringens der Parteien zu treffen sind, im Rahmen der dem Gericht obliegenden allseitigen rechtlichen Beurteilung der Sache zu beachten sind. Der von den Vorinstanzen festgestellte Sachverhalt reicht jedoch aus, die Voraussetzungen des § 1440 Satz 2 ABGB - wie vorhin dargelegt wurde - als erfüllt anzusehen. Auch die apodiktische Formulierung der genannten Gesetzesstelle läßt deren Anwendung auf den festgestellten Sachverhalt zu, ohne daß es einer ausdrücklichen Berufung der davon begünstigten Partei auf dieses Aufrechnungsverbot bedürfte.

Der Revision war daher der Revision zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte