OGH 11Os76/96

OGH11Os76/9627.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.August 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Scholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Robert K***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt als Bestimmungstäter nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 30.Jänner 1996, GZ 28 Vr 3216/95-11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Schroll, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Hoffmann zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und über den Angeklagten unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 700 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit 180 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die Geldstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Robert K***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt als Bestimmungstäter nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Landeck als Bezirksschulinspektor, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, dadurch den Bund und das Land Tirol in ihren Rechten zu schädigen, die Direktorin der Volksschule Landeck-Perjen Margaretha G***** dazu bestimmt, als Beamtin ihre Befugnis, im Namen des Landes Tirol als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze, insbesondere der §§ 29, 32 Landeslehrerdienstrechtsgesetz 1984, Schülerstandsmeldungen zu erstatten, dadurch wissentlich zu mißbrauchen, daß sie entgegen den in Erlässen des Amtes der Tiroler Landesregierung getroffenen Anordnungen bzw Weisungen in Eröffnungsmeldungen für Schuljahre unrichtige Schülerzahlen meldete, und zwar

1) im September 1991 zur Abgabe einer Eröffnungsmeldung am 14. September 1991 für das Schuljahr 1991/92 hinsichtlich der ersten Klassen mit einem Schülerstand von 31 statt richtig 28 Schülern per 15. September 1991,

2) zu einem unbekannten Zeitpunkt im Jahr 1992 zur Abgabe einer Eröffnungsmeldung mit 17.September 1992 für das Schuljahr 1992/93 hinsichtlich der zweiten Klassen einen Schülerstand von 31 statt richtig 29 Schülern per 15.September 1992,

wobei er durch die Tat insgesamt einen 500.000 S nicht übersteigenden Schaden zum Nachteil des Bundes und des Landes Tirol durch die Zuweisung von zusätzlichen Lehrern und erhöhten Sachaufwand von etwas weniger als 500.000 S herbeiführte.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Eine Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte (Z 4) erblickt er in der Abweisung - 74 mit im Urteil nachgetragener Begründung US 11, 12 - seines Antrags auf Einvernahme der Zeugin Inge Wi*****.

Dazu ist vorweg festzuhalten, daß sich der Verteidiger des Angeklagten ausdrücklich einverstanden erklärte, daß die Entscheidung über den Beweisantrag der Endberatung vorbehalten bleibt (73). Damit kann sich der Angeklagte nicht deshalb als beschwert erachten, weil über seinen Antrag nicht sofort (§ 238 Abs 1 StPO) erkannt wurde (vgl Mayerhofer/Rieder, StPO3 § 238 E 2 und 3; Foregger/Kodek, StPO6 § 238 Anm I).

Darüber hinaus stellte das Erstgericht die nach dem diesbezüglichen Antrag zu beweisenden Umstände ohnedies im Sinne des Antragstellers fest (US 6), sodaß die in der mangelnden sofortigen Entscheidung liegende Formverletzung auf das Urteil keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO).

In der Mängelrüge (Z 5) behauptet der Beschwerdeführer zunächst eine unvollständige Würdigung vorliegender Beweise, übergeht aber dabei die ausführliche Auseinandersetzung des Erstgerichtes mit den Angaben der Zeugin Margaretha G***** und ihrer gegenüber Christine K*****, Anita Wa***** und Inge Wi***** abgegebenen Erklärung, wonach der Angeklagte von der ungerechtfertigten Teilung der Klassen und der falschen Eröffnungsmeldung keine Kenntnis hätte (US 11 f).

Mit den weiteren Darlegungen, wonach seiner Verantwortung eine höhere Glaubwürdigkeit zugebilligt werden müsse als den Angaben der Zeugin G*****, die über einen lange zurückliegenden Sachverhalt aussagte, versucht der Beschwerdeführer in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Erstgerichtes zu bekämpfen, das sich sowohl mit seiner Verantwortung als auch mit der Motivation der Zeugin G***** für ihre den Angeklagten belastenden Angaben umfassend auseinandersetzte (US 9 bis 11).

Entgegen den Beschwerdeausführungen besteht darüber hinaus auch kein innerer Widerspruch zwischen der Feststellung, wonach der Angeklagte die Zeugin G***** dazu bestimmte, die Klasse zu teilen und eine falsche Eröffnungsmeldung zu erstatten, und der von der Zeugin G***** gegenüber ihren Kolleginnen K*****, Wa***** und Wi***** abgegebenen Erklärung, wonach der Angeklagte von einer solchen falschen Eröffnungsmeldung keine Kenntnis habe. Das Erstgericht würdigte nämlich die vom Beschwerdeführer hervorgehobene Äußerung der Zeugin G***** als "quasi vorbeugende" Deckung des Angeklagten (US 11), sodaß diese vom Erstgericht festgestellten Sachverhalte miteinander ohne weiteres vereinbar sind.

Wenn der Beschwerdeführer darüber hinaus seine rein pädagogische Aufgaben umfassende Position als Bezirksschulinspektor unterstreicht, die eine Kontaktaufnahme durch die Zeugin G***** wegen der lediglich die Administration betreffenden Eröffnungsmeldung keineswegs nahelege, so ficht er neuerlich in nicht zulässiger Weise die Beweiswürdigung des Erstgerichtes an; er übergeht zudem, daß die Tatrichter ausdrücklich davon ausgingen, daß der Angeklagte auch in administrativen Angelegenheiten um Rat gefragt wurde (US 4) und die Absprache einer falschen Eröffnungsmeldung wegen der damit verbundenen Klassenteilung und des solcherart möglichen vorteilhafteren Unterrichts mit kleinerer Schüleranzahl durchaus auch pädagogisch motiviert war (US 8). Die Behauptung, der Angeklagte hätte "zweifelsohne" die Zeugin G***** bei Erörterung der tatsächlichen Schülerzahl an den für Administrationsangelegenheiten zuständigen Walter M***** verwiesen, stellt somit abermals eine bloß spekulative Argumentation dar, die von den Tatrichtern nicht geteilt wurde.

Im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5 a) wiederholt der Beschwerdeführer im wesentlichen sein Vorbringen zur Mängelrüge.

Wenn er dabei behauptet, die Zeugin G***** habe ihn "offenbar" erst nach Beendigung ihres eigenen Strafverfahrens belastet, so übergeht er, daß ihn die Genannte bereits anläßlich der Rechnungshofprüfung belastete (15 und 94 im Akt 36 Vr 2309/94 des Landesgerichtes Innsbruck). Aber auch in ihrem eigenen Strafverfahren zum AZ 36 Vr 2309/94 des Landesgerichtes Innsbruck hatte die damalige Angeklagte G***** den nunmehrigen Beschwerdeführer bereits der Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt geziehen (176 f und 191 sowie 193 in 36 Vr 2309/94). Entgegen den Darlegungen in der Nichtigkeitsbeschwerde kann aber auch aus den Aussagen der Zeugin G***** in der Hauptverhandlung vom 30.Jänner 1996 kein innerer Widerspruch abgeleitet werden. Insbesondere der Umstand, daß diese Zeugin die Aufforderung durch den Angeklagten, im Schuljahr 1992/93 abermals eine falsche Schülerzahl in der Eröffnungsmeldung anzugeben, zeitlich nicht mehr genau einordnen konnte, läßt keine Bedenken an der Richtigkeit ihrer Aussage aufkommen, wonach der Angeklagte sie jedenfalls vor Abgabe der Eröffnungsmeldung dazu bestimmte, eine falsche Schüleranzahl anzugeben (67, 68).

Die Aussage der Zeugin S***** im Verfahren zum AZ 36 Vr 2309/94 des Landesgerichtes Innsbruck (197 f), wonach der Angeklagte ihr gegenüber in Kenntnis der tatsächlichen Schülerzahl keine Klassenteilung für das Schuljahr 1991/92 zusagte, vermag keine Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsache einer Bestimmung der Margaretha G***** durch den Angeklagten hervorzurufen, weil die Annahme mit allgemeiner Lebenserfahrung im Einklang steht, daß Margaretha G***** als Vorgesetzte der Zeugin S***** und damit als mit der vorgesetzten Dienststelle unmittelbar in Kontakt tretende Beamtin den Angeklagten im Hintergrund halten wollte (67) und es auch nicht im Interesse des Angeklagten stand, sich in der Zeugin S***** eine (unnötige) Mitwisserin für seine strafgesetzwidrigen Ratschläge zu schaffen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) stellt zunächst auf eine unbestimmte Äußerung erst nach bereits erfolgter Meldung der Schülerzahl ab und wird solcherart nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, zumal das Erstgericht ausdrücklich feststellte, daß der Angeklagte der Volksschuldirektorin Margaretha G***** vor Erstattung der unrichtigen Schülerstandsmeldung riet, statt der tatsächlich vorhandenen 28 Schüler in der Eröffnungsmeldung wahrheitswidrig 31 Schüler anzuführen (US 6 f).

Der Beschwerdeführer vertritt darüber hinaus die Ansicht, der Schuldspruch wegen Bestimmungstäterschaft betreffend das Schuljahr 1991/92 sei deswegen verfehlt, weil die unmittelbare Täterin von dem ihr in diesem Zusammenhang zur Last gelegten Vorwurf des Mißbrauchs der Amtsgewalt im Verfahren zum AZ 36 Vr 2309/94 des Landesgerichtes Innsbruck rechtskräftig freigesprochen worden sei. Eine damit vom Beschwerdeführer relevierte Bindungswirkung des Margaretha G***** betreffenden Urteils des Landesgerichtes Innsbruck besteht indessen nicht. Denn eine über das konkrete Verfahren hinausgehende Wirkung kommt einem freisprechenden Urteil nur insoferne zu, als die Schuld des Freigesprochenen - ohne formelle Wiederaufnahme - in einem weiteren Verfahren, welches den dem Freispruch zugrundeliegenden Sachverhalt betrifft, nicht abermals überprüft werden darf (vgl VfGH, ÖJZ 1995, 916 und EvBl 1995/100). Dritte Personen hingegen, insbesondere solche, die einer Beteiligung an der schon dem Freigesprochenen angelasteten Tat beschuldigt werden, können aus dem Freispruch keinerlei Bindungswirkung für das sie betreffende Strafverfahren ableiten (Nowakowski, JBl 1948, 550; EvBl 1983/136). Dies erlaubt es dem Gericht, das im vorangegangenen Verfahren bereits beurteilte Verhalten eines Freigesprochenen - allenfalls unter dem Gesichtspunkt neuer Beweisergebnisse, die im zurückliegenden Verfahren noch nicht zur Verfügung standen - neuerlich und auch anders als das Vorgericht zu bewerten, wenn damit keine sich auch auf den Freigesprochenen beziehende Schuldfeststellung einhergeht.

Die Bestimmung über die Wiederaufnahme des Strafverfahrens nach § 353 Z 3 StPO kann einer geänderten Bewertung des Verhaltens einer freigesprochenen Person schon deswegen nicht entgegenstehen, als sich dieser Wiederaufnahmegrund nur auf die Beseitigung eines vorangegangenen schuldigsprechenden Urteils richtet, welches - unter Berücksichtigung der im zweiten Verfahren gewonnenen Beweisergebnisse - die Täterschaft eines bereits Verurteilten ausschließt (Nowakowski, JBl 1948, 500).

Das Erstgericht war somit zu einer eigenständigen Bewertung der im Rahmen des Beweisverfahrens gewonnenen Verfahrensergebnisse verhalten und konnte damit auch zu Recht zu einem vom (Vor-)Urteil (GZ 36 Vr 2309/94-12 des Landesgerichtes Innsbruck), mit dem ein wissentlicher Befugnismißbrauch durch Margaretha G***** betreffend Klassenteilung und die Schülerzahlmeldung 1991/92 wegen einer ihr vom nunmehrigen Beschwerdeführer erteilten Weisung verneint wurde, abweichenden Ergebnis betreffend die unmittelbare Tatausführung durch Margaretha G*****, insbesondere in Ansehung der subjektiven Tatseite, gelangen. Das Schöffengericht stellte in diesem Zusammenhang sowohl beim Beschwerdeführer Wissentlichkeit um den Mißbrauch der Befugnisse der Volksschuldirektorin bei der von ihm angeregten Vorgangsweise als auch bei Margaretha G***** einen wissentlichen Befugnismißbrauch fest (US 7 f), sodaß der sich aus § 14 StGB ergebenden qualifizierten Anforderung eines vorsätzlichen Befugnismißbrauches bei der unmittelbaren Täterin (vgl Friedrich, RZ 1983, 259 f; Fabrizy in WK, § 12 Rz 61; JBl 1990, 331) Genüge getan ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 302 (Abs 1) StGB unter Anwendung der §§ 43 a Abs 2, 43 Abs 1 StGB eine - unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehene - Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten und eine (unbedingte) Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 1.300 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die Wiederholung der Tat und den Umstand, daß die Qualifikationsgrenze von 500.000 S nahzu erreicht wurde, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten und sein Wohlverhalten seit der Tat.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine "erheblichste" Strafherabsetzung und die Verhängung ausschließlich einer bedingten Geldstrafe an.

Die Berufung ist berechtigt.

Das Schöffengericht hat zwar die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig festgestellt. Diese haben jedoch letztlich nicht die ihrem Gewicht entsprechende Wertung erfahren, sodaß sich nach Prüfung der gesamten Strafbemessungssituation die verhängte Strafe als überhöht erweist. Dem vom Erstgericht als Erschwerungsgrund herangezogenen (hohen) Schaden nahe der Wertgrenze des § 302 Abs 2 letzter Satz StGB steht ein im Tatmotiv des Angeklagten gelegener wesentlicher pädagogischer Vorteil für die Schüler der betroffenen Klassen gegenüber. So gesehen liegt der vom Angeklagten zu vertretende soziale Störwert im unteren Bereich, sodaß die tat- und täterbezogene Schuld insgesamt eine an der gesetzlichen Untergrenze des Strafrahmens des § 302 Abs 1 StGB (von sechs Monaten Freiheitsstrafe) orientierte Sanktion rechtfertigt. Nach den Umständen des vorliegenden Falles konnte demnach zur Erreichung der Strafzwecke mit einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, das Auslangen gefunden werden. Der einzelne Tagessatz entspricht mit 700 S den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten.

Da Belange der positiven Generalprävention (vgl Leukauf-Steininger Komm3 § 42 RN 42, § 43 RN 9 f) nicht entgegenstehen, konnte die über den 61jährigen, bisher unbescholtenen Angeklagten verhängte Geldstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren (zur Gänze) bedingt nachgesehen werden.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 390 a StPO.

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