OGH 11Os123/96

OGH11Os123/9627.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.August 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Scholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Stefan G***** wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 StGB über den Wiedereinsetzungsantrag und über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 29.April 1996, GZ 36 Vr 827/96-37, sowie die Beschwerde gegen den Beschluß gemäß § 494 a Abs 1 StPO vom selben Tag nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Wiedereinsetzung wird verweigert.

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Stefan G***** des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 StGB schuldig erkannt und unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 27.März 1996 (36 Hv 190/95) zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt, wobei unter einem mit Beschluß gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO die bedingte Entlassung des Genannten vom 17.August 1995 (AZ 21 BE 578/95; offener Strafrest drei Monate) widerrufen wurde. Das Urteil wurde in der Hauptverhandlung vom 29.April 1996 in Anwesenheit des Angeklagten und des Rechtsanwaltes Dr.W***** verkündet, der als Substitut seines gemäß § 41 Abs 2 StPO zum Verteidiger bestellten (ON 15) Kanzleipartners, Rechtsanwalt Dr.P***** eingeschritten ist. Der Angeklagte meldete noch in der Hauptverhandlung "Nichtigkeitsbeschwerde und Strafberufung" an, worauf dem Verteidiger Dr.P***** die schriftliche Urteilsausfertigung am 13.Mai 1996 zugestellt wurde (307).

Mit dem am 10.Juli 1996 zur Post gegebenen Schriftsatz ON 44 hat Dr.P***** die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Rechtsmittel beantragt und diese Rechtsmittel zugleich ausgeführt.

Der Verteidiger brachte dazu vor, daß er auch im vorangegangenen Verfahren zum AZ 36 Hv 190/95, in welchem nach Rücksprache mit dem Angeklagten am 28.März 1996 das in der Hauptverhandlung angemeldete Rechtsmittel zurückgezogen wurde, als Verfahrenshilfeverteidiger (nach § 41 Abs 2 StPO) eingeschritten sei. Vor Ablauf der Rechtsmittelfrist im vorliegenden Verfahren habe er seine Kanzleileiterin unter dem Eindruck der Vorgänge im vorangegangenen Verfahren irrtümlich auf eine Rechtsmittelzurückziehung hingewiesen. Dr.Bernhard W***** habe die zum vorliegenden Verfahren eingetragen gewesene Rechtsmittelfrist (ebenfalls) mit dem vorangegangenen Verfahren in Verbindung gebracht, worauf letztlich verabsäumt worden sei, die angemeldeten Rechtsmittel fristgerecht auszuführen. Der Irrtum sei erst am 4.Juli 1996 anläßlich eines Besuches von Dr.W***** beim Angeklagten im landesgerichtlichen Gefangenenhaus erkannt worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht berechtigt.

Nach § 364 Abs 1 Z 1 StPO ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einem Beschuldigten/Angeklagten zu bewilligen, sofern er nachweist, daß ihm die Einhaltung der Frist durch unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignisse unmöglich war, es sei denn, daß ihm oder seinem Vertreter ein Versehen nicht bloß minderen Grades zur Last liegt. Die Strafprozeßordnung macht also keinen Unterschied, ob ein zur Fristversäumung führendes Versehen nicht bloß minderen Grades, das demzufolge eine Wiedereinsetzung ausschließt, dem Angeklagten oder seinem Verteidiger unterlaufen ist.

Der Irrtum des Verteidigers, dem die Rechtsmittelzurückziehung aus dem vorangegangenen Verfahren auch für das vorliegende Verfahren vorschwebte, kann nicht (mehr) als Versehen minderen Grades angesehen werden, zumal die bedeutenden Nachteile, die für den Angeklagten aus der Versäumung einer Rechtsmittelfrist entstehen können, jedenfalls eine besondere Aufmerksamkeit verlangen, die im konkreten Fall eine Überprüfung der Sachlage durch den Verteidiger an Hand der schriftlichen Unterlagen und Aufzeichnungen erfordert hätte. Dies gilt umsomehr, als die Führung zweier Verfahren gegen denselben Angeklagten kurz hintereinander von vornherein zu besonderer Sorgfalt hätte Anlaß geben müssen.

Die begehrte Wiedereinsetzung war daher zu verweigern.

Die verspätet ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war, zumal bei der Anmeldung keiner der im § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet wurde, zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO).

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten und die Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluß werden die Akten dem zuständigen Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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