OGH 14Os103/96

OGH14Os103/9620.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. August 1996 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Ebner, Dr. E.Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hawlicek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Peter Herbert K***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall und 15 StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. Jänner 1996, GZ 1c Vr 10.829/95-43, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, des Verteidigers Dr. Sperk, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch (II.) enthält, wurde Peter Herbert K***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall und 15 (I/A) sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (I/B) schuldig erkannt und zu achtzehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Soweit im Rechtsmittelverfahren von Bedeutung, hat er darnach in Wien (A) gewerbsmäßig den Nachgenannten fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern,

1. weggenommen, und zwar

a. am 22. Mai 1995 dem Martin S***** eine Jeansjacke im Wert von 1.500,-- S,

b. am 22. Mai 1995 dem Alois M***** eine Lederjacke im Wert von ca 1.900,-- S und

c. am 25. September 1995 der Veronika S***** Bargeld in Höhe von 2.000,-- S;

2. wegzunehmen versucht, und zwar

a. am 21. Juni 1995 Gewahrsamsträgern der S***** zwei Strumpfhosen im Gesamtwert von 79,80 S;

b. am 15. September 1995 Gewahrsamsträgern des Kaufhauses A.G***** eine Gürteltasche sowie eine Halskette in einem Gesamtwert von 628,--

S;

c. am 29. September 1995 der Wilhelmine J***** eine Damenhandtasche samt Geldbörse und 60,-- S Bargeld (Gesamtwert 860,-- S).

Rechtliche Beurteilung

Nur diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO. Den Strafausspruch fechten er und die Staatsanwaltschaft mit Berufung an.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider hat das Erstgericht bei Bejahung des Diebstahlsvorsatzes (zu A/1/a) die Verantwortung des Angeklagten, es sei ihm lediglich eine Verwechslung der Jeansjacke unterlaufen, keineswegs unerörtert gelassen, sondern mit logisch einwandfreier Begründung als unglaubwürdig abgelehnt (S 261). Die (ua) dafür maßgebliche Annahme, daß sich die beiden Jacken in ihrem Aussehen eindeutig unterschieden, findet in der Aussage des Zeugen Martin S***** (S 237) und den damit übereinstimmenden polizeilichen Erhebungen, wonach es sich bei der vom Beschwerdeführer zurückgelassenen Jacke - entgegen seiner Verantwortung (S 225, 237) - nicht um eine "ziemlich gleiche Jeansjacke", sondern eine alte dunkelgrüne Rauhlederjacke gehandelt hat (ON 21, S 14), ausreichende Deckung.

Mit dem Einwand, eine "irrtümliche Verwechslung" sei "evident", im Falle eines Bereicherungsvorsatzes hätte der Angeklagte auch seine Jacke mitgenommen, ein Rückschluß aus seinem gleichgelagerten, zeitlich unmittelbar folgenden (vgl ON 2 und ON 5 in ON 21) Verhalten (zu A/1/b) sei unzulässig, wird demnach kein formeller Begründungsmangel dargetan, sondern unzulässigerweise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung bekämpft.

Ob die gestohlene Jacke nach den insoweit differierenden Angaben des Geschädigten 1.500 S oder unter 1.000 S wert war (ON 21, S 14; S 239), betrifft keine entscheidende Tatsache:

Das Erstgericht hat die Möglichkeit, daß der Angeklagte seine eigene Jacke nicht bloß derelinquieren wollte, sondern nur deshalb zurückließ, um dem Bestohlenen einen aus subjektiver Sicht wertmäßig entsprechenden Ersatz zu verschaffen, keinesfalls offengelassen, sondern mit dem Hinweis auf die dagegen sprechende Verantwortung des Beschwerdeführers und dessen Verhalten nach der Tat - mängelfrei begründet - in tatsächlicher Hinsicht verneint (S 261). Lediglich im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nahm es auf einen Austausch des Kleidungsstückes mit einem nur hypothetischen Argument Bezug (S 263). Die Frage einer allfälligen Wertdifferenz ist bei diesem Urteilssachverhalt für den Bereicherungsvorsatz demnach irrelevant.

Davon abgesehen indiziert die polizeiliche Beschreibung der tatsächlich zurückgebliebenen Jacke ohnehin deren völlige Wertlosigkeit. Die vom Angeklagten aufgestellte Behauptung, seine "genauso aussehende Jeansjacke" habe einen Neupreis von 800,-- S bis 1.000,-- S gehabt (S 229), ändert an dieser Beurteilung nichts, weil ein solches Kleidungsstück am Tatort nicht zurückgeblieben ist (ON 2 in ON 21). Schon allein deshalb bestand zu einer Erörterung dieser Verantwortung kein Grund.

Soweit der Beschwerdeführer weiters im Hinblick auf die von ihm begehrte Subsumierung der Taten unter das Tatbild der Entwendung nach § 141 StGB die fehlende Erörterung der Aussagedivergenzen zum Wert der gestohlenen Jacke des Martin S***** (A/1/a) sowie weiterer allein die Schadenshöhe betreffenden Angaben der Zeugen M***** (S 241, A/1/b) und S***** (S 231; A/1/c) als Feststellungsmängel (Z 9 lit a bzw 9 lit b, der Sache nach teilweise Z 5) rügt, betreffen die Einwände gleichfalls keine entscheidenden Tatsachen. Bei den Jackendiebstählen (A/1/a und b) sind nämlich Konstatierungen, welche die von § 141 StGB (neben der Geringwertigkeit der Beute) vorausgesetzte Begehung aus Not, Unbesonnenheit oder zur Befriedigung eines Gelüstes (vgl hiezu Leukauf-Steininger Komm3 § 141 StGB RN 11, 13 und 15) erschließen lassen, weder getroffen worden noch nach der Verantwortung des Angeklagten (S 57 in ON 21 und S 227) indiziert gewesen. Beim Gelddiebstahl (A/1/c) schließt schon die Höhe des gestohlenen Betrages von 2.000,-- S dessen Beurteilung als geringwertig aus: Opferbezogene Faktoren wie die Empfindlichkeit des Schadens für den Geschädigten können von vornherein nur bei Werten unter der Höchstgrenze von 1.000,-- S zum Tragen kommen (Leukauf-Steininger aaO RN 8 a und die dort angeführte - dem Beschwerdevorbringen zuwider keineswegs bereits überholte - jüngere Judikatur).

Insoweit ist dem weiteren Beschwerdevorbringen (der Sache nach allein Z 9 lit b), mit welchem der Angeklagte seinen Freispruch mangels Erteilung einer Ermächtigung nach § 141 Abs 2 StGB begehrt, somit der Boden entzogen.

Dieselben Einwände erhebt der Beschwerdeführer auch in Ansehung der übrigen Urteilstaten (A/2/a/c). Er übersieht jedoch, daß es auch hier - unabhängig davon, daß die Geringfügigkeitsgrenze in diesen Fällen nicht überschritten wurde - an den übrigen Voraussetzungen der Entwendung mangelt: Die Motive der Not und der Befriedigung eines Gelüstes kommen nur zum Tragen, wenn durch die Tat der infolge Mittellosigkeit nicht legal zu deckende Eigenbedarf am Lebensnotwendigsten oder ein eigenes gegenwärtiges Bedürfnis befriedigt werden soll (Leukauf-Steininger aaO RN 11, 12 und 15); hievon kann bei der Beschaffung von Geschenken für die Freundin des Angeklagten (A/2/a und b) aber keine Rede sein. Auch ein Handeln aus Unbesonnenheit iS einer spontanen Reaktion auf einen augenblicklichen Willensimpuls, der in der Regel nach dem Charakter des Täters unterdrückt worden wäre (Leukauf-Steininger aaO RN 13), ist weder festgestellt worden noch nach der Aktenlage indiziert. Diese Motive kommen nach den erstgerichtlichen Feststellungen und der Aktenlage aber auch bei dem - trotz wiederholter Betretung bei vorangegangenen Taten verübten - Gelddiebstahl (A/2/c) nicht in Betracht; die Begehung aus Not ist nicht nur deshalb auszuschließen, weil der Angeklagte erst wenige Tage zuvor durch eine gleichgelagerte Tat (A/1/c) 2.000,-- S erbeutet hatte, sondern auch behauptete, den Diebstahl zur Finanzierung seiner starken Drogensucht begangen zu haben (S 33, 37).

In seiner Subsumtionsrüge (Z 10) gegen die Annahme gewerbsmäßiger Begehung wendet der Beschwerdeführer zwar zutreffend ein, daß diese Qualifikation die Absicht des Täters voraussetzt, (nicht einem Dritten, sondern) sich selbst eine fortlaufende Einnahme aus der wiederkehrenden Begehung zu verschaffen, und somit in Ansehung der Urteilstaten A/2/a und b nicht vorliegt. Die Urteilsfeststellungen zu den übrigen Diebstählen rechtfertigen jedoch die Subsumtion unter § 130 erster Fall StGB. Denn der Beschwerdeauffassung zuwider ist die Annahme dieser Qualifikation auch bei solchen Einzeltaten zulässig, bei denen der Wert der Beute unterhalb der Bagatellgrenze (s.o.) liegt, sofern nur das angestrebte Einkommen insgesamt diese Grenze übersteigt (Mayerhofer-Rieder StGB4 § 70 StGB ENr 28 ff) übersteigt.

Unberechtigt ist schließlich der Einwand (der Sache nach Z 5), das Erstgericht habe die Gewerbsmäßigkeit lediglich auf unzulässige Vermutungen zum Nachteil des Beschwerdeführers gegründet. Denn die bekämpfte Qualifikation beruht auf einem denkmöglichen Schluß aus den von den Tatrichtern dazu ermittelten Prämissen, nämlich dem im Vorleben des Angeklagten sinnfällig zum Ausdruck kommenden Hang zur Begehung von Diebstählen und seiner schlechten finanziellen Situation. Weitere Erörterungen waren angesichts der wiederholten Begehung vollkommen gleichartiger Jacken- und Taschendiebstähle innerhalb kürzester Zeit (zu A/1/a und b sogar nur weniger Stunden) entbehrlich.

An dieser Beurteilung vermag auch die teilweise rechtsirrige Subsumtion und der dadurch bedingte größere zeitliche Abstand zwischen den beiden gewerbsmäßig begangenen Diebstahlsgruppen - auch nicht unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 5 a StPO - etwas zu ändern. Denn das vom Angeklagten angegebene Motiv, Geld zur Finanzierung seiner Drogensucht gebraucht zu haben, steht in logischem Einklang mit der Tatsache, daß nicht nur Damenhandtaschen, sondern üblicherweise auch Herrenjacken als Aufbewahrungsort für Geldtaschen dienen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Über die Berufungen konnte nicht mitentschieden werden, weil dem Angeklagten infolge seiner schweren Erkrankung die Ladung zum Gerichtstag auf unabsehbare Zeit nicht zugestellt werden kann. Über diese Rechtsmittel wird das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 16 a ujd 20 zu § 296 StPO).

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht gründet sich auf § 390 a StPO.

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