OGH 14Os116/96

OGH14Os116/9620.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.August 1996 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hawlicek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Agan K***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 19.März 1996, GZ 30 Vr 1.451/95-72, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Agan K***** wurde mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch enthält, des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (1.) sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (2.), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (3.) und des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 2 WaffG

(4.) schuldig erkannt und zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Darnach hat er in Linz

1. am 2.Juli 1995 Senada O***** mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung des Beischlafes genötigt, indem er sie beim Versuch, aus der Wohnung zu flüchten, an der Hand erfaßte und in die Wohnung zurückzog, ein Einsperren im Badezimmer dadurch verhinderte, daß er sich in die Türe stellte, sie auf das Bett stieß, sich auf sie legte, sie im Bereich des rechten Oberarmes kräftig niederdrückte und damit fixierte und sodann den Beischlaf vollzog;

2. am 1.Juli 1995 Mersiha I***** durch die Äußerung, wenn er sie das nächste Mal sehe, bringe er sie um, mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

3. am 4.Juli 1995 Ekrem I***** durch Versetzen einer Ohrfeige, wodurch dieser zu Sturz kam und sich dabei eine Prellmarke samt Hämatomschwellung an der Stirne sowie eine Prellung und Abschürfung im Bereich des rechten Ellbogengelenkes zuzog, am Körper verletzt;

4. am 4.Juli 1995, wenn auch nur fahrlässig, eine verbotene Waffe, nämlich eine Dose Tränengasspray, unbefugt besessen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 3, 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO, den Strafausspruch mit Berufung.

Im Sinne der Verfahrensrüge (Z 3) trifft es zwar zu, daß sich das Erstgericht in der gemäß § 276 a StPO am 26.Jänner 1996 neu durchgeführten Hauptverhandlung nicht mit der bloßen Feststellung hätte begnügen dürfen, daß die Schöffen im selben Verfahren, nämlich am 20.Oktober 1995 (S 3/II), bereits beeidigt worden sind (S 83/II). Denn nach § 240 a Abs 3 StPO gilt die Beeidigung auch dann nur für die Dauer eines Kalenderjahres, wenn sie ein und dasselbe Strafverfahren betrifft (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 240 a E 3).

Der Beschwerde zuwider ist aber nach Lage des Falles unzweifelhaft erkennbar, daß diese Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO). Es ist nämlich nicht einsichtig, warum den Laienrichtern ihr in diesem Verfahren etwa drei Monate zuvor - wenn auch außerhalb des Kalenderjahres - abgelegter Eid, an welchen sie mit der ausdrücklichen Feststellung der Beeidigung durch den Vorsitzenden zudem zwangsläufig erinnert worden sind, weniger nachhaltig im Bewußtsein gewesen sein sollte als etwa einem Schöffen, der an einen Eid erinnert wird, welchen er im Einklang mit § 240 a StPO möglicherweise in einem ganz anderen Strafverfahren und noch dazu vor wesentlich längerer - bis zu einem Jahr gesetzlich zulässigen - Zeit geleistet hat. Abgesehen davon ist schon daran zu erkennen, daß die Schöffen ihrer Pflicht, nichts unerwogen zu lassen, was für oder gegen den Angeklagten spricht, auch tatsächlich nachgekommen sind, daß sie in ihrer Entscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers nicht unwesentlich vom Anklagevorwurf abgegangen sind.

Gegen diese Erwägungen sprechende Gründe vermag die Beschwerde, welche sich insoweit in der schlichten Behauptung erschöpft, die Schöffen hätten im Falle der neuerlichen Beeidigung "in einem anderen Bewußtsein ihrer Funktion am Verfahren und an der Entscheidungsfällung teilgenommen", nicht anzugeben.

Durch die Abweisung des Antrages auf Vernehmung des Mirzet S***** zum Beweis dafür, daß der Angeklagte Senada O***** "nicht mit Gewalt oder gefährliche Drohung zum Geschlechtsverkehr genötigt bzw vergewaltigt hat" (S 179/II), wurden Verteidigungsrechte (Z 4) des Beschwerdeführers nicht verletzt. Denn der Beweisantrag läßt prozeßordnungswidrig die nach Lage des Falles unerläßliche Begründung dafür vermissen, warum die begehrte Zeugeneinvernahme auch tatsächlich das behauptete Ergebnis haben sollte. Der zur Tatzeit im achten Lebensjahr stehende Sohn des Tatopfers war zwar unbestrittenermaßen während des Geschlechtsverkehrs in die Wohnung gekommen; weder die - Nötigungshandlungen leugnende - Verantwortung des Angeklagten, "bei der zweiten Runde sei dann plötzlich die Türe aufgegangen, der Sohn sei ganz verstört gewesen und sofort aus dem Zimmer gegangen" (S 37/II), noch sonst ein Beweisergebnis (S 115/II) sprechen aber dafür, daß Mirzet S***** Wahrnehmungen zu der dem Geschlechtsverkehr vorausgehenden Freiheitsentziehung (eine gefährliche Drohung ist gar nicht Urteilsgegenstand) und der ihn begleitenden Gewalthandlungen gemacht haben könnte.

Das Schöffengericht lehnte mit einer am gesamten Beweisergebnis orientierten, somit mängelfreien Begründung die leugnende Verantwortung des Angeklagten (zu 1.) insgesamt als unglaubwürdig ab (US 12 f) und mußte sich daher - der Mängelrüge (Z 5) zuwider - nicht mit jedem Aussagedetail, etwa der vom Beschwerdeführer aufgestellten Behauptung, Senada O***** habe entgegen ihrer Darstellung erst nach dem Geschlechtsverkehr versucht, aus dem Fenster zu springen, eigens auseinandersetzen.

Die Behauptung (zu 3.), der Angeklagte habe sich damit verantwortet, Ekrem I***** nur deshalb geschlagen zu haben, weil er (auch) von ihm tätlich angegriffen worden sei, ist nicht aktengetreu (S 97 f/I, 7, 91, 93/II). Der Einwand mangelnder Erörterung (Z 5) kann daher auf sich zu beruhen.

Nach Prüfung der Akten anhand des weiteren, durchwegs gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin Senada O***** gerichteten Beschwerdevorbringens (Z 5 a) ergeben sich auch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch (zu 1.) zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285 i StPO).

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.

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