OGH 14Os102/96

OGH14Os102/966.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.August 1996 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hawlicek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rudolf K***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 12. März 1996, GZ 20 j Vr 12.683/95-33, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwältin Dr.Bierlein, und des Verteidigers Dr.Hötzl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Rudolf K*****, abweichend von dem auf - teils qualifizierten - Raub lautenden Anklagevorwurf (Punkt A 1 und 2 der Anklageschrift), des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (I) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II/1 und 2) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien

I. am 18.November 1995 dem Karl K***** fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Bargeldbetrag von 4.800 S sowie fünf Fläschchen Methadon, mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung weggenommen;

II. andere am Körper verletzt, und zwar

1. am 18.November 1995 den Karl K***** durch einen Stich in die rechte Schulter mit einem ca 20 cm langen Fixiermesser;

2. am 10.November 1995 die Manuela P***** durch einen Biß ins rechte Bein.

Die Geschworenen hatten die Hauptfragen nach schwerem Raub gemäß §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (an Karl K*****) und nach Raub gemäß § 142 Abs 1 StGB (an Manuela P*****) verneint, die ihnen dazu (in Ansehung beider Tatopfer) vorgelegten Eventualfragen nach § 83 Abs 1 StGB sowie die (nur in Ansehung des Karl K***** gestellte) Eventualfrage nach Diebstahl gemäß § 127 StGB hingegen bejaht. Weitere Fragen zu diesen Taten sind nicht gestellt worden.

Rechtliche Beurteilung

Mit ihrer rite (§ 345 Abs 4 StPO) auf den Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde rügt die Staatsanwaltschaft zum einen die Verwerfung ihres Antrages auf Stellung einer weiteren Eventualfrage (als zusätzlicher Alternative zur Raubfrage in bezug auf Manuela P*****) nach gewerbsmäßigem Diebstahl gemäß §§ 127, 130 erster Fall StGB; zum anderen bemängelt die Beschwerdeführerin die Weigerung des Schwurgerichtshofes, in die Eventualfrage nach Diebstahl zum Nachteil des Karl K***** den strafsatzerhöhenden Umstand der Gewerbsmäßigkeit (§ 130 erster Fall StGB) aufzunehmen.

Diese Einwände versagen.

Der Schwurgerichtshof ist zur Stellung einer Eventualfrage nur dann verpflichtet, wenn in der Hauptverhandlung Umstände der im § 314 Abs 1 StPO vorausgesetzten Art hervorgekommen sind, die über den Rahmen abstrakt denkbarer Möglichkeiten oder bloßer Mutmaßungen hinausgehen (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 314 E 18).

Weder die Verantwortung des Angeklagten noch die Darstellung der Zeugin Manuela P***** (oder eine andere Beweisquelle) lassen ein Verfahrenssubstrat erkennen, das eine Sachwegnahme ohne Gewalt gegen das Opfer aktualisiert hätte. Der Angeklagte gestand zu, die Zeugin aus Verärgerung über ihr vorangegangenes Verhalten "in die Wade gebissen" und sie hiedurch verletzt zu haben, bestritt aber die Wegnahme von Bargeld (S 213). Manuela P***** hinwieder bekundete, daß der Angeklagte sie aufgrund ihrer Weigerung, ihm Geld zu leihen, zu Boden geworfen, ihr eine Bißwunde im Bereich des rechten Unterschenkels zugefügt, die von ihr festgehaltene Geldbörse aus der Hand gerissen und daraus 1.000 S entnommen habe (S 225).

Aus diesen Beweisresultaten ergeben sich aber bei der gebotenen Gesamtbetrachtung ihres jeweiligen Sinnzusammenhanges keine konkreten Hinweise dafür, daß der Angeklagte ohne Gewaltanwendung gegen das Opfer eine Sachwegnahme ins Auge gefaßt hätte, die tatplangemäß derart spontan erfolgen sollte, daß das überraschte Opfer keinerlei Abwehr leisten, ja nicht einmal einen Widerstandsentschluß hätte fassen können. Nur unter diesen Voraussetzungen wäre jedoch Diebstahl - neben Körperverletzung - überhaupt in Frage gekommen (Leukauf-Steininger Komm3 § 142 RN 21).

Die begehrte Eventualfrage nach (noch dazu gewerbsmäßigem) Diebstahl ist somit zu Recht unterblieben.

Dem Einwand der Staatsanwaltschaft gegen die Abweisung ihres Antrags, in die Eventualfrage nach Diebstahl zum Nachteil des Karl K***** auch den strafsatzerhöhenden Umstand gewerbsmäßiger Tatbegehung aufzunehmen, ist zwar zuzugeben, daß die vom Schwurgerichtshof hiezu dargelegten Erwägungen, wonach "die Frage der Gewerbsmäßigkeit aufgrund des Einkommens (des Angeklagten) und der Aussage der Zeugin Pe***** nicht indiziert" sei (S 232), keine stichhältige Begründung darstellen. Anderweitige Einkünfte schließen die Annahme der in Rede stehenden Qualifikation keineswegs aus, sofern der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederkehrende Tatverübung eine fortlaufende (wenn auch nur zusätzliche) Einnahmsquelle zu erschließen.

Dessenungeachtet sind in der Hauptverhandlung aber keine konkreten Hinweise auf eine erwerbsgerichtete Tatwiederholungstendenz hervorgekommen, es dem Ange- klagten also darauf angekommen wäre (§ 5 Abs 2 StGB), sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen ein fortlaufendes (zumindest für längere Zeit wirkendes) Einkommen zu verschaffen. Der von der Anklagebehörde hervorgehobene erhöhte finanzielle Bedarf des Angeklagten zufolge seiner langjährigen Drogensucht läßt im Zusammenhalt mit den übrigen Verfahrensergebnissen unter den gegebenen Umständen (einmalige Tatverübung, großer zeitlicher Abstand zu den von der einzigen einschlägigen Vorverurteilung erfaßten, bereits im Jahr 1988 verübten Diebstählen) die gewerbsmäßige Tendenz zwar denkmöglich erscheinen, rückt eine derartige subjektive Komponente aber nicht in jene empirische Nähe, die den Schwurgerichtshof zur begehrten Erweiterung des Fragenprogramms verpflichtet hätte.

Die Aufnahme dieser Deliktsqualifikation in die bemängelte Eventualfrage nach Diebstahl ist daher ebenfalls zu Recht unterblieben.

Demnach war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

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