OGH 7Ob2240/96d

OGH7Ob2240/96d30.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei N*****, vertreten durch Dr.Josef Olischar Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei Dr.Robert T***** und die klagende Partei der Widerklage K***** vertreten durch Dr.Martin Prohaska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitgegenstand S 300.000,-), infolge außerordentlicher Revision der klagenden und widerbeklagten Partei Nikolaus O***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 22.November 1994, GZ 48 R 828,829/94-32, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei Nikolaus O***** das Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 30.Mai 1994, GZ 9 C 962, 2148 und 1897/91-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und widerbeklagte Partei ist schuldig, der K*****sowie Dr.Robert T***** die mit S 19.475,28 (darin enthalten S 3.245,88 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Revisionsverfahren ist im zweiten Verfahrensgang lediglich das Begehren der (wider-)klagenden und beklagten Parteien Dr.Robert T***** und der K*****, es werde dem Nikolaus O***** gegenüber festgestellt, die K***** sei gemäß der Vereinbarung vom 19.11.1982 Mieterin des ebenerdigen Geschäftslokales top Nr. 3 bis 4, bestehend aus einer Küche, Gastzimmer, Wohnraum, Toilette, Pissoir und Weinkeller im Hause *****, Q*****, strittig. Zum übrigen nicht mehr streitgegenständlichen Sachverhalt wird auf die Entscheidung des erkennenden Senates 7 Ob 520-522/93 verwiesen.

Dr. T***** und die K***** brachten dazu vor, der Vormieterin Kersten K***** sei ein Weitergaberecht bezüglich der Mietrechte an dem genannten Geschäftslokal dahingehend eingeräumt worden, daß sie dieses zu gleichen Bedingungen (insbesondere bei gleichbleibender Miete) an einen anderen Mieter weitergeben könne.

Das Erstgericht ging von nachstehendem Sachverhalt aus:

Die Anmietung des Geschäftslokals in *****, Q*****, Tür 3 bis 4, erfolgte über Vermittlung der Schwestern K*****. Vormieterin war Rosa K*****. Zum damaligen Zeitpunkt hatte Kersten K***** ein Geschäft in der Triesterstraße, das auf das Abendgeschäft ausgerichtet war. Sie wollte das Geschäft von Rosa K***** übernehmen und teilte den Schwestern von Anfang an mit, ein Weitergaberecht haben zu wollen, falls sie das Geschäft erhalten sollte. Kersten K***** wurde von einem Termin bei der früheren Hauseigentümerin Stefanie B***** verständigt, bei dem das Weitergaberecht fixiert werden sollte. Gleichzeitig wurde sie davon informiert, daß die Hauseigentümerin dafür einen Betrag von S 150.000,- haben wolle. Am 19.11.1982 trafen die Hauseigentümern Stefanie B*****, Kersten K***** sowie die Vormieterin Rosa K***** und ihre Schwester zusammen. Es wurde bei dieser Gelegenheit nachstehendes Schreiben von der Hauseigentümerin unterschrieben:

Vereinbarung

Ich erkläre mich hiermit einverstanden, daß die neue Mieterin des Gasthauses Q*****Frau Kersten K*****, das Geschäft weitergeben oder verpachten kann, sollten es die Umstände erfordern. Und der Mietzins nicht erhöht wird, außer das Gesetz verlangt es. Ansonsten bekommt sie den selben Mietvertrag den Frau Rosa K***** hatte.

Kersten K***** übergab der Hauseigentümerin S 150.000,-. Zwischen der Hauseigentümerin und Kersten K***** wurde nichts darüber gesprochen, daß das Weitergaberecht nur für Kersten K***** gelten sollte. Kersten K***** ging es darum, das Weitergaberecht für sich und allenfals für ihren Sohn zu sichern.

Am 15.12.1982 unterfertigte Kersten K***** in der Hausverwaltung einen Mietvertrag über das genannte Geschäftslokal. Nach § 8 des Mietvertrages stimmt der Vermieter einer Untervermietung, Verpachtung oder sonstigen Überlassung des Bestandobjektes außer nach ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung nicht zu. Nach § 11 Ziffer 1 des Mietvertrages sollten allfällige vor Abschluß dieses Vertrages getroffene schriftliche oder mündliche Vereinbarungen ihre Gültigkeit bei Vertragsabschluß verlieren, eine Änderung des Vertrages sollte nur schriftlich erfolgen könne.

Im Jahre 1987 überlegte Kersten K*****, das Geschäftslokal weiterzugeben, weil ihr damaliger Lebensgefährte einen Herzinfarkt erlitten hatte. Sie sprach deshalb mit der Hauseigentümerin Stefanie B*****, ob sie zu ihrer Vereinbarung über das Weitergaberecht aus dem Jahre 1982 stehe. Dies wurde ihr zugesagt. Kersten K***** betrieb das Geschäft dennoch weiter.

Nach dem Tod der Kersten K***** veräußerte die Verlassenschaft das in den vermieteten Räumlichkeiten betriebene Gast- und Schankgewerbe an die K*****. Im Kaufvertrag wurde festgehalten, daß die Mietrechte an dem Geschäftslokal bereits auf die Käuferin übertragen wurden. Der Vertrag wurde unter der Bedingung abgeschlossen, daß von Seiten des Vermieters ein Mietzins von maximal S 15.000,- inklusive sämtlicher Nebenkosten verlangt werde.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß ein Weitergaberecht hinsichtlich der gemieteten Räumlichkeiten grundsätzlich nicht höchstpersönlich und daher auf den Erben Dr.T***** übergegangen sei. Die Vereinbarung eines Weitergaberechtes stelle keine ungewöhnliche Nebenabrede bei einem Geschäftslokal dar. Der Kläger sei daher ohne Rücksicht auf die Verbücherung an alle Bestimmungen des Mietvertrages gebunden. Die Vereinbarung vom 19.11.1982 sei gerade in Anbetracht des bevorstehenden schriftlichen Mietvertragsabschlusses getroffen worden. Die entgegenstehenden Bestimmungen des Mietvertrages entsprächen nicht dem Parteiwillen. Das Weitergaberecht sei auch nicht wegen des Ansteigens der Geschäftsraummieten weggefallen, weil es geradezu typisch sei, daß sich der angemessene Mietzins für die Vermietung von Geschäftslokalen ständig ändere.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es verwarf die in der unterlassenen Vernehmung eines Zeugen erblickte Mängelrüge und teilte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Es hielt Feststellungen zu den erzielbaren Mietpreisen für Geschäftslokale im Vergleich der Jahre 1982 und 1990 für entbehrlich, weil die Vereinbarung eines "echten" Weitergaberechtes unter der Zusage, daß der neue Mieter den gleichen Mietzins zu bezahlen haben werde, denklogisch eine von beiden Parteien unterstellte Geschäftsgrundlage, nämlich daß sich sich Preise für die Geschäftsraummiete nicht ändern, ausschließe. Es sei den vertragsschließenden Parteien bekannt gewesen, daß es zu einem kontinuierlichen Ansteigen der Mietzinse komme, bzw daß diese Möglichkeit für Geschäftslokale jedenfalls bestehe. Eine Partei könne sich dann nicht auf eine Änderung der Sachlage, deren Fortdauer eine typische Voraussetzung des Geschäftes bilde, berufen, wenn die Änderung vorhersehbar sei. Da das Ansteigen der Mietzinse vorhersehbar gewesen sei, könne sich der Kläger als Rechtsnachfolger nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen.

Die dagegen erhobene Revision des Klägers und Widerbeklagten ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der nach der Revision angeblich dem Erstgericht unterlaufene Verfahrensmangel ist bereits vom Berufungsgericht verneint worden und kann daher im Revisionsverfahren nicht neuerlich gerügt werden (SZ 62/157).

Die Entscheidung dieses Rechtsstreites hängt von der Beantwortung der Frage ab, welches Recht der Verstorbenen mit der Vereinbarung vom 19.11.1982 eingeräumt wurde. Sollte es sich tatsächlich lediglich um die Einräumung eines Präsentationsrechtes handeln, träfe der Hinweis auf die Entscheidung 8 Ob 504/92 zu, wonach der Vermieter an ein solches Recht dann nicht mehr gebunden ist, wenn der vereinbarte Mietzins wegen exorbitanter Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse vom nunmehr ortsüblichen Mietzins erheblich abweicht. Der Kläger hat dazu vorgetragen, die Verhältnisse auf dem Realitätenmarkt hätten sich in dieser relevanten Weise verändert, sodaß er an das eingeräumte Recht nicht mehr gebunden sei.

Ein Präsentationsrecht liegt dann vor, wenn sich der Bestandgeber nach Art eines Vorvertrages gegenüber dem Bestandnehmer verpflichtet hat, unter bestimmten Bedingungen die Zustimmung zum Eintritt eines Dritten (anstelle des Bestandnehmers) in das Bestandverhältnis zu erteilen oder mit einem vom Bestandnehmer vorgeschlagenen geeigneten Dritten einen Vertrag gleichen (oder bestimmten anderen) Inhalts abzuschließen (Würth in Rummel2 Rz 14 zu § 1098 ABGB). Davon ist das beschränkte oder unbeschränkte Weitergaberecht des Mieters zu unterscheiden. Ein derartiges Weitergaberecht ist dann anzunehmen, wenn der Bestandgeber schon im Bestandvertrag dem Bestandnehmer das Recht einräumt, durch bloße Erklärung alle Rechte und Pflichten aus dem Bestandverhältnis auf einen Dritten mit der Wirkung zu übertragen, daß dieser an seiner Stelle Bestandnehmer wird, ohne daß es einer weiteren Erklärung des Bestandnehmers bedarf. Die Vereinbarung eines "Weitergaberechtes" schlechthin bedeutet demnach das unbeschränkte Recht des Mieters, nicht nur einen Nachmieter vorzuschlagen, sondern diesem das Mietrecht zu übertragen (Würth in Rummel aaO, SZ 46/24). Diese Vereinbarung ist daher so zu verstehen, daß der Vermieter im vorhinein einem Mieterwechsel zu den gleichen Bedingungen des ursprünglichen Vertrages zustimmt.

Nur bei Vorliegen eines Präsentationsrechtes hat die Rechtsprechung wegen des Vorvertragscharakters die Verbindlichkeit dieser Vereinbarung nur bei gleichbleibenden Verhältnissen angenommen (8 Ob 504/92 = WoBl 1992, 119 = EvBl 1992/113).

Ein derartiges Präsentationsrecht wurde allerdings nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht vereinbart. Nach der Vereinbarung vom 19.11.1982 wurde der Mieterin Kersten K***** ausdrücklich ein Weitergaberecht eingeräumt. Nach diesem war sie berechtigt, nicht nur einen Nachmieter vorzuschlagen, sondern ihm auch die Mietrechte zu übertragen. Die Vermieterin hat daher im Rahmen dieses unbeschränkten Weitergaberechtes im vorhinein der Mietrechtsübertragung vorbehaltlos zugestimmt. Auf eine allfällige -behauptete- exorbitante Steigerung der Mietzinse im Zeitraum zwischen der Einräumung des Weitergaberechtes und der Übertragung der Mietrechte an einen Dritten kommt es nicht an. Im konkreten Fall ist darüberhinaus zu bemerken, daß nach den Feststellungen die Vermieterin noch im Jahre 1987 der Mieterin gegenüber ausdrücklich erklärte, ihre Zusage aus dem Jahre 1982 aufrecht zu erhalten. Dies bedeutet aber die Zustimmung zur Mietrechtsübertragung an einen Dritten zu den ursprünglichen Bedingungen.

Der Auslegung der Vereinbarung vom 19.11.1982 haftet daher kein Rechtsirrtum an. Lag ein unbeschränktes Weitergaberecht vor, kann sich der Kläger auf die zum Bestand eines Präsentationsrechtes entwickelten Rechtssätze nicht berufen.

Der Revision war daher ein Erfolge zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Stichworte