OGH 8ObS2264/96s

OGH8ObS2264/96s11.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinz Paul und Walter Darmstädter als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Monika R*****, Lehrling, ***** vertreten durch Mag.Edwin Kriechbaumer, Referent der Kammer für Arbeiter und Angestellte Steiermark, Leoben, wider die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Steiermark, Graz Babenbergerstraße 35, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenzausfallgeld, (Revisionsinteresse S 16.878,69 netto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Dezember 1995, GZ 7 Rs 122/95-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 14.Juni 1995, GZ 22 Cgs 67/95y-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 22.März 1993 bis 25.Mai 1993 als Lehrling beschäftigt; an diesem Tage wurde das Lehrverhältnis vom Arbeitgeber "vorzeitig aufgelöst". Mit Mahnklage vom 8.Oktober 1993 erhob sie gegen diesen Ansprüche in der Höhe von insgesamt S 27.072,05 sA, indem sie vorbrachte, die Auflösung des Dienstverhältnisses sei unberechtigt erfolgt. Der Arbeitgeber gestand vor Gericht die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses zu ohne hiefür rechtfertigende Gründe zu nennen. Im gerichtlichen Vergleich vom 27.1.1994 wurde sodann die "einvernehmliche Auflösung" des Lehrverhältnisses zwischen den Vertragsparteien vereinbart und der beklagte Arbeitgeber verpflichtete sich zur Zahlung von S 19.708,05 netto sowie eines Kostenbetrages von S 2.520,--. Zwei Anträge der Klägerin, über das Vermögen des Arbeitgebers das Konkursverfahren zu eröffnen, wurden in der Folge abgewiesen.

Mit Bescheid vom 3.2.1995 hat die hier beklagte Partei einen Teilbetrag von S 5.347,-- von der von der Klägerin erhobenen Forderung nach Zahlung von Insolvenz-Ausfallgeld anerkannt und mit Bescheid vom selben Tag das weitergehende Begehren nach Zahlung von S 17.383,94 netto abgelehnt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren betreffend die Zahlung von Insolvenz-Ausfallgeld von S 17.383,94 netto sA mit einem Teilbetrag von S 16.878,69 netto sA statt und wies das Mehrbegehren von S 505,25 netto sA ab. Es stellte den eingangs - gekürzt - wiedergegebenen Sachverhalt fest und führte rechtlich aus, die im Vergleich vom 27.1.1994 vereinbarte einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses beseitige nicht den Schadenersatzanspruch der Klägerin. Der Vergleich müsse als Ganzes betrachtet werden. Die Klägerin habe lediglich auf die Fortsetzung ihres unwirksam beendeten Lehrverhältnisses verzichtet. Aus dem einvernehmlich aufgelösten Arbeitsverhältnis habe sie Anspruch auf laufendes Entgelt und auf Kündigungsentschädigung. Dabei handle es sich um gesicherte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 1 Abs 1 IESG. Die von der Klägerin aufgewendeten Kosten (Exekutionskosten sowie Kosten des Antrages auf Konkurseröffnung) seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen, denn im Zeitpunkt der Antragstellung der Klägerin, über das Vermögen ihres ehemaligen Arbeitgebers das Konkursverfahren zu eröffnen, sei über den zuvor von einer anderen Arbeitnehmerin gestellten Antrag noch nicht entschieden gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision nach § 46 Abs 1 ASGG nicht zulässig sei. Die Auflösung des Dienstverhältnisses sei ungerechtfertigt und die einvernehmliche Beendigung des Lehrverhältnisses lediglich aus "optischen Gründen" erfolgt. Ein Vergleich sei nur dann ein Neuerungsvertrag, wenn damit eine neue Rechtsgrundlage geschaffen und ein Zurückgreifen auf das ursprüngliche Rechtsverhältnis ausgeschlossen werden sollte. Hier sei weder die Auflösungsart, noch der Rechtsgrund der Klagsforderung (Kündigungsentschädigung) verändert worden. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG liege nicht vor.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, es abzuändern und das Klagebegehren (zur Gänze) abzuweisen.

Die klagende Partei hat nach Freistellung der Revisionsbeantwortung keine solche erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Anspruchsgrundlagen nach dem IESG im Zusammenhang mit einem Vergleich zu beruteilen sind; sie ist aber nicht berechtigt.

In dem zwischen der Klägerin und ihrem früheren Arbeitgeber geschlossenen Vergleich vom 27.1.1994 wurden ihre zunächst aus einer unberechtigten vorzeitigen Beendigung ihres Lehrverhältnisses sich ergebenden Ansprüche (Kündigungsentschädigung, Urlaubsabfindung) verglichen und es wurde vereinbart, daß das - zunächst vorzeitig beendete - Lehrverhältnis einvernehmlich mit 25.5.1993 endete.

Die beklagte Partei führt nunmehr in ihrer Revision aus, aus einem einvernehmlich beendeten Arbeitsverhältnis könne ein Anspruch auf Kündigungsentschädigung nicht abgeleitet werden. Wegen der Bereinigungswirkung des Vergleiches könne nicht mehr auf die Frage der Berechtigung zur vorzeitigen Beendigung des Lehrverhältnisses zurückgegriffen werden; die "gesichtswahrende Auflösung des Arbeitsverhältnisses" sei im beiderseitigen Interesse gelegen.

Die Rechtsprechung gestattet dem besonders geschützten Arbeitnehmer, auf den besonderen Kündigungs- und Enlassungsschutz zu verzichten, statt der Klage auf Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses die rechtswidrige Auflösung hinzunehmen und sich auf die daraus ableitbaren Schadenersatzansprüche zu beschränken (zum

BAG: Arb 9896 = ZAS 1982/7, 57 (Marhold) = DRdA 1982/5, 105

(Jabornegg) = JBl 1982, 271 = SZ 53/120; Arb 10.176 = DRdA 1983/8,

109 (Tögl); zu § 45 a AMFG: Arb 10.148; zum VBG: Arb 10.212; Schrank,

Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Schutzobjekt der Rechtsordnung 362 f; Floretta in Floretta/Spielbüchler/Strasser ArbR I3, 270; Schwarz-Löschnigg ArbR5, 601; Martinek ua AngG7 660 und 664; Kuderna, Entlassungsrecht2, 43 f).

Durch einen Vergleich im Sinne des § 1380 ABGB wird zwar regelmäßig ein neuer Rechtsgrund geschaffen, ein ausschließlicher jedoch nur unter der Voraussetzung, daß mit dieser neuen Rechtsgrundlage ein Zurückgreifen auf das ursprüngliche Rechtsverhältnis ausgeschlossen werden sollte (E 3 zu § 1380 ABGB in MGA34). Davon kann hier aber nicht die Rede sein, denn es ist kein Grund ersichtlich, warum die Klägerin als Arbeitnehmerin ihren gesetzlichen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber dem Grunde nach aufgeben und ein bloßes vertragliches Schuldverhältnis begründen hätte wollen; eine diesbezügliche Parteienbehauptung wurde auch gar nicht aufgestellt. Die vergleichsweise Vereinbarung einer "einvernehmlichen Auflösung" steht daher einem Zurückgreifen auf das ursprüngliche Rechtsverhältnis nicht entgegen. Die Klägerin konnte demnach ungeachtet des Vergleiches bei ihrer Anmeldung beim Insolvenzausfallgeld-Fonds und bei Gericht den Rechtsgrund der ungerechtfertigten Auflösung ihres Dienstverhältnisses als Anspruchs- und Klagegrund (siehe Beilage S 51; Klage S 6) geltend machen.

Unbekämpft steht nun fest, daß der Arbeitgeber das Dienstverhältnis der Klägerin ungerechtfertigt aufgelöst hat. Demgemäß stehen ihr die hieraus hervorgehenden Schadenersatzansprüche aber grundsätzlich als gesicherter Anspruch.

Auch die Ausführungen der Berufungsinstanz zur Notwendigkeit der Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne des § 1 Abs 2 Z 4 IESG sind zutreffend (§ 48 ASGG).

Stichworte