OGH 8Ob2116/96a

OGH8Ob2116/96a11.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Ehmayr und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Konkurssache der G***** BetriebsgmbH, ***** infolge außerordentlichen Revisionsrekurses 1. des Günter G*****, vertreten durch Dr.Alexander Puttinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, 2. des Masseverwalters Dr.Peter Posch, Rechtsanwalt in Wels, 3. des Alpenländischen Kreditorenverbandes, Humboldtstraße 39, 4020 Linz, 4. des Kreditschutzverbandes von 1870, Mozartstraße 11, 4020 Linz, 5. der B*****, und 6. des Ing.Johann B*****, Baumeister, ***** 3. bis 6. vertreten durch Dr.Peter Posch, Rechtsanwalt in Wels, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 26.April 1996, GZ 2 R 18/96x-88, womit infolge Rekurses der Gemeinschuldnerin, vertreten durch Dr.Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, der Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 3.Juli 1995, GZ S 81/94-56, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Günter G***** wird zurückgewiesen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Masseverwalters, des Alpenländischen Kreditorenverbandes, des Kreditschutzverbandes von 1870, der B***** und des Ing.Johann B***** wird gemäß § 171 KO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Einleitend sei auf die in dieser Konkurssache ergangene Entscheidung 8 Ob 34,35/95 verwiesen, mit der der Gemeinschuldnerin ein Rekursrecht gegen den Beschluß ON 56 zugebilligt wurde, in dem das Konkursgericht den Antrag der Gemeinschuldnerin auf Untersagung der Ausführung des Beschlusses der Gläubigerversammlung, betreffend die Genehmigung des Verkaufes des sogenannten Quellengrundstückes (Nr 264/8 EZ 353 Grundbuch N*****) an die G***** GmbH zurückgewiesen und ausgesprochen hatte, daß eine Untersagung der Ausführung dieses Beschlusses von Amts wegen nicht erfolge.

Dem Rekurs der Gemeinschuldnerin gegen den konkursgerichtlichen Beschluß gab das Rekursgericht nunmehr Folge, änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß die Ausführung des Beschlusses der Gläubigerversammlung vom 18.Mai 1995, wonach der angeführte Kaufvertrag genehmigt wurde, untersagt werde und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt sowie, daß der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

1. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs des Günter G*****:

Der Revisionsrekurs ist mangels Rekurslegitimation des Rechtsmittelwerbers jedenfalls unzulässig.

Günter G***** ist Mitglied des Gläubigerausschusses. Bei der Abstimmung in der Gläubigerversammlung vom 18.Mai 1995 wurde den für die Genehmigung des Kaufvertrages stimmenden Gläubigern Günter G***** (Eigentümer der Wohnung top 96 und laut PZ 57 des Anmeldeverzeichnisses Konkursgläubiger mit einer festgestellten Forderung von 2,269.325 S), Dipl.Ing.Johann H***** (Eigentümer der Wohnungen top 11 und 20 und laut PZ 67 des Anmeldeverzeichnisses Konkursgläubiger mit einer festgestellten Forderung von 1,727.675,20

S) und Heinrich B***** (Eigentümer der Wohnung top 37 und laut PZ 108

des Anmeldeverzeichnisses Konkursgläubiger mit einer festgestellten Forderung von 1,948.609,80 S) das Stimmecht aberkannt, weil sie Gesellschafter der Erwerbergesellschaft sind.

Gesellschafter der Erwerberin G***** GmbH mit einem Stammkapital von 500.000 S sind Heinrich B*****, Günter G***** und Dipl.Ing. Johann H***** mit Stammeinlagen von je 100.000 S und die Dr.K*****, S***** & Partner UnternehmensberatungsgmbH mit einer Stammeinlage von 200.000

S.

§ 92 Abs 4 KO verbietet die Abstimmung in "eigener Sache", das heißt (arg § 39 Abs 4 GmbHG) dort, wo der Abstimmende (oder die von ihm vertretene Person) von einer Verpflichtung befreit oder Vorteilsempfänger oder Subjekt des abzuschließenden Rechtsgeschäftes werden soll, wenn also der Beschluß die Rechtssphäre des Abstimmenden (oder der von ihm vertretenen Person) betrifft (siehe Petschek/Reimer/Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, 181). Zieht man zur Auslegung des Begriffes "eigene Sache" daher die gleichfalls die Ausübung des Stimmrechtes bei Interessenkollision verbietende Regelung des § 39 Abs 4 GmbHG heran, dann kann auch die Beteiligung an der mit der Masse kontrahierenden Gesellschaft Befangenheit bewirken. Obzwar das Gesetz keinen ausdrücklichen Stimmrechtsausschluß des Gesellschafters bei der Beschlußfassung über den Abschluß eines Rechtsgeschäftes mit einer Gesellschaft kennt, an der er selbst beteiligt ist, hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung WBl 1992, 407 ausgesprochen, daß auch eine mittelbare Befangenheit infolge Beteiligung des Gesellschafters am Vertragspartner zum Stimmrechtsausschuß führen kann. Da Normzweck sowohl im Falle des § 92 Abs 4 KO als auch in dem des § 39 Abs 4 GmbHG die Vermeidung einer Interessenkollision ist, ist danach zu fragen, ob zu besorgen ist, daß sich der Betreffende bei der Abstimmung von den Interessen der Drittgesellschaft leiten läßt. Dies ist dann der Fall, wenn die Beteiligungsquote bei der Drittgesellschaft höher liegt als die an dem Rechtssubjekt, für das das Stimmrecht ausgeübt werden soll (siehe Koppensteiner, GmbH-Gesetz

§ 39 Rz 35 und 36; derselbe in Rowedder, dGmbHG2 § 47 Rz 51; vgl Karsten Schmidt in Scholz dGmbHG8 § 47 Rz 163 und 164). Da die Beteiligung des Günter G***** an der Vertragspartnerin der Masse mit 20 % erheblich höher liegt als sein Anteil an den gesamten Konkursforderungen, hat das Konkursgericht seine Befangenheit zutreffend bejaht. Kommt dem Gläubiger aber wegen seiner hohen Beteiligung am Vertragspartner der Masse kein Stimmrecht zu, dann ist er folgerichtig ebenso wie der Vertragspartner selbst auch nicht zur Anfechtung des Beschlusses legitimiert, mit dem die Ausführung des betreffenden Rechtsgeschäftes untersagt wurde (vgl EvBl 1968/165). Folgerichtig hat der Oberste Gerichtshof nur dem überstimmten Mitglied des Gläubigerausschusses ein Rekursrecht in den Fällen des § 95 Abs 3 KO zugebilligt (siehe EvBl 1992/152).

2. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs des Masseverwalters und der von ihm vertretenen Mitglieder des Gläubigerausschusses:

Wie der Oberste Gerichtshof insbesondere in der Entscheidung 5 Ob 197/68 - unter Berufung auf Lehmann (KO I 578) und die Denkschrift zur Einführung einer Konkursordnung, einer Ausgleichsordnung und einer Anfechtungsordnung (Wien 1914 [87, 88]) - zu § 95 Abs 3 KO idF vor dem IRÄG 1982 ausgesprochen hat, hat das Konkursgericht bei Prüfung, ob die Ausführung eines Beschlusses des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung zu untersagen ist, nicht nur dessen Gesetzmäßigkeit sondern auch dessen Zweckmäßigkeit zu prüfen. Nach der zitierten Denkschrift (Seite 86 f) hatte die Erfahrung - mit der ein Sistierungsrecht des Konkurskommissärs nicht vorsehenden Konkursordnung vom 15.12.1868 (siehe Lehmann aaO 574) - gelehrt, daß die Gläubigermehrheit (das heißt die Mehrheit der bei einer Versammlung erschienenen Konkursgläubiger), von Selbstsucht oder Mitleid beeinflußt, bei ihren Beschlüssen nicht selten mehr die Interessen der einzelnen oder die des Gemeinschuldners als jene der Gesamtheit berücksichtigt und daß bei der im Leben so oft hervortretenden Abneigung der Gläubiger dagegen, auf schlechte Außenstände noch Mühe zu verwenden, der betriebsame Gemeinschuldner oder auch ein reger Konkursgläubiger leicht eine Mehrheit für seine Vorschläge findet, wenn er den um ihre Zustimmung ersuchten Gläubigern die Mühe des persönlichen Erscheinens bei der Versammlung abnimmt. Gegen Mißbräuche, die auf diesem Wege möglich seien, müsse das neue Recht einschreiten. Das Konkursgericht solle, wie das im Deutschen Reich seit fast 40 Jahren mit bestem Erfolg geschehe, Beschlüsse des Gläubigerausschusses und der Gläubigerversammlung, die den gemeinsamen Interessen der Konkursgläubiger widersprechen, beseitigen können. Dabei habe sich das Gericht nicht bloß auf die Prüfung des formell gültigen Zustandekommens des Beschlusses zu beschränken, sondern es habe auch seine Zweckmäßigkeit und Angemessenheit zu prüfen. In dieser Bestimmung liege allerdings eine Erschwerung der Tätigkeit der Gerichte und eine Erhöhung ihrer Verantwortlichkeit.

Mit der Bezugnahme auf diese Stelle der Denkschrift hat der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß das Gericht den Beschluß unabhängig vom Stimmverhalten der Gläubiger im Gläubigerausschuß oder in der Gläubigerversammlung auf seine Zweckmäßigkeit und Angemessenheit zu prüfen hat. Auch den übrigen - zum gleichartigen Prüfungsrecht des Gerichtes bezüglich der Beschlüsse des Gläubigerausschusses ergangenen - Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (JBl 1963, 323; EvBl 1965/151; JBl 1970, 206; 5 Ob 61/73 sowie 5 Ob 219,220/73) ist nicht zu entnehmen, daß bei der Prüfung der Zweckmäßigkeit der Beschlüsse darauf Bedacht zu nehmen wäre, mit welcher Mehrheit sie gefaßt wurden.

Durch das IRÄG 1982 wurde die in § 95 Abs 3 KO vorgesehene Prüfungsbefugnis des Konkursgerichtes nicht eingeschränkt, sondern dadurch erweitert, daß das Konkursgericht nicht nur auf das gemeinsame Interesse der Konkursgläubiger, sondern auch auf andere gleich wichtige Gründe Bedacht zu nehmen hat sowie dadurch, daß neben der amtswegigen Prüfungspflicht ein Antragsrecht des Masseverwalters und jedes Mitgliedes des Gläubigerausschusses normiert wurde. Da nach der neuen Rechtslage die Prüfungspflicht des Konkursgerichtes ausgeweitet und - im Sinne der schon zur alten Rechtslage ergangenen Judikatur - stärker betont wurde ("hat zu untersagen" statt "kann untersagen"), besteht jedenfalls kein Anlaß, eine gegenüber der zur alten Rechtslage ergangenen Judikatur abgeschwächte Prüfpflicht des Gerichtes anzunehmen.

Den Ausführungen der Revisionsrekurswerber, ein mit großer Mehrheit der bei der Gläubigerversammlung anwesenden Konkursgläubiger gefaßter Beschluß enthebe das Konkursgericht von der Prüfung, ob der Beschluß auch objektiv dem "gemeinsamen Interesse der Konkursgläubiger" entspreche, ist zu erwidern, daß mit der Bestimmung des § 95 Abs 3 KO - wie dies der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 197/68 durch Hinweis auf die zitierte Denkschrift dargelegt hat - die Gläubigerautonomie bewußt eingeschränkt und dem Gericht eine vom Votum der Gläubiger unabhängige Prüfpflicht auferlegt wurde, obwohl sich der Gesetzgeber über die damit verbundene Erschwerung der Tätigkeit der Gerichte und die Erhöhung ihrer Verantwortlichkeit im klaren war. Hätte der Gesetzgeber die Prüfpflicht des Gerichtes im Falle eines mit großer Mehrheit in einer stark besuchten Gläubigerversammlung gefaßten Beschlusses zugunsten einer Verstärkung der Gläubigerautonomie einschränken wollen, hätte er ohne weiters vorsehen können, daß ab einem bestimmten Präsenz- und Konsensquorum in der Gläubigerversammlung eine inhaltliche Prüfung des gefaßten Beschlusses durch das Konkursgericht nicht mehr zu erfolgen habe. Eine derartige Regelung hat aber weder der Gesetzgeber des Jahres 1914 noch der des Jahres 1982 getroffen.

Völlig zu Recht und in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hat das Rekursgericht den Beschluß der Gläubigerversammlung daher nach objektiven Kriterien auf seine Zweckmäßigkeit geprüft.

Die Frage aber, ob die freihändige Veräußerung des auch die im Freien gelegenen Parkplätze, allenfalls auch die Trinkwasserquelle der Hotelimmobilie umfassenden Grundstückes vor kridamäßiger Versteigerung der Hotelimmobilie selbst unter Bedachtnahme auf das gemeinsame Interesse der Gläubiger zweckmäßig ist, ist, wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, von den Umständen des Einzelfalles abhängig.

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