OGH 6Ob2063/96t

OGH6Ob2063/96t4.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bauunternehmung I***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch DDr.Hubert Fuchshuber und Dr.Christian Fuchshuber, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Franz J*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr.Axel Fuith, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 7,427.115,82 S, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 5. Dezember 1995, GZ 1 R 1029/95y-121, womit der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20. Juni 1995, GZ 41 Cg 302/93t-116, "nicht Folge gegeben und das angefochtene Urteil mit der Maßgabe bestätigt wurde, daß der Beisatz und 5 % Zinseszinsen aus dem Spruch ausgeschieden wurde", in nichtöffentlicher zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.416,48 (darin S 406,08 USt und S 1.980,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin errichtete für die Lagerhalle des Beklagten einen Zubau. Gegen die auf Zahlung des Werklohns von 7,427.115,82 S gerichtete Klage wandte der Beklagte ua mangelnde Fälligkeit wegen Vorliegens von Mängeln ein. Im Berufungsverfahren des zweiten Rechtsganges war im wesentlichen nur mehr strittig, ob der Beklagte den Auftrag erteilt hatte, den Boden des Kellergeschoßes als "weiße Wanne" oder als "auftriebssichere wasserdichte Wanne" herzustellen.

Das Erstgericht gab der Klage im zweiten Rechtsgang statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 7,427.115,82 S samt 10,875 % Zinsen und 5 % Zinseszinsen seit 10.12.1991. Es stellte den auf den S 41 bis 101 des Urteils ON 116 ersichtlichen Sachverhalt fest, auf den verwiesen werden kann, weil es im Revisionsverfahren ausschließlich auf die Berechtigung des Zinseszinsenbegehrens ankommt. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß die Klägerin die festgestellten Mängel am 9.12.1991 behoben habe. Die Werklohnforderung sei daher ab 10.12.1991 fällig, sodaß der Klägerin ab diesem Zeitpunkt auch Zinsen zuzusprechen gewesen seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten "nicht Folge und bestätigte das erstinstanzliche Urteil mit der Maßgabe, daß der Beisatz und 5 % Zinseszinsen aus dem Spruch der Entscheidung ausgeschieden werde. Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und übernahm nach Erledigung der Beweisrüge die erstinstanzlichen Feststellungen. In Behandlung der Rechtsrüge führte es aus, daß diese in zweifacher Hinsicht nicht begründet sei. Ein Parteiwille zur Errichtung einer "weißen Wanne" sei aus dem Schreiben der Klägerin vom 17.10.1988 sowie aus den übrigen Urkunden nicht entnehmbar, wie bereits (bei der Behandlung der Beweisrüge) erörtert worden sei. Hinsichtlich der Nichtausführung der "weißen Wanne" habe der Beklagte einen unbehebbaren Mangel geltend gemacht, der eine Preisminderung rechtfertige. An das Begehren auf Preisminderung sei der Beklagte gebunden. Vom Recht auf Wandlung habe er keinen Gebrauch gemacht. Die Einrede nach § 1052 ABGB stelle ein Druckmittel zur Durchsetzung des Verbesserungsanspruchs dar. Wegen eines Preisminderungsanspruchs werde die Fälligkeit der Werklohnforderung nicht hinausgeschoben. Eine wirtschaftlich ins Gewicht fallende Wertminderung des Werkes liege nicht vor.

Zur "Maßgabebestätigung" vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß Zinsen für die Zeit vor der Klagezustellung nicht zuerkannt worden seien, sodaß auch für den Zuspruch von Zinseszinsen die Grundlage fehle. Bei der "Aufnahme" des ausgeschiedenen Zuspruchs handle es sich um ein offensichtliches Versehen (des Erstgerichtes).

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil in der Berufung, soweit eine Rechtsrüge gesetzmäßig ausgeführt worden sei, keine erheblichen Rechtsfragen aufgeworfen worden wären.

Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

In der Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, die Revision der Klägerin zurückzuweisen; hilfsweise wird beantragt, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

In der "Maßgabebestätigung" des Berufungsgerichtes ist keine in höherer Instanz angeordnete Urteilsberichtigung gemäß § 419 Abs 3 ZPO zu erblicken. Es handelt sich vielmehr um eine teilweise abändernde Sachentscheidung, mit der ein Teil des Zinsensbegehrens abgewiesen wurde. Zur Begründung, daß die Revision nicht jedenfalls unzulässig sei, bedarf es nicht des Hinweises auf die Entscheidung des verstärkten Senates vom 10.5.1995, 3 Ob 1013/95, JBl 1995, 662, weil hier der Entscheidungsgegenstand, über den das Berufungsgericht entschied, 50.000,-- S überstieg und die Revision daher auch dann nicht jedenfalls unzulässig ist, wenn sie sich nur gegen Abweisung des Zinsenbegehrens wendet (Fasching, ZPR2 Rz 1887). Es ist aber auch die Erheblichkeit der in der Revision aufgezeigten Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu bejahen:

Nach § 3 ZinsenG RGBl 1868/2 dürfen Zinsen von Zinsen gefordert werden:

a) wenn solche ausdrücklich bedungen wurden;

b) wenn fällige Zinsen eingeklagt werden von diesen vom Tage der Klagsbehändigung an. Nach dem Wortlaut der letztzit lit b und der Meinung des Berufungsgerichtes kommt der Zuspruch von Zinseszinsen nur dann in Frage, wenn die Fälligkeit der Zinsenforderung bereits vor Klagsbehändigung gegeben war. Der Gesetzgeber will Zinseszinsen für die Zeit vor Klagsbehändigung ausschließen. Ob damit der Zuspruch von Zinseszinsen (wenn keine Vereinbarung darüber vorliegt) ausgeschlossen ist, wenn die Fälligkeit der Forderung, der Verzug und damit der Anspruch auf Zinsen erst im Zuge des Prozesses eintreten, ist hier nicht zu untersuchen, weil das Berufungericht aus prozessualen Gründen den Zuspruch von Zinseszinsen nicht abändern durfte. Es hat die Teilabweisung ohne Rechtsausführungen in der Berufung des Beklagten vorgenommen. Es ist zwar herrschende Meinung, daß die rechtliche Beurteilung vom Gericht zweiter Instanz nach allen Richtungen zu prüfen ist, wenn der Berufungswerber den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend macht (MGA ZPO14 § 462/11). Die Überprüfung der materiellrechtlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung setzt also eine gehörig ausgeführte Rechtsrüge voraus (ÖBl 1990, 173 uva; Fasching IV 40). Der Revisionswerberin ist zuzustimmen, daß die Berufung des Beklagten (ON 117) den angeführten Rechtsmittelgrund nicht gesetzgemäß ausführte. Die Rechtsrüge ging nämlich nur von gewünschten, vom Erstgericht aber nicht getroffenen Feststellungen aus, sodaß auch unter diesem Berufungsgrund nur die erstinstanzliche Beweiswürdigung angefochten wurde. Mangels gehöriger Ausführung der Rechtsrüge durfte das Berufungsgericht daher den (allenfalls) verfehlten Zuspruch von Zinseszinsen nicht von amtswegen aufgreifen. Die Revision ist daher schon deshalb berechtigt. Daher ist nicht mehr näher zu untersuchen, ob es dem Berufungsgericht auch aus dem weiteren Grund verwehrt war, den Zinseszinsenzuspruch abzuändern, weil es sich dabei um einen von mehreren Ansprüchen der Klägerin handelt, der vom Beklagten nicht ausdrücklich bekämpft wurde. Nach ständiger Rechtsprechung kann das Gericht zweiter Instanz eine Rechtsfrage zu einem Anspruch von amtswegen nicht aufgreifen, wenn in der Berufung nur Rechtsfragen zu anderen Ansprüchen behandelt werden (SZ 65/23 mwN). Hier enthielt die Berufung des Beklagten (eine gesetzgemäße Ausführung der Rechtsrüge unterstellt) nur Ausführungen zum Hauptanspruch. Bei Berechtigung der Berufung in der Hauptsache wäre zwar auch der Zinsenzuspruch ohne Berufungsvorbringen dazu wegen des untrennbaren Konnexes des Nebenanspruchs mit dem Hauptanspruch zu beseitigen gewesen. Ob dies auch bei fehlendem Rechtsmittelerfolg in der Hauptsache gilt, ist durchaus zweifelhaft. Schließlich hängt der Zinsenanspruch als eigener (wenn auch Neben-)Anspruch vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ab, die den Grund des Anspruchs, dem Beginn des Zinsenlaufes und die Höhe der Zinsen bestimmen. Es könnte also durchaus die Auffassung vertreten werden, daß ein Rechtsmittelwerber, der in der Hauptsache mit seiner Rechtsrüge unterliegt, zur Abwehr eines gesetzwidrigen Zinsenzuspruchs Rechtsausführungen erstatten muß, weil ein amtswegiges Aufgreifen der Rechtsfrage bei Vorliegen mehrerer Ansprüche nicht in Frage kommt, wie dies schließlich auch für die Kostenfrage gilt. Es ist nicht zu bezweifeln, daß das Gericht zweiter Instanz eine falsche Kostenentscheidung des Erstgerichtes bei Nichtstattgebung der Berufung, die aber keine Ausführungen zum Kostenpunkt enthält, nicht von amtswegen abändern darf.

Da die Revision zutreffend rügt, daß das Berufungsgericht die Bindung an die geltend gemachten Rechtsmittelgründe verletzt hat, ist der Revision Folge zu geben und die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Da Revisionsgegenstand nur mehr der Zinsenzuspruch ist, sind die Rechtsvertretungskosten auf der Basis der Kostenbemessungsgrundlage nach § 12 RATG zu bestimmen (10.000,-- S). Für die Pauschalgebühr ist gemäß § 18 Abs 2 Z 4 GGG der zu errechnende Zinsenbetrag maßgebliche Bemessungsgrundlage. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Berufungsentscheidung an die Klägerin am 4.12.1995 betrug die Verzugszinsenforderung rund 3,230.000,-- S. Der Zinsenszinsenrückstand als Bemessungsgrundlage betrug also rund 161.500,-- S (entgegen den Revisionsausführungen ist nach dem Spruch der erstinstanzlichen Entscheidung keine Kapitalisierung der Verzugszinsen vorzunehmen). Demnach wäre eine wesentlich höhere Pauschalgebühr von der Klägerin zu entrichten gewesen, als sie verzeichnete. Ohne Verstoß gegen § 405 ZPO ist ihr jedoch nur die verzeichnete Gebühr von 1.980,-- S zuzusprechen.

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