OGH 13Os87/96 (13Os88/96)

OGH13Os87/96 (13Os88/96)3.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Juli 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Markel, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Fostel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erwin L***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22.Februar 1996, GZ 8 a Vr 8919/95-48, und die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig mit dem Urteil gemäß § 494 a StPO gefaßten Beschluß nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Presslauer, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Keller, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung und Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen unbekämpften Teilfreispruch enthaltenden) Urteil wurde Erwin L***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 4. August 1995 Elisabeth T***** (geboren 26.April 1989) und Daniela S***** (geboren 16.Jänner 1984; 1.), Anfang August 1995 Jasmin P***** (geboren 18.März 1990; 2.) sowie zu einem nicht näher festzustellenden Zeitpunkt ab 1993 bis Anfang August 1995 Jacqueline T***** (geboren 30.April 1987; 3.) an der Scheide betastete und solcherart die genannten Unmündigen zur Unzucht mißbrauchte.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Die Mängelrüge (Z 5) übergeht, daß das Gutachten des kinderpsychiatrischen Sachverständigen Univ-Prof.Dr.F***** zur Aussagefähigkeit und -tüchtigkeit der Tatopfer das Fehlen konkreter Hinweise für die (als Pseudologie umschriebene) Fähigkeit der Mädchen erbrachte, Erdachtes, Erfundenes oder Phantasiertes tatsächlich für wahr zu halten (S 258). Der diesbezügliche Ausspruch des Erstgerichtes ist somit durch das Gutachten gedeckt. Die Beschwerde vermengt bei Jasmin P***** konkrete Anhaltspunkte für eine Pseudologie mit einem vom Sachverständigen behandelten, dem Kindesalter des Mädchens entsprechenden Standard des Denkens sowie des Urteilsvermögens und die hiedurch eingeschränkte Aussagefähigkeit und -tüchtigkeit. Eine solche hat das Erstgericht ausdrücklich in seine Überlegungen einbezogen (US 7).

Weiters befaßten sich die Tatrichter auch unmittelbar mit dem Umstand, daß die maßgeblichen Anschuldigungen nicht vor der Polizei, sondern erst vor Gericht geäußert wurden und haben dies denklogisch mängelfrei (mit detaillierter Schilderung auf eine diesbezügliche Frage des Sachverständigen) begründet (US 8). Daher bestand schon unter Berücksichtigung des Gebotes zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) der Beschwerde (und der Stellungnahme gemäß § 35 Abs 2 StPO) zuwider kein Erfordernis, auch noch zusätzlich die auf diese Gegebenheit abgestellten (auch an Beispielen der Märchenwelt exemplifizierten) Bekundungen des Sachverständigen aus dem Vorverfahren und in der Hauptverhandlung (S 257) zu erörtern, welche diesbezüglich auf die Beweiswürdigungskompetenz des Gerichtes verwiesen.

Auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) versagt. Mit dem Einwand, die festgestellten Tathandlungen entsprächen mangels Überschreiten einer Erheblichkeitsschwelle nicht dem Unzuchtsbegriff, wird keine unrichtige rechtliche Beurteilung aufgezeigt. Bereits die Beschwerde führt zutreffend aus, daß eine dem gegenständlichen Verbrechenstatbestand entsprechende Unzucht im Sinne geschlechtlichen Mißbrauchs jedenfalls dann vorliegt, wenn zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige Körperpartien des Täters oder des Opfers mit dem Körper des (jeweils) anderen in einen sexual sinnbezogenen und nicht bloß flüchtigen Kontakt gebracht werden. Soweit die Judikatur flüchtige Berührungen zur Tatbestandsverwirklichung nicht genügen läßt, wird damit lediglich in verschiedenen Lebensbereichen anzutreffenden, immer wieder ungewollten Berührungskontakten zwischen Menschen Rechnung getragen, welche von so geringer Intensität und Dauer sind, daß darin eine Beziehung zum Geschlechtsleben oder doch eine einem geschlechtlichen Mißbrauch entsprechende Betätigung zum Nachteil der geschützten Sexualsphäre einer Person nicht zum Ausdruck kommt (vgl auch Mayerhofer/Rieder, StGB4, § 207 E 7 c und d). Eine Handlung ist jedenfalls dann unzüchtig, wenn ein Mädchen gezielt an der Scheide betastet wird, wobei es auch unerheblich bleibt, ob diese unmittelbare Einwirkung auf den Geschlechtsteil am unbekleideten Körper oder über der Unterwäsche stattfindet. Daß solche Vorgänge geschlechtliche Handlungen erheblicher Art darstellen, die in den Schutzbereich des Sexualstrafrechtes fallen, bedarf keiner weiteren Begründung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 207 Abs 1 StGB (unter Anrechnung der Vorhaft) zu zwanzig Monaten Freiheitsstrafe und nahm die Wiederholung der Unzuchtshandlungen an vier Unmündigen und eine speziell einschlägige Vorverurteilung als erschwerend, als mildernd hingegen die Begehung der Tat vor Vollendung des 21. Lebensjahres an. Zugleich widerrief es die bedingte Nachsicht der über den Angeklagten mit Urteil des Jugendgerichtes Wien vom 5. Februar 1993 zu 1 a Vr 178/93 wegen §§ 207 Abs 1; 15, 105 Abs 1 StGB verhängten Freiheitsstrafe von zwei Monaten.

Die gegen den Strafausspruch gerichtete, Herabsetzung der Freiheitsstrafe, in eventu Verhängung einer Geldstrafe und Anwendung der bedingten Strafnachsicht anstrebende Berufung ist ebenso unbegründet wie die gegen den Widerruf der bedingten Strafnachsicht gerichtete Beschwerde.

Die Berufung vermag lediglich vorzubringen, der Angeklagte habe sich der Zufügung eines größeren Schadens freiwillig enthalten. In welchen Umständen dies gelegen sein soll, vermag das Rechtsmittel nicht darzustellen. Darunter könnte lediglich das Unterlassen zusätzlicher strafbarer Handlungen verstanden werden, die eine strengere Sanktionierung des Angeklagten zur Folge gehabt hätten, deren Unterbleiben aber vorliegendenfalls nicht mildernd wirken kann. Im Hinblick auf den raschen Rückfall und den wiederholten Mißbrauch auch von Unmündigen im Vorschulalter kommt eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe nicht in Betracht. Spezifisch einschlägiger Rückfall nach Gewährung bedingter Strafnachsicht läßt auch keinen Raum für die Annahme, der Angeklagte werde sich nunmehr ohne Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe in Zukunft straffrei verhalten.

Dieser spezifische und rasche Rückfall gebietet in Anbetracht gehäufter Straffälligkeit den Vollzug der vom Jugendgerichtshof verhängten zweimonatigen Freiheitsstrafe zusätzlich zur nunmehr ausgesprochenen Strafe, sodaß auch die Beschwerde gegen den Widerruf der bedingten Strafnachsicht fehl schlägt.

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