OGH 7Ob614/95

OGH7Ob614/9526.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** S***** Andreas T***** KEG, ***** vertreten durch Dr.Helmut Weber, Rechtsanwalt in Liezen, wider die beklagten Parteien

1.) Mark T*****, Unternehmer, ***** vertreten durch Dr.Peter Schlosser und Dr.Christian Schoberl, Rechtsanwälte in Graz, und 2.) Wolfgang K*****, vertreten durch Dr.Peter Bartl und Mag.Anton Cuber, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 221.000,44 sA, infolge Rekurses der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 27.Juni 1995, GZ 5 R 62/95-23, mit dem das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 31.Jänner 1995, GZ 20 Cg 238/94y-13, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Die Firma T***** OHG wurde von den beiden Beklagten als persönlich haftenden Gesellschaftern mit Vertrag vom 28.10.1993 gegründet. Der Antrag auf Neueintragung ins Firmenbuch wurde am 5.11.1993 beim Landesgericht für ZRS Graz gestellt. Der am 24.3.1994 bei diesem Gericht eingelangte Antrag auf Änderung der Rechtsform der Gesellschaft seit 2.3.1994 in ein von Mark T***** (Erstbeklagter) als Einzelkaufmann betriebenes Unternehmen wurde am 31.3.1994 durch Eintragung in das Firmenbuch erledigt.

Die von der klagenden Partei wider die OHG zu 16 Cg 37/94k eingebrachte Klage langte am 18.2.1994 beim Landesgericht für ZRS Graz ein. Sie konnte jedoch samt der Aufforderung an die beklagte Gesellschaft eine Klagebeantwortung zu erstatten, zunächst nicht wirksam unter der Gesellschaftsadresse zugestellt werden, weil nach einer Mitteilung des Postamtes F***** vom 22.3.1994 erst nach einer am 18.3.1994 bereits erfolgten Hinterlegung bekannt wurde, daß der Empfänger die angegebene Abgabestelle nicht benützt und eine neue Anschrift unbekannt ist. Der von diesem Zustellanstand verständigte Klagevertreter beantragte daraufhin die neuerliche Zustellung der Klage wieder unter der Adresse des Firmensitzes. Letztlich wurde die Klage vom Erstbeklagten als Geschäftsführer der Gesellschaft unter der Adresse G*****K*****straße 33, am 15.4.1994 persönlich übernommen. Am 24.5.1994 erging gegen die OHG ein Versäumungsurteil, mit dem sie verpflichtet wurde, der Klägerin für Warenlieferungen in der Zeit vom 17.9.1993 bis 12.1.1994 einen Betrag von S 221.000,44 sA und die mit S 19.056 bestimmten Prozeßkosten zu ersetzen. Dieses Versäumungsurteil wurde dem Erstbeklagten am 26.5.1994 unter der zuvor erwähnten Adresse durch postamtliche Hinterlegung zugestellt.

Die Klägerin begehrte die zuvor erwähnten, gegenüber der OHG bereits ersiegten, Beträge von beiden Beklagten mit der Behauptung, die Einbringung der Judikatschuld sei bei der Gesellschaft aussichtslos. Sie stützte ihren Anspruch auf die Haftung der beiden Beklagten als Gesellschafter der Firma T***** T*****-K***** OHG. Auf die Einwendungen des Zweitbeklagten brachte sie vor, daß die zu 16 Cg 37/94k des LG für ZRS Graz geltend gemachten Forderungen aus einer Zeit stammten, zu der die OHG aufgrund des Gesellschaftsvertrages bereits tätig gewesen sei.

Der Erstbeklagte anerkannte das Klagebegehren hinsichtlich des Betrages von S 221.000,44 und bestritt lediglich das Begehren auf Ersatz der Prozeßkosten von S 19.056; im Umfang seines Anerkenntnisses erging ein Anerkenntnisurteil.

Der Zweitbeklagte beantragte die (gänzliche) Klagsabweisung und wendete ein, daß die der Klage zugrundeliegenden Warenlieferungen aus einem Zeitraum stammten, währenddessen die Gesellschaft noch gar nicht bestanden habe. Er hafte daher nicht für diese Warenschuld. Diese Einwendung stehe ihm trotz des rechtskräftig gegen die Gesellschaft ergangenen Versäumungsurteiles zu.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren gegenüber beiden Beklagten, soweit nicht bereits ein Anerkenntnisurteil ergangen war, statt. Es bejahte auch die Haftung des Zweitbeklagten hinsichtlich des Betrages von S 221.000,44, weil dieser im Zeitpunkt der Klagseinbringung im Vorprozeß noch als Gesellschafter der Gesellschaft angehört habe. Er müsse das Versäumungsurteil gegen die Gesellschaft gegen sich gelten lassen, auch wenn der Titel aus einer Zeit stamme, zu der er nicht mehr Gesellschafter gewesen sei. Maßgeblich sei der Zeitpunkt der Klagseinbringung und nicht jener der Fällung des Versäumungsurteils gegen die Gesellschaft.

Das Berufungsgericht wies mit einem in Rechtskraft erwachsenen Teilurteil das Begehren der Klägerin auf Bezahlung von S 19.056 hinsichtlich beider Beklagten ab und hob mit dem angefochtenen Beschluß das gegen den Zweitbeklagten ergangene Ersturteil hinsichtlich des restlichen Begehrens über S 221.000,44 auf. Es erklärte die Erhebung des Rekurses beim Obersten Gerichtshof gegen diesen Teil der Entscheidung für zulässig und vertrat die Ansicht, daß die den Gesellschafter treffende Bindungswirkung eines die Gesellschaft verurteilenden Erkenntnisses dann nicht gegeben sei, wenn der Gesellschafter vor der Zustellung der Klage an die OHG ausgeschieden sei. Im Gegensatz zu den Erwägungen der Entscheidung SZ 28/21, die auf den Zeitpunkt der Klagseinbringung abstelle, sei dies damit zu begründen, daß dem ausgeschiedenen Gesellschafter jede Einflußmöglichkeit auf die Prozeßführung nach seinem Ausscheiden fehle. Stelle man aber darauf ab, so komme es nicht auf die Gerichtsanhängigkeit der Klage gegen die Gesellschaft, die letztlich zu deren Verurteilung führe, sondern auf den Zeitpunkt der Streitanhängigkeit, sohin den Zeitpunkt der Zustellung der Klage an die Gesellschaft an. Habe der ausgeschiedene Gesellschafter zu diesem Zeitpunkt aber keine Einflußmöglichkeit mehr auf die Prozeßführung gehabt, bzw von einer solchen gar nichts gewußt, könne ihn auch nicht die Bindungswirkung des verurteilenden Erkenntnisses treffen. Im vorliegenden Fall sei die maßgebliche Firmenbucheintragung über das Ausscheiden des Zweitbeklagten am 31.3.1994 erfolgt, zu diesem Zeitpunkt sei aber die Klage zu 16 Cg 37/94k des Landesgerichtes für ZRS Graz noch gar nicht der Gesellschaft zugestellt worden, weil deren ursprüngliche Zustellung durch Hinterlegung am 18.3.1994 gesetzwidrig gewesen sei. Im Zeitpunkt der gesetzmäßig erfolgten Zustellung am 15.4.1994 sei der Zweitbeklagte nicht mehr Gesellschafter der beklagten OHG gewesen. Dem Zweitbeklagten stünden daher nicht nur seine eigenen persönlichen Einwendungen gegen den Klagsanspruch, sondern auch die von der Gesellschaft im Vorprozeß nicht erhobenen gegen den dort geltend gemachten Anspruch zu. Hiezu fehlten jedoch Feststellungen. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren die Aufnahme der für die Behauptung des Zweitbeklagten, daß die der Klage zugrundeliegenden Warenlieferungen aus einer Zeit stammten, zu der die Gesellschaft noch nicht gegründet gewesen sei, angebotenen Beweise aufzunehmen und auf ihre Ergänzung zu dringen haben, um dann daraus Feststellungen treffen zu können.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung vom Zweitbeklagten erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Vorwurf des Rekurswerbers, das Rekursgericht habe übersehen, daß die klagende Partei die Haftung ihm gegenüber allein auf die bindende Wirkung des die Gesellschaft verurteilenden Erkenntnisses gegründet habe und daß die Aufhebung des Ersturteiles nur zur Erhebung eines Sachverhaltes erfolge, den die klagende Partei gar nicht behauptet habe, erfolgt zu Unrecht, weil die klagende Partei in der Tagsatzung vom 19.1.1995 in Erwiderung auf die Einwendungen des Zweitbeklagten vorbrachte, daß, von dessen Haftung aus dem Versäumungsurteil vom 24.5.1994 zu 16 Cg 37/94k des Landesgerichtes für ZRS Graz abgesehen, die geltend gemachten Forderungen aus einer Zeit, zu der die OHG aufgrund des Gesellschaftsvertrages bereits tätig geworden sei, stammten (AS 31 in ON 12). Auf dieses Vorbringen hat der Rekurswerber in seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ausdrücklich hingewiesen (vgl AS 59 in der ON 15).

Geht man von der auch von der klagenden Partei nicht in Zweifel gezogenen Beurteilung aus, daß die erstmalige Hinterlegung der Klage zu 16 Cg 37/94k des Landesgerichtes für ZRS Graz am 18.3.1994 unter der Adresse F*****, T*****hofstraße 33, zufolge Nichtbenützung der Abgabestelle durch den Adressaten gesetzwidrig war und daß die Zustellung dieser Klage erst am 15.4.1994 rechtswirksam erfolgt ist, so erweist sich die Beurteilung der weiteren Rechtsfragen durch das Berufungsgericht als zutreffend. Richtig ist, daß in der Entscheidung SZ 28/21 die Ansicht vertreten wird, daß gegen den vom Gesellschaftsgläubiger in Anspruch genommenen Gesellschafter, der im Zeitpunkt der Einbringung dieser Klage aus der Gesellschaft bereits ausgeschieden war, das gegen die Gesellschaft ergangene Urteil nicht wirke, sondern daß dieser lediglich als Solidarschuldner hinsichtlich der vor seinem Ausscheiden entstandenen Gesellschaftsschulden hafte. Diese Ansicht wird von Koppensteiner in Straube HGB2 § 129 Rz 11 unter Berufung auf Kastner-Doralt-Novotny Grundriß5, 114, Baumbach-Duden-Hopt, HGB27, 466 Anm 8.C zu § 128 HGB, Schleglberger HGB5 § 129 Rz 15, Heymann-Emmerich HGB II § 128 Rz 54, Schleglberger HGB5 § 129 Rz 15 sowie Fischer in Großkommentar3 § 129 Anm 6 mwN nicht im Ergebnis, wohl aber in der Begründung damit kritisiert, daß besser darauf abgestellt werden solle, daß dem ausgeschiedenen Gesellschafter ab seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft jede Einflußmöglichkeit auf die Prozeßführung der Gesellschaft fehlt und daher die Bindungswirkung nicht eintreten könne. Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Senat allein schon aus Erwägungen im Zusammenhang mit Art 6 Abs 1 MRK an.

Die Wirkungen der Gerichtsanhängigkeit beschränken sich auf die Bestimmung der Zuständigkeit, auf den maßgeblichen Zeitpunkt für Berechnung des Wertes des Streitgegenstandes und auf die Wahrung von Präklusivfristen sowie auf die Unterbrechung ihres Ablaufes. Hingegen wird das Prozeßrechtsverhältnis mit dem belangten Beklagten erst durch die Streitanhängigkeit, das heißt mit der gesetzmäßig vollzogenen Zustellung der Klage begründet. Erst damit wird die dadurch angesprochene Person Partei, erst damit entfaltet sich die prozeßrechtliche Wirkung der Klage gegen sie, eine Rückwirkung der Klagsfolgen auf den Zeitpunkt der Gerichtsanhängigkeit findet nur im vorzitierten Ausmaß statt (vgl Rechberger in Rechberger ZPO § 233 Rz 1 ff und 4 ff). Unter die letzterwähnten Wirkungen fällt aber nicht das Recht des ausgeschiedenen Gesellschafters, seine eigenen Einwendungen gegen die geltend gemachte Gesellschaft schuldunabhängig vom Verhalten der OHG gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger geltend zu machen.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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