Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie wie folgt zu lauten haben:
"Die Beklagte ist schuldig, es ab sofort zu unterlassen, die in den Ausgaben der Zeitschrift 'N*****' Nummer 20/95 und Nummer 24/95 wiedergegebenen Bildnisse des Klägers ohne dessen vorher eingeholte Zustimmung im Zusammenhang mit Berichten zu veröffentlichen, in denen der Kläger einer strafbaren Handlung verdächtigt wird.
Das Mehrbegehren, der Beklagten die Veröffentlichung von Bildnissen des Klägers auch dann zu untersagen, wenn kein Zusammenhang zu Berichten besteht, in denen er einer strafbaren Handlung verdächtigt wird, wird abgewiesen.
Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben."
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist Verlegerin der Zeitschrift "N*****". In den Ausgaben dieser Zeitschrift Nummer 20/95 vom 18.5.1995 und Nummer 24/95 vom 14.6.1995 wurden Photos des Klägers veröffentlicht, die ohne dessen Wissen und Zustimmung am 12.5.1995 von einem Photographen der Beklagten aufgenommen worden waren. Im Begleittext wurde der Kläger einer strafbaren Handlung verdächtigt. Über die ihm vorgeworfene Straftat hat bisher keine Hauptverhandlung stattgefunden.
Der Kläger begehrt, der Beklagten zu verbieten, die in der Ausgabe "N*****" Nummer 20/95 und Nummer 24/95 wiedergegebenen Bildnisse des Klägers ohne dessen vorher eingeholte Zustimmung zu veröffentlichen. Der Kläger beantragt weiters, das Urteil binnen 14 Tagen auf Kosten der Beklagten in der dem Urteil innerhalb dieser bestimmten Frist folgenden nächsten Ausgabe von "N*****" zu veröffentlichen.
Die Bildnisveröffentlichung verletze berechtigte Interessen des Klägers. Sein Interesse, nicht bildlich "angeprangert" zu werden, gehe dem Informationsinteresse der Beklagten vor. Es sei notwendig, die Öffentlichkeit über den Gesetzesverstoß aufzuklären.
Die Beklagte brachte keine Klagebeantwortung ein; der Kläger beantragte ein Versäumungsurteil.
Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren mit Versäumungsurteil statt; über den Antrag auf Urteilsveröffentlichung entschied es nicht.
Das Berufungsgericht änderte das Versäumungsurteil dahin ab, daß es der Beklagten verbot, die in der Ausgabe "N*****" Nummer 20/95 und Nummer 24/95 wiedergegebenen Bildnisse des Klägers, insbesondere im Zusammenhang mit Berichten über ein Strafverfahren gegen ihn wegen Anstiftung zur verbotenen Intervention, ohne dessen vorher eingeholte Zustimmung zu veröffentlichen. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Im Begleittext werde der Kläger der versuchten Korruption beschuldigt. Dadurch würden seine Interessen verletzt. Die Bildnisveröffentlichung habe keinen zusätzlichen Informationswert. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sei nicht höher zu bewerten als das Interesse des Abgebildeten am Unterbleiben der Veröffentlichung.
Das Unterlassungsgebot habe sich am konkreten Gesetzesverstoß zu orientieren. Der Beklagten sei daher nur eine Veröffentlichung im Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen den Kläger zu untersagen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichtes von der Rechtsprechung zur Fassung eines Unterlassungsgebotes abweicht; sie ist auch teilweise berechtigt.
Die Beklagte verweist darauf, daß das Gericht bei Säumnis einer Partei an das tatsächliche Vorbringen des Erschienenen gebunden ist. Das Tatsachenvorbringen des Klägers reiche nicht aus, um prüfen zu können, ob berechtigte Interessen im Sinne des § 78 UrhG verletzt sind. Das Berufungsgericht gehe ohne entsprechendes Vorbringen von Umständen aus, die in der Klage keine Deckung fänden. Die von ihm gewählte Fassung des Spruches schränke diesen nicht ein, sondern verdeutliche ihn bloß.
Das Erstgericht hat auf Antrag des Klägers ein Versäumungsurteil gefällt, weil die Beklagte innerhalb der ihr gesetzten Frist keine Klagebeantwortung eingebracht hat. Damit das Gericht ein Versäumungsurteil nach § 398 ZPO fällen kann, muß es dieselben Prüfungen vornehmen wie bei einer Säumnis nach § 396 ZPO (Rechberger in Rechberger, ZPO § 398 Rz 3). Das Vorbringen der nicht erschienenen Partei bleibt gänzlich außer Betracht; das streiterhebliche Tatsachenvorbringen der erschienenen Partei ist für wahr zu halten. Damit ist jede Beweisaufnahme ausgeschlossen (Rechberger aaO vor § 396 Rz 2; §§ 396, 397 Rz 2 mwN).
Der Kläger hat vorgebracht, im Begleittext zu den gegen seinen Willen aufgenommenen Photos einer strafbaren Handlung verdächtigt zu werden. Er werde damit einer strafbaren Handlung beschuldigt, obwohl noch gar keine Hauptverhandlung stattgefunden habe. Die Veröffentlichung seines Bildnisses verletze seine berechtigten Interessen, weil er in den "Mittelpunkt des Verdachtes" gerückt und "als der Begehung der Tat besonders verdächtig" hingestellt werde.
Dieses Vorbringen enthält Tatsachenbehauptun- gen, die ausreichen, um beurteilen zu können, ob ein Verstoß gegen § 78 UrhG vorliegt. Daß der Kläger nicht vorgebracht hat, welcher Tat er verdächtigt wurde, schadet nicht. Aus dem Verdacht, eine strafbare Handlung begangen zu haben, folgt die Verletzung berechtigter Interessen, wenn, wie hier, noch gar keine Hauptverhandlung und damit auch keine Verurteilung stattgefunden hat. So lange der Kläger noch nicht rechtskräftig wegen der ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen verurteilt ist, wird vermutet, daß er unschuldig ist (Art 6 Abs 2 MRK). Bei dieser Sachlage hat aber das Interesse des der strafbaren Handlung Bezichtigten, nicht vorzeitig "an den Pranger gestellt" zu werden, Vorrang vor dem Interesse der Beklagten, ihren Bericht mit einem Lichtbild auszuschmücken (MR 1995, 145 - Wunderarzt).
Berechtigt sind aber die Einwendungen der Beklagten gegen die Fassung des Urteilsspruches. Ein auf § 78 UrhG gestützte Unterlassungsgebot ist eng zu fassen und auf die konkrete Behauptung oder Bezeichnung oder Bezeichnungen gleichen Inhaltes im Begleittext zu beschränken (ÖBl 1992, 87 - Lästige Witwe; MR 1995, 145 - Wunderarzt; s auch ÖBl 1991, 105 - Hundertwasser-Pickerln II mwN). Werden in einem Urteilsspruch Beispielsfälle unter "insbesondere" angeführt, so wird das Unterlassungsgebot dadurch nur verdeutlicht, nicht aber eingeschränkt (WBl 1988, 123; s auch MR 1995, 145 - Wunderarzt).
Das Berufungsgericht hat dem Spruch eine Fassung gegeben, die einerseits zu weit ist, weil der Beklagten ohne Einschränkung verboten wird, die bereits veröffentlichten Bildnisse des Klägers wieder zu veröffentlichen; andrerseits hat das Berufungsgericht einen Sachverhalt in den Spruch aufgenommen, der weder behauptet noch festgestellt wurde. Im Akt befinden sich zwar die beiden "N*****"-Ausgaben. In der Klage wird aber nicht vorgebracht, welcher strafbaren Handlung der Kläger im Begleittext bezichtigt wird; aus der Klage geht nicht einmal hervor, daß die Zeitschriften mit der Klage vorgelegt wurden. Im Spruch kann nur das wegen der Säumnis der Beklagten für wahr zu haltende Vorbringen des Klägers berücksichtigt werden. Danach war der Beklagten zu verbieten, Bildnisse des Klägers im Zusammenhang mit Berichten zu veröffentlichen, in denen er einer strafbaren Handlung verdächtigt wird.
Der Revision war teilweise Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 43, 50 ZPO. Der Kläger hat ein uneingeschränktes Veröffentlichungsverbot begehrt, aber nur ein auf Bildnisveröffentlichungen im Zusammenhang mit bestimmten Berichten eingeschränktes Verbot zugesprochen erhalten. In einem solchen Fall sind Obsiegen und Unterliegen mangels anderer Anhaltspunkte gleich zu bewerten, so daß die Kosten gegeneinander aufzuheben sind.
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