OGH 14Os83/96

OGH14Os83/9618.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Juni 1996 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner und Dr.E.Adamovic als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Waldner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mustafa G***** und andere Beschuldigte wegen des Vergehens der gerichtlich strafbaren Schlepperei nach § 81 Abs 2 FrG, AZ Vr 981/95 des Landesgerichtes Eisenstadt, über die Grundrechtsbeschwerde des Hayri T***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 16.April 1996, AZ 23 Bs 147,148/96 (= ON 194) in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Hayri T***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

Dem Bund wird der Ersatz der Beschwerdekosten an den Beschwerdeführer in der Höhe von 9.600 S (darin enthalten 1.600 S an Umsatzsteuer) auferlegt.

Text

Gründe:

Über den türkischen Staatsangehörigen Hayri T***** wurde nach seiner Festnahme am 12.März 1996 am 14.März 1996 wegen des Verdachtes des Vergehens der gerichtlich strafbaren Schlepperei nach § 81 Abs 2 FrG die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a StPO verhängt (ON 91).

Darnach wird ihm angelastet, als Mitglied einer organisierten Schlepperbande, insbesondere mit dem abgesondert in Deutschland verfolgten Cebrail K***** und mit Oruc D*****, am 20.Februar 1996 in Braunau gewerbsmäßig vier Personen von Österreich nach Deutschland geschleppt zu haben.

Mit Beschluß vom 26.März 1996 (ON 132) wurde die Fortsetzung der Untersuchungshaft bis längstens 26.April 1996 angeordnet, wobei dem Beschuldigten zusätzlich die gemeinsam mit K***** begangene Schlepperei einer noch auszumittelnden Anzahl weiterer Personen von Österreich nach Deutschland zur Last gelegt wurde.

Das Oberlandesgericht Wien gab den Beschwerden des Beschuldigten gegen die beiden Beschlüsse vom 14. und 26.März 1996 mit Beschluß vom 16. April 1996 nicht Folge. Dabei nahm es unter Verneinung des Haftgrundes der Fluchtgefahr neben dem Haftgrund der Verdunkelungsgefahr auch jenen der Tatbegehungsgefahr, wenngleich nicht mehr nach Z 3 lit a, sondern nach Z 3 lit b des § 180 Abs 2 StPO an und setzte das Ende der Haftfrist mit 16.Juni 1996 fest (ON 194).

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Beschluß erhobene Grundrechtsbeschwerde bestreitet sowohl den dringenden Tatverdacht als auch das Vorliegen von Haftgründen.

Vorauszuschicken ist, daß die dem Beschwerdeführer angelastete, von ihm zur Gänze in Abrede gestellte Mitwirkung an der Schlepperei vom 20. Februar 1996 nur unter der Voraussetzung einer ihm dabei vorwerfbaren gewerbsmäßigen Begehung iSd § 70 StGB gerichtlich strafbar wäre (§ 81 Abs 2 FrG), ohne diese aber bloß als Verwaltungsübertretung nach § 80 Abs 2 FrG geahndet werden könnte. Demgemäß kommt es bei der gegebenen Sachlage selbst unter der Annahme der Täterschaft des Beshculdigten entscheidend darauf an, ob die Verfahrensergebnisse auch den für eine gewerbsmäßige Begehungsweise erforderlichen dringenden Verdacht zu indizieren vermögen.

Das Oberlandesgericht stützte die Dringlichkeit des Tatverdachtes der Mitwirkung des Beschwerdeführers an der Schlepperei vom 20.Februar 1996 auf die Angaben der Mitverdächtigen Cebrail K***** und Oruc D*****. Daß der Beschuldigte dafür ein Entgelt erhielt, leitete es aus der Aussage des Zeugen Kazim D*****, eines der Geschleppten, ab, demzufolge 3.000 DM an den Fahrer des grünen PKW (nach Ansicht des Oberlandesgerichtes demnach an T*****) übergeben worden seien.

Soweit die Beschwerde, die die Mitwirkung des Beschuldigten an der Schlepperei vom 20.Februar 1996 nicht ausdrücklich bekämpft, die Dringlichkeit des Verdachtes in Zweifel zieht, er habe hiefür ein Entgelt (als Voraussetzung der im angefochtenen Beschluß nicht näher begründeten Gewerbsmäßigkeit aber auch des tatbestandsimmanenten Bereicherungsvorsatzes) erhalten, kann ihr Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Denn unvorgreiflich einer abschließenden Würdigung der Verfahrensergebnisse durch das erkennende Gericht vermag die Aussage des Zeugen Kazim D***** allein den dringenden Verdacht, der Beschwerdeführer habe an der in Rede stehenden Schlepperei (um seines Vorteiles willen und) gewerbsmäßig mitgewirkt, nicht zu begründen. Dieser Annahme stehen nicht nur die Depositionen des Oruc D***** entgegen, wonach nur K***** Geld, nämlich 1.500 DM in Form von drei 500 DM-Scheinen, erhalten hatte (S 63/IX), und womit der Umstand, daß die deutschen Zollbehörden, die K***** und T***** unmittelbar nach Ergreifung der geschleppten Personen festgenommen hatten, zwar bei K***** drei 500 DM-Scheine, beim Beschwerdeführer aber außer 743,30 S nur 7,60 DM vorgefunden hatten (S 517/III), sinnfällig übereinstimmt. Auch die Aussage des Kazim D***** selbst ist, worauf die Beschwerde zutreffend hinweist, mit einem inneren Widerspruch insofern behaftet, als dieser Zeuge im Einklang mit seinen Begleiterinnen Sibel D***** (S 87/IX) und Oya C***** (S 95/IX) angegeben hatte, ihr ganzes Geld, nämlich 5.000 DM bereits für den Transport nach Österreich ausgegeben zu haben (S 77/IX, 485/III). Hiezu kommt, daß selbst der den Beschwerdeführer massiv belastende Cebrail K***** bekundete, dieser habe nur "aus Freundschaft den Weg gezeigt" und hiefür kein Geld erhalten (S 41/IX). Daß aber der Beschuldigte, wie einer der Hauptverdächtigen erklärte, Cebrail K***** "schon mehrmals bei Schleppungen von Türken und Kurden von Ungarn nach Österreich bzw von Österreich nach Deutschland behilflich war" (S 183/V), reicht abgesehen davon, daß das Oberlandesgericht sich darauf zur Begründung der Gewerbsmäßigkeit gar nicht berufen hat, mangels jeglicher Konkretisierung weder für den (einfachen) Verdacht weiterer Tatbegehungen der gerichtlich strafbaren Schlepperei, noch für die Annahme einer höhergradigen Wahrscheinlichkeit des Verdachtes hin, T***** habe am 20.Februar 1996 gewerbsmäßig gehandelt.

Mangels eines für die Verhängung der Untersuchungshaft erforderlichen dringenden Verdachtes der Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung (§ 180 Abs 1 StPO) hat der in Beschwerde gezogene Beschluß Hayri T***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt (§ 2 Abs 1 GRBG).

Da der Beschwerdeführer nach Ablauf der vom Oberlandesgericht festgesetzten Haftfrist am 17.Juni 1996 enthaftet worden ist, erübrigt sich sowohl die Kassierung des angefochtenen Beschlusses als auch eine dem § 7 Abs 2 GRBG entsprechende Anordnung an die Gerichte erster und zweiter Instanz.

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht des Bundes gründet sich auf § 8 GRBG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministeriums für Justiz BGBl 1993/35).

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