OGH 9ObA2075/96d

OGH9ObA2075/96d12.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Oskar Harter und Franz Murmann als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Klaus G*****, Vertragsbediensteter, ***** vertreten durch Wilhelm, Klauser & Prändl, Rechtsanwälte OEG, wider die Beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei Republik Österreich (Bundesministerium für Landesverteidigung), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Herausgabe (S 200.000), Abgabe einer Willenserklärung (S 450.000), Unterlassung (S 200.000) und Feststellung (S 500.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.Dezember 1995, GZ 8 Ra 122/95-13, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 29.Juni 1995, GZ 6 Cga 107/95p-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

19.725 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Vertragsbediensteter im österreichischen Bundesheer. Als solcher war er als Militärpilot in einem Jagdbombergeschwader eingesetzt. Aufgrund eines Flugunfalls am 3.3.1995, bei dem das zweite Flugzeug im Verband abstürzte und dessen Pilot und der Bordtechniker tödlich verunglückten, wurde dem Kläger untersagt, weiterhin Militärflugzeuge zu fliegen und ihm der Militärflugzeugführerschein (kurz MFS) vorläufig entzogen. Die mit der Verwendung als Pilot verbundenen Zulagen wurden eingestellt. Der Antrag des Klägers auf Verlängerung seines Berufspilotenscheins fand aufgrund eines Einwandes des BMfLV keine positive Erledigung.

Zur Sicherung seiner gleichlautenden Klagebegehren beantragte der Kläger die Erlassung folgender einstweiliger Verfügung:

I) Der beklagten Partei werde aufgetragen, binnen 14 Tagen

1. dem Kläger seinen Militärflugzeugführerschein wieder auszufolgen und

2. den gegenüber der Austro Control Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mbH (ACG) erhobenen Einwand, den sie zum Antrag des Klägers vom 19.3.1995 um "Verlängerung" (richtig: Neuausstellung) seines Berufspilotenscheins erhoben hat, zurückzuziehen.

II) Der beklagten Partei werde bei Zwangsfolge verboten, zu dem am 29.5.1995 bei der ACG gestellten Antrag sowie für den Fall eines neuerlichen Antrags auf Neuausstellung eines Berufspilotenscheins unter Berufung auf den Militärflugzeugführerschein "ohne weiteres Ermittlungsverfahren", einen Einwand gemäß § 30 Abs 2 LFG zu erheben.

III) Es werde festgestellt,

1. daß die von der beklagten Partei verfügte Abberufung des Klägers von seiner bisherigen Verwendung (Funktion) als Militärpilot des Jagdbombergeschwaders Hörsching nichtig sei;

2. daß dem Kläger gegenüber der beklagten Partei ein Anspruch auf seine bisherige Verwendung (Funktion) als Militärpilot des Jagdbombergeschwaders in Hörsching zustehe.

3. Der beklagten Partei werde geboten, den Kläger in allen dienst- und besoldungsrechtlichen Belangen weiterhin als Militärpilot des Jagdbombergeschwaders in Hörsching zu behandeln.

Dazu brachte der Kläger vor, daß es ein im Dienstvertrag nicht ausdrücklich erwähnter Bestandteil des Dienstverhältnisses sei, daß er als Militärpilot verwendet werde und zusätzlich zum Grundgehalt (Ic) die Fliegerzulage erhalte. Der MFS sei ihm "vorläufig" entzogen worden, weil nach Ansicht des Kommandos Fliegerdivision "begründete Zweifel am Vorliegen der Verläßlichkeit und fachlichen Befähigung" vorgelegen seien. Die im Zusammenhang mit dem Flugunfall vom 3.3.1995 erhobenen Vorwürfe seien jedoch unberechtigt. Überdies habe das BMfLV gegen die beantragte "Umschreibung" des MFS in einen zivilen Berufspilotenschein ohne Begründung Einwand erhoben. Entgegen der Ansicht der beklagten Partei seien beim Kläger die Erfordernisse der "Verläßlichkeit" und der "fachlichen Befähigung" weiterhin gegeben. Am Absturz des Bundesheerflugzeuges treffe ihn kein Verschulden.

Da der Erwerb eines zivilen Pilotenscheins ohne Begünstigung der "Umschreibung" gemäß § 30 Abs 2 FLG für ihn zu aufwendig und zu teuer sei, sei er darauf angewiesen, daß er seinen MFS wieder erlange und die beklagte Partei keinen Einwand gemäß § 30 Abs 2 LFG erhebe. Wenn der Kläger den Abschluß der anhängigen Verfahren bei der beklagten Partei und der ACG (als Zivilluftfahrtbehörde) abwarten müßte, wäre es ihm zufolge Zeitablaufes nicht mehr möglich, den MFS zu erhalten bzw in der Folge einen zivilen Berufspilotenschein "ohne weiteres Ermittlungsverfahren" zu erlangen. Die einstweilige Verfügung sei daher erforderlich, um einen drohenden unwiederbringlichen Schaden abzuwenden. Mit dem Entzug der Fliegerzulage habe er auch nahezu die Hälfte seines monatlichen Bruttogehalts verloren. Durch dieses Verhalten habe die beklagte Partei gegen die allgemeine privatrechtliche Verpflichtung zur Vertragstreue im allgemeinen und ihre arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht im besonderen verstoßen.

Die beklagte Partei beantragte, den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung zurück- bzw abzuweisen. Für die geltend gemachten Begehren sei der Rechtsweg nicht zulässig. Da der Kläger bereits vorher in den Luftraum über Slowenien geraten sei und einen Flugunfall mit zwei Toten durch gravierendes Fehlverhalten verursacht habe, sei das BMfLV gesetzlich verpflichtet gewesen, ihm das Fliegen mit Militärflugzeugen bis zum Vorliegen des Untersuchungsergebnisses zu verbieten. Dabei und bei der Stellungnahme gegenüber der ACG handle es sich um Akte der Hoheitsverwaltung. Es liege allein im Interesse der Landesverteidigung, wer Militärflugzeuge fliegen dürfe. Der Kläger sei als Vertragsbediensteter des "Fachdienstes" im Bereich der allgemeinen Verwaltung eingestuft. Hinsichtlich seiner Verwendung könne der Kläger keinerlei Ansprüche aus dem Dienstvertrag ableiten.

Das Erstgericht wies die zu Punkt I) 1, 2 und II) erhobenen Sicherungsbegehren wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück und wies die zu Punkt III) erhobenen Begehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß ein MFS gemäß § 3 Militärluftfahrt-Personalverordnung (MLPV) lediglich eine von staatlicher Seite gewährte Ermächtigung sei, die den Träger berechtige, Flugzeuge des Jagdbombengeschwaders zu fliegen. Ein privatrechtlicher Anspruch auf Herausgabe dieser Ermächtigung stehe dem Kläger nicht zu. Auch der Einwand des BMfLV gegen die Verlängerung bzw Neuausstellung des Berufspilotenscheins sei eine Maßnahme der Hoheitsverwaltung. Die Möglichkeit des Bundesministeriums gemäß § 30 Abs 2 Luftfahrtgesetz (LFG), Einwendungen zu erheben, diene ausschließlich öffentlichen Interessen. Eine einstweilige Verfügung, mit welcher in die Befugnisse eines Bundesministeriums als Verwaltungsbehörde eingegriffen würde, stehe im Widerspruch zu Art 94 B-VG.

Hinsichtlich der Anträge zur Sicherung ihrer Feststellungsbegehren fehle es von vornherein an der Zulässigkeit einer einstweiligen Verfügung. Die beklagte Partei könne weder verpflichtet werden, den Kläger wie begehrt zu verwenden, noch könnten in diesem Zusammenhang andere provisorische Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden. Überdies fehle es an der Voraussetzung des § 381 Z 2 EO. Dem Kläger sei durch die Kürzung des Gehalts zwar ein Schaden entstanden, doch sei eine Zahlungsunfähigkeit der beklagten Partei nicht zu erwarten.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes jeweils S 50.000 übersteige und der Rekurs gegen die Bestätigung der Zurückweisung zulässig und im Umfang der Abweisung unzulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß zwischen den Ansprüchen des Klägers aus seinem Dienstverhältnis und dem Vorgehen der beklagten Partei als Militärluftfahrtbehörde zu unterscheiden sei. Aus dem vom Kläger vorgelegten Dienstvertrag ergebe sich kein Anspruch des Klägers auf Verwendung als Militärpilot; als Beschäftigungsart sei lediglich "Fachdienst" vereinbart. Die Ausstellung von MLF-Personalausweisen falle in die Zuständigkeit des BMfLV als Militärluftfahrtbehörde. Nur derjenige, der einen Militärluftfahrerschein besitze, dürfe als Militärluftfahrer verwendet werden. Gemäß § 3 Abs 7 MLPV sei der Militärluftfahrt-Personlausweis bei begründeten Zweifeln am Vorliegen der Verläßlichkeit oder an der fachlichen Befähigung zu entziehen. In die Zuständigkeit des BMfLV als Militärluftfahrtbehörde falle weiters die Mitwirkung bei Verwaltungsakten anderer Behörden gemäß § 30 Abs 2 LFG. Die Erfüllung dieser gesetzlichen Aufgaben geschehe in Vollziehung der Gesetze, sohin im Rahmen der Hoheitsverwaltung (Schragel/Loebenstein/Kaniak, AHG2 258 f mwN). Daran könne auch das zufällige Zusammenfallen von Dienstgeber und Militärluftfahrtbehörde in einem Rechtsträger nichts ändern.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß den Sicherungsanträgen Folge gegeben werde; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig (§ 402 Abs 1 EO), aber nicht berechtigt.

Den Ausführungen des Klägers, er stütze sein Begehren auf einen Privatrechtstitel und die begehrten Maßnahmen hätten keinen Einfluß auf die Zuständigkeit und Tätigkeit der Behörde, ist entgegenzuhalten:

Richtig ist, daß bei Prüfung der Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs die Natur des geltend gemachten Anspruches zu prüfen ist. Entgegen der Ansicht des Klägers erhebt er aber nur scheinbar einen privatrechtlichen Anspruch; er begehrt vielmehr ein Tätigwerden der beklagten Partei, das den Agenden der Heeresverwaltung zuzuordnen ist (vgl EvBl 1962/40; EvBl 1963/289 ua). Unbestritten erfolgt die Erfüllung der dem Bundesheer übertragenen gesetzlichen Aufgaben im Rahmen der Hoheitsverwaltung (JBl 1988, 594 mwH). Der im Sinne des § 56 Abs 2 LFG ausgestellte Militärluftfahrt-Personalausweis (vgl Geusau, Die Erlaubnis zur Benutzung von Militärluftfahrzeugen, ZVR 1962 173 ff) ist dem Inhaber gemäß § 3 Abs 7 MLPV zu entziehen, wenn begründete Zweifel am Vorliegen der Verläßlichkeit, der körperlichen und geistigen Eignung oder an der fachlichen Befähigung bestehen und das in Zweifel gezogene Erfordernis ist zu überprüfen. Dabei wird das BMfLV ebenso als Militärluftfahrtbehörde tätig wie bei der Stellungnahme gemäß § 30 Abs 2 LFG, die vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (nunmehr Austro Control GmbH, die hier als beliehenes Unternehmen auch hoheitliche Aufgaben zu erfüllen hat) von Amts wegen einzuholen ist (vgl Halbmayer/Wiesenwasser, Das österreichische Luftfahrtrecht § 30 LFG Erl 7 ff, § 123 Anm 3; auch VfGH B 1396, 1397/95-7).

Ist aber ein einheitlicher Vorgang seinem Wesen nach hoheitlicher Natur, werden zudem alle damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt angesehen; der gesamte Tätigkeitsbereich, der sich auf die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben bezieht, ist auch dann einheitlich als hoheitlich zu beurteilen, wenn Teile der Aufgabe in einer Weise erfüllt werden, die für sich allein nach ihrer äußeren Erscheinungsform von jedermann (etwa auch vom Dienstgeber) vorgenommen werden können. Entscheidend bleibt der enge innere und äußere Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe (vgl Schragel, Komm z AHG2 § 1 Rz 61 mwH; SZ 60/156; SZ 63/25; ecolex 1990, 607; 9 ObA 81/95 ua).

Daraus folgt, daß der beklagten Partei im Zivilrechtsweg weder aufgetragen werden kann, den MFS wieder auszufolgen noch sich eines Einwandes gemäß § 30 Abs 2 LFG zu enthalten. Durch dieses behördliche Vorgehen im Hoheitsbereich ist aber auch den zu Punkt III) 1 und 2 begehrten Feststellungen der Boden entzogen. Soweit dem Kläger militärbehördlich verboten ist, weiterhin Militärflugzeuge zu fliegen, ist seine Abberufung von der bisherigen Verwendung (Funktion) lediglich eine Folge dieses Verbots, das auch seiner weiteren Verwendung (Funktion) als Militärpilot des Jagdbombergeschwaders entgegensteht. Hinsichtlich des Sicherungsbegehrens nach Punkt III) 3 fehlt es an den Voraussetzungen des § 381 EO; allein aus besoldungsrechtlichen Belangen kann ihm gegenüber der beklagten Partei kein unwiederbringlicher Schaden entstehen. Soweit in diesem Sicherungsantrag auch das Verlangen einer dienstrechtlichen Wiedereinsetzung des Klägers als Militärpilot enthalten ist, ist diese der beklagten Partei aber schon aufgrund des behördlichen Einschreitens verwehrt.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 78, 402 Abs 4 EO sowie den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

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