OGH 11Os14/96

OGH11Os14/964.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Juni 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Waldner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gerald S***** und andere wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 erster Fall und Abs 3 Z 3 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Gerald S***** sowie über die Berufungen des Angeklagten Andreas H***** und der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Gerald S***** und Andreas H***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24.August 1995, GZ 4 b Vr 16067/93-797, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Presslauer, der beiden genannten Angeklagten und der Verteidiger Dr.Rieger und Dr.Kresbach zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerald S***** wird teilweise Folge gegeben, ferner aus deren Anlaß gemäß § 290 Abs 1 StPO auch zugunsten des Angeklagten Andreas H***** das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den die Angeklagten Gerald S***** und Andreas H***** betreffenden (auf dem Suchtgiftgesetz und dem Finanzstrafgesetz beruhenden) Strafaussprüchen, einschließlich der über den Angeklagten Andreas H***** nach § 19 FinStrG verhängten Wertersatzstrafe, jedoch unter Aufrechterhaltung der über den Angeklagten Gerald S***** gemäß § 13 Abs 2 SGG verhängten Wertersatzstrafe sowie der Aussprüche über die Anrechnung der jeweiligen Vorhaft und die Einziehung des sichergestellten Suchtgiftes, aufgehoben; gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Gerald S***** und Andreas H***** werden für die ihnen zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich für das Verbrechen nach § 12 Abs 1, Abs 2 erster Fall und Abs 3 Z 3 SGG, Andreas H***** außerdem noch für die Vergehen nach § 16 Abs 1 SGG und § 83 Abs 1 StGB, nach § 12 Abs 3 SGG, Andreas H***** unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB, zu Freiheitsstrafen, und zwar Gerald S***** in der Dauer von 5 (fünf) Jahren und Andreas H***** in der Dauer von 5 1/2 (fünfeinhalb) Jahren sowie beide Angeklagten für das Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG nach §§ 22 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG zu Geldstrafen, und zwar Gerald S***** in der Höhe von 550.000 (fünfhundertfünfzigtausend) S, im Uneinbringlichkeitsfall zwei Monate Ersatzfreiheitsstrafe, und Andreas H***** in der Höhe von 240.000 (zweihundertvierzigtausend) S, im Uneinbringlichkeitsfall einen Monat Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Der Berufung des Angeklagten Gerald S***** wird, soweit sie sich gegen die Wertersatzstrafe richtet, nicht Folge gegeben. Mit seiner Berufung im übrigen wird der Angeklagte S***** wie auch der Angeklagte H***** und die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen auf die Strafneubemessung verwiesen.

Beiden Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch eine rechtskräftige Verurteilung des Manfred K***** enthält, wurden Gerald S***** (zu A I 2 und 4 sowie II 2 a und b) und Andreas H***** (zu A I 1 und II 1 a und b) des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 erster Fall, Abs 3 Z 3 SGG sowie (zu B) des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG, und H***** auch noch der Vergehen (zu III/2) nach § 16 Abs 1 SGG und (zu C) der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben Gerald S***** und Andreas H***** in Wien und anderen Orten

(A) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift

I. in einer großen Menge aus den Niederlanden aus-, durch Deutschland durch- und nach Österreich eingeführt, und zwar

1. Andreas H***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Christian B***** als Mittäter gewerbsmäßig von Sommer bis November 1993 zumindest 30 kg Haschisch, indem sie das Haschisch von einem Suchtgiftkurier nach Österreich bringen ließen und H***** das Haschisch vom Lieferanten übernahm und mit B***** aufteilte;

2. Gerald S***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Christian B***** als Mittäter gewerbsmäßig von Anfang 1992 bis Sommer 1993 nicht mehr genau feststellbare Mengen, zumindest 73 kg Haschisch, indem sie das Haschisch von einem Suchtgiftlieferanten nach Österreich bringen ließen und teilweise gemeinsam übernahmen und untereinander aufteilten;

3. Gerald S***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Helmut V***** als Mittäter im Herbst 1994 ca 5 kg Haschisch,

II. in einer großen Menge durch Verkauf bzw Weitergabe gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt, und zwar

1. Andreas H*****

a) durch Verkauf von zumindest 96 kg Haschisch von Anfang 1991 bis Sommer 1993 über abgesondert verfolgte Suchtgiftverkäufer im bzw vor dem Th***** an unbekannt gebliebene Abnehmer;

b) durch Verkauf von ca 12 bis 18 kg Haschisch von September bis Dezember 1993 an unbekannt gebliebene Abnehmer im Lokal "Ti*****",

2. Gerald S*****

a) durch Verkauf von ca 73 kg Haschisch von Anfang 1992 bis Ende 1993 über abgesondert verfolgte Subverkäufer im Lokal Th***** an unbekannt gebliebene Abnehmer;

b) durch Verkauf von 2,5 kg Haschisch im April 1992 an Manfred K*****, wobei sie die Taten jeweils mit Beziehung auf ein Suchtgift begingen, dessen Menge das 25-fache der im § 12 Abs 1 SGG angeführten Menge ausmacht;

III/2 Andreas H***** von Ende März 1993 bis Anfang März 1994 sowie von Ende 1994 bis 27.März 1995 Haschisch erworben und besessen sowie Ende 1994 ca 20 Gramm Haschisch an Markus F***** übergeben;

(B) Gerald S***** und Andreas H***** gewerbsmäßig durch die zu Punkt A I 1 und A I 2 genannten Tathandlungen vorsätzlich dazu beigetragen, daß eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich 73 kg (Gerald S*****) und 30 kg (Andreas H*****) Haschisch, unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen wurden;

(C) Andreas H***** allein am 21.April 1993 in Wien den Wolfgang W***** durch Versetzen eines Faustschlages ins Gesicht, wodurch dieser eine Schwellung im Gesicht erlitt, vorsätzlich am Körper leicht verletzt.

Die beiden Angeklagten wurden hiefür nach § 12 Abs 3 SGG jeweils zu einer Freiheitsstrafe, für das Finanzdelikt gemäß § 38 Abs 1 FinStrG zu einer Geldstrafe sowie S***** gemäß § 13 Abs 2 SGG und H***** nach § 19 Abs 1 lit a und Abs 4 FinStrG zu Wertersatzstrafen verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte S***** bekämpft einen Teil seiner Schuldsprüche sowie die Strafaussprüche mit einer auf die Z 5 a, 8 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Außerdem hat er ebenso wie der Mitangeklagte H***** und die Staatsanwaltschaft Berufung ergriffen.

Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Schuldsprüche zu Punkt A II 2 a und B des Urteilssatzes sowie gegen den Ausspruch der über ihn verhängten Wertersatzstrafe richtet, ist sie nicht berechtigt.

Entgegen der Beschwerdeargumentation in der Tatsachenrüge (Z 5 a) ergeben sich keine Zweifel an der erstgerichtlichen Feststellung zum Faktum A II 2 a des Schuldspruches, wonach die von Anfang 1992 bis Ende 1993 über abgesondert verfolgte Subverkäufer im Lokal Th***** an unbekannt gebliebene Abnehmer in Verkehr gesetzte Haschischmenge (mindestens) 73 kg betragen hat. Es bleibt offen, an welche Verantwortung der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen anknüpfen will, er habe eine Menge von 24 bis 30 kg zugegeben, seine letzte, nicht auf den Erhalt, sondern die Weitergabe des Suchtgiftes bezogene Äußerung enthielt eine Mengenangabe von etwa 20 oder 22 kg (ON 796, 155). Bei Berücksichtigung der gesamten Aktenlage einschließlich der Angaben des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung am 20.Juli 1995 (ON 773) ist das auf eine Relativierung von Mengenangaben abzielende Beschwerdevorbringen nicht geeignet, gegen den kritisierten erstgerichtlichen Ausspruch erhebliche Bedenken im Sinn des angezogenen Nichtigkeitsgrundes hervorzurufen.

Auch die zum Schuldspruch wegen Schmuggels (Faktum B des Schuldspruches) reklamierte Anklageüberschreitung (Z 8) liegt nicht vor, weil das Tatgeschehen nicht nur in der Anklagebegründung erwähnt wurde, sondern auch durch den Vorwurf der Haschischeinfuhr nach Österreich ohnehin Gegenstand der Anklage (ON 759) war. Das vom Beschwerdeführer gerügte Unterbleiben ausdrücklicher Erörterungen in der Hauptverhandlung über die in der Anklageschrift nicht zum Ausdruck gekommene Subsumtionsmöglichkeit der Suchtgifteinfuhr (auch) als Finanzvergehen des Schmuggels - wird dem Anfechtungsstandpunkt zuwider - von der geltend gemachten Nichtigkeitssanktion nicht betroffen. Der in Rede stehende Nichtigkeitsgrund liegt bei einem Schuldspruch wegen eines Verhaltens vor, das nicht vom Anklagevorwurf umfaßt wurde, aber keineswegs dann, wenn die im § 262 StPO vorgesehene Anhörung der Parteien über geänderte rechtliche Gesichtspunkte unterblieben ist. Diese Unterlassung konnte demnach nicht die eingewendete Unzulässigkeit des Schuldspruchs wegen Schmuggels zur Folge haben.

Ebenfalls nicht berechtigt ist der unter der Strafbemessungsrüge (Z 11) erhobene Einwand, die Wertersatzstrafe hätte dem Angeklagten nur anteilig auferlegt werden dürfen. Denn jedes Verhandeln ein- und derselben Suchtgiftmenge oder eines Teiles davon durch mehrere Personen nacheinander stellt eine selbständige Straftat dar, wobei der von jedem einzelnen Täter aus seiner strafbaren Handlung erzielte Erlös für verfallen zu erklären ist oder, sofern auf diesen nicht mehr gegriffen werden kann, in Ansehung jedes einzelnen Täters unabhängig entsprechende Wertersatzstrafen zu verhängen sind (Leukauf/Steininger Nebengesetze2 § 12 SGG E 90; SSt 48/59 ua).

Im bisher erörterten Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***** zu verwerfen.

Als zutreffend erweist sich hingegen seine Strafbemessungsrüge (Z 11), soweit sie einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot behauptet. Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagten S***** und H***** nach § 12 Abs 3 SGG zu Freiheitsstrafen und verhängte über sie außerdem wegen des Finanzdeliktes nach §§ 22, 38 Abs 1 FinStrG jeweils Geldstrafen. Gemäß § 13 Abs 1 SGG wurde das bei Andreas H***** sichergestellte Suchtgift eingezogen sowie über beide Angeklagten je eine Wertersatzstrafe verhängt, die bei Gerald S***** auf § 13 Abs 2 SGG und bei Andreas H***** auf § 19 Abs 1 lit a, Abs 4 FinStrG gestützt wurde.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht bei Gerald S***** auch das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Finanzvergehen, bei Andreas H***** (ua) das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit drei Vergehen, jeweils als besonderen Erschwerungsgrund.

Nach § 22 Abs 1 FinStrG sind jedoch "die Strafen für Finanzvergehen gesondert ... von den Strafen für die anderen strafbaren Handlungen zu verhängen". Demzufolge durfte vorliegend das Zusammentreffen des Suchtgiftverbrechens mit dem Finanzvergehen des Schmuggels nicht - wie das Schöffengericht es tat - als erschwerend gewertet werden (EvBl 1989/63 = JBl 1989, 331, 12 Os 138/90, 15 Os 121/94 ua).

Da dem Erstgericht durch die solcherart rechtlich verfehlte Annahme eines besonderen Erschwerungsgrundes ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot iSd § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO unterlaufen ist, war der Strafausspruch nach dem Suchtgiftgesetz und nach dem Finanzstrafgesetz bezüglich des Beschwerdeführers gemäß § 290 Abs 1 StPO aber auch hinsichtlich des Mitangeklagten H*****, bei dem die gleiche Fehlbeurteilung vorliegt, zu kassieren. Weiters war die über den Angeklagten H***** verhängte Wertersatzstrafe aufzuheben, weil sie nach ausdrücklicher Abstandnahme von einer Wertersatz(Geld)strafe im Sinn des § 13 Abs 2 SGG unter Heranziehung des im Überschneidungsbereich mit dem Suchtgiftgesetz gar nicht anwendbaren § 19 FinStrG ausgesprochen wurde (Dorazil/Harbich MGA FinStrG § 19 E 26 und 26 a).

Bei der demzufolge erforderlichen Neubemessung der nach § 12 Abs 3 SGG zu verhängenden Freiheitsstrafen wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend beim Angeklagten S***** den langen Deliktszeitraum, die mehrfache Qualifikation zum Verbrechen und das Handeln aus Gewinnsucht; beim Angeklagten H***** die einschlägige Vorstrafe, den raschen Rückfall beim Vergehen nach § 83 StGB, die mehrfache Qualifikation zum Verbrechen, die Überschreitung der Übermenge in erheblichem Ausmaß, die neuerliche Straffälligkeit nach Entlassung aus der Untersuchungshaft, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen sowie den langen Delikszeitraum; als mildernd bei S***** das Teilgeständnis und bei H***** das Geständnis, die teilweise Sicherstellung des Suchtgiftes und die eigene Sucht. Bei der für das Finanzvergehen zu verhängenden Strafe war erschwerend bei S***** kein Umstand, bei H***** eine einschlägige Vorstrafe; mildernd bei S***** das Teilgeständnis und bei H***** das Geständnis.

Auf der Basis dieser Strafbemessungstatsachen sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung (§ 32 StGB, § 23 Abs 1 bis 3 FinStrG) entsprechen die nach § 12 Abs 3 SGG - bei einer Strafdrohung von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe - ausgemessenen Freiheitsstrafen ebenso wie die nach § 38 Abs 1 FinStrG verhängten Geldstrafen dem gravierenden Schuld- und Unrechtsgehalt der Straftaten. Der Behauptung relativer Ungefährlichkeit von Haschisch steht die Tatsache entgegen, daß auch bei sogenannten weniger harten Drogen die besondere Gefahr gerade darin liegt, daß üblicherweise im Wege über sie der Einstieg in die gefährlicheren harten Drogen erfolgt (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 32 E 25 b). Der Hinweis auf in anderen Verfahren über Suchtgiftdelinquenten verhängte Sanktionen schließlich ist schon im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalles und dessen konkrete Gestaltung nicht zielführend.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Soweit sich die Berufung des Angeklagten S***** gegen die über ihn gemäß § 13 Abs 2 SGG verhängte Wertersatzstrafe wendet, kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Erörterung der inhaltsgleichen Einwände im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde verwiesen werden. Die Einwendungen gegen die Annahme einer überhöhten Verkaufsmenge orientieren sich nicht am rechtskräftigen Schuldspruch. Der bezüglichen Berufung mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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