OGH 12Os56/96

OGH12Os56/9630.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Mai 1996 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Mag.Strieder, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kaindl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Sven W***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12.Oktober 1995, GZ 12 c Vr 9569/94-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Sven W***** wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er vor dem 13.Juni 1991 in Wien im einverständlichen Zusammenwirken mit Charlotte G***** einen Beamten, nämlich die als Vertragsbedienstete des Bundes in der Organisationseinheit der Externistenprüfungskommission (§ 42 SchUG) tätige Sigrun K***** durch die an Charlotte G***** gerichtete Aufforderung, ihr gegen Bezahlung von 10.000 S bei der Ablegung der Reifeprüfung "behilflich zu sein" (93/II), dazu bestimmt, mit dem Vorsatz, dadurch den Staat in seinem Recht auf Kontrolle der den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechenden Zulassung zur Externistenmatura und des Zugangs zu den Universitäten und Hochschulen zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich zu mißbrauchen, indem sie für tatsächlich nicht abgelegte Vorprüfungen zur Externistenmatura aus Englisch, Französisch, Geographie und Philosophie auf dem Dekret des Sven W***** und im Prüfungskatalog positive Noten eintrug, ein Vorprüfungszeugnis ausstellte sowie ein Blankoexternistenmaturazeugnis mit 13.Juni 1991 datierte, mit positiven Noten ausfüllte, dem Prüfungskommissionsleiter zur Unterschriftsleistung unterschob und es sodann dem Angeklagten zukommen ließ.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5, 5 a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider konnte die vom Beschwerdeführer beantragte "nochmalige Anfrage" an den Stadtschulrat, ob von ihm am 13. Juni 1991 "nicht doch eine Hauptprüfung abgelegt und ein Maturazeugnis ordnungsgemäß erlangt wurde" (82/II), ohne Verletzung seiner Verteidigungsrechte unterbleiben. Denn nach der - keineswegs vagen, sondern präzisen - Aussage des Zeugen Mag.Gustav B***** hat die behördeninterne Überprüfung aller Reifeprüfungskataloge ergeben, daß der Name des Angeklagten darin nach dem Sommer 1990 (das ist jener Termin, zu dem Sven W***** erfolglos zur Externistenhauptmatura angetreten war) kein weiteres Mal aufscheint, für den Fall der tatsächlichen Ablegung der Reifeprüfung jedoch aufscheinen müßte (68, 69, 73/II). Auf der Basis dieses Beweisergebnisses hätte es für die Beachtlichkeit des Beweisbegehrens ungeachtet des Umstandes, daß dieser Zeuge die betreffende Überprüfung nicht selbst vorgenommen und das Erstgericht zudem im schriftlich bekannt gegebenen Beweisthema (3 q3 verso/I) das Datum des (nach der Verantwortung des Beschwerdeführers ordnungsgemäß erlangten) Maturazeugnisses irrig mit 13. Juli(statt Juni)1991 bezeichnet hatte, der Anführung besonderer Gründe bedurft, die trotz der vom Zeugen Mag.B***** bekundeten umfassenden Überprüfung des Zeitraumes ab Sommer 1990 das behauptete Ergebnis erwarten lassen konnten.

Auch die Mängelrüge (Z 5) versagt.

Die Feststellung, es sei deshalb zu keinem weiteren Maturaantritt gekommen, weil Sigrun K***** "- wiederum über Intervention durch Charlotte G***** und diese wiederum auf Ersuchen des Angeklagten -" dem Leiter der Prüfungskommission ein von ihr ausgefülltes Blankomaturazeugnis unterschoben habe (95/II), läßt im Gegensatz zur Beschwerdeauffassung - abgesehen von der sprachlichen Eindeutigkeit - auch nach dem Sinnzusammenhang eine andere Interpretation als die einer weiteren Bestimmungshandlung durch den Angeklagten, welche das Erstgericht im übrigen ausdrücklich auch als erschwerend wertete (101/II), nicht zu.

Nach dem Urteilssachverhalt war der Beschwer- deführer nach mehreren gescheiterten Versuchen, die erfor- derlichen Vorprüfungen abzulegen, bereits nach der im Juli 1987 erwirkten Änderung der Schulform (durch Austausch von Latein gegen Französisch als zweite Fremdsprache) mit der Leiterin der Maturaschule N*****, Charlotte G*****, von welcher er gehört hatte, daß man bei ihr "positive Prüfungsnoten kaufen konnte", übereingekommen, ihm gegen Bezahlung von 10.000 S bei der Ablegung der Reifeprüfung "behilflich zu sein". Über Ersuchen von G***** trug die Beamtin Sigrun K***** daraufhin mehrere fehlende Vorprüfungen mit positiven Noten in den Prüfungskatalog ein und stellte auf dieser Basis am 24.November 1989 für den Angeklagten ein Vorprüfungszeugnis aus. Solcherart waren die Zulassungsvoraussetzungen zur Matura und damit der Auftrag an G***** - wie diese auch stets behauptet hatte (103, 137, 237/I, 43 f/II) - erfüllt. Daß der Angeklagte nach Erschleichung des Vorprüfungszeugnisses zum Sommertermin 1990 tatsächlich zur Matura angetreten ist, steht damit folgerichtig im Einklang. Er schloß jedoch in Deutsch, Englisch, Französisch und Mathematik mit negativem Ergebnis ab und wurde deshalb von der Prüfungskommission auf ein Jahr zurückgestellt, womit die vom Schöffengericht konstatierte neuerliche Intervention bei Charlotte G***** evidentermaßen zur Bedingung dafür wird, die vom Angeklagten nach dem Urteilssachverhalt angestrebte Vermeidung der Prüfungswiederholung zu erreichen. Nähere Erörterungen waren im gegebenen Zusammenhang nicht erforderlich, stand der gerügten Urteilsannahme doch kein einziges Beweisergebnis entgegen. Daß G***** anders als durch den Beschwerdeführer vom Prüfungsmißerfolg unterrichtet worden sein konnte, hat dieser nicht einmal behauptet. Der Einwand, die Feststellung einer mit G***** Jahre zuvor getroffenen Vereinbarung, dem Angeklagten gegen Bezahlung von 10.000 S "behilflich zu sein", könne "eindeutig nur so verstanden werden, daß sich dieser nur einmal um Hilfeleistung an sie wandte", stellt somit eine durch nichts begründbare Beschwerdehypothese dar.

Beim "Kauf eines Maturazeugnisses", ohne - wie hier - tatsächlich zur Prüfung angetreten zu sein und auch nur im geringsten über die zur Ablegung einer Reifeprüfung erforderlichen Kenntnisse zu verfügen, liegt der (zumindest bedingte) Schädigungsvorsatz in bezug auf staatliche Kontrollrechte so klar auf der Hand, daß sich die Tatrichter dabei ohne weitere Erörterungen durchaus auf die dem Angeklagten nach seinem Alter und Bildungsweg attestierte zumindest laienmäßige Einschätzung der mit seinem Ver- halten verbundenen spezifischen Rechtsgutverletzung be- schränken konnten. Der auch insoweit behauptete Begrün- dungsmangel (Z 5) liegt somit gleichfalls nicht vor.

Auf der Basis der erörterten Beschwerdeargumente erweist sich auch das diesen entsprechende Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5 a) als ungeeignet, erhebliche Bedenken gegen die dem Schuldspruch in objektiver und subjektiver Hinsicht zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Davon, daß die Annahme des Schädigungsvorsatzes lebensfremd sei, kann nach Lage des Falles nicht gesprochen werden. Ob "ein Prüfungsschwindel an Schulen in allen möglichen Formen gang und gäbe" ist, kann als hier nicht entscheidend auf sich beruhen. Daß ein - evidentermaßen nur durch Amtsmißbrauch erreichbarer - "Kauf" eines Maturazeugnisses - wie nach der ersichtlich in der Beschwerdeausführung vertretenen Auffassung - infolge manifesten einschlägigen "Brauchtums" der Bejahung der subjektiven Voraussetzungen strafbarer Bestimmung zum Amtsmißbrauch entrückt sein sollte, kann sinnvoll nicht in Diskussion gezogen werden. Es trifft auch nicht zu, daß die mit der Tat verbundene Schädigung staatlicher Kontrollrechte "kaum erkennbar" ist. Denn es zählt zum Allgemeinwissen (auch der Angeklagte hat sich insoweit niemals auf Unkenntnis berufen), daß die positive Ablegung der Reifeprüfung für den Besuch einer Hochschule oder einer Universität unabdingbare Voraussetzung ist, welche bei der Inskription zum Zwecke des Ausschlusses unberechtigter Personen auch überprüft wird.

Mit der in der Rechtsrüge (Z 9 lit b) aufgestellten Behauptung, das Erstgericht habe nur eine Bestimmungshandlung (im Jahr 1987) festgestellt, sodaß "hinsichtlich der Vorprüfungen" Verjährung eingetreten sei, setzt sich die Beschwerde über die - wie dargelegt deutlich getroffene - Konstatierung einer nach dem Sommer 1990 erfolgten weiteren Tathandlung hinweg und ist solcherart nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Schon aus dieser Sicht kann daher, was sonst noch - von der Generalprokuratur unter Vernachlässigung, daß § 302 Abs 1 StGB einen Schadenseintritt als deliktstypischen Erfolg gar nicht voraussetzt - zur Verjährungsproblematik vorgebracht wird, auf sich beruhen.

Die teils nicht gesetzmäßig ausgeführte, im übrigen aber offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die vom Angeklagten außerdem ergriffene Berufung (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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