OGH 6Ob2023/96k

OGH6Ob2023/96k23.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Ehmayr, Dr.Schiemer, und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut N*****, vertreten durch Dr.Georg Gschnitzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei R*****, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen Herausgabe einer Urkunde (Streitwert 30.000,-- S), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 3.November 1995, GZ 53 R 131/95-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 2.August 1995, GZ 18 C 1186/94w-10, und das vorhergehende Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 3.382,40 S bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Im Mai 1993 fand im Haus des Klägers eine Finanzprüfung statt. Der Finanzbeamte fragte den Kläger, ob er Einsicht in ein Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 15.3.1990 nehmen könne. Der Kläger stimmte zu, fertigte eine Kopie des Urteils an und übergab sie dem Finanzbeamten. Es konnte nicht festgestellt werden, daß der Kläger damals auch seine Zustimmung dazu erteilt hätte, daß die Abschrift des Urteils zu den Akten der Abgabenbehörde genommen werde. Er forderte im Februar 1994 vom Finanzamt vergeblich die Rückstellung der Abschrift des Urteils. Im Zuge einer im April 1994 abgehaltenen Schlußbesprechung verlangte der Rechtsvertreter des Klägers neuerlich die Rückstellung des Urteils, was vom Leiter der Schlußbesprechung abgelehnt wurde.

Mit seiner am 11.7.1994 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger gestützt auf sein Eigentumsrecht an der Urkunde die Herausgabe des Urteils des Strafgerichtes vom 15.3.1990. Die Verweigerung der Herausgabe verwirkliche das Delikt der Urkundenunterdrückung.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Der Kläger sei Obmann eines Vereins. Im Zuge einer Betriebsprüfung bei diesem Verein durch Organe des Finanzamtes habe der Kläger den Finanzorganen auf deren Anfrage das Urteil eines Strafgerichtes in Kopie zur Einsichtnahme vorgelegt und bejaht, daß die Kopie zu den Akten der Abgabenbehörde genommen werden könne. Das Urteil befinde sich nunmehr im Abgabenakt. Das Urteilsbegehren auf Herausgabe der Urkunde widerspreche dem Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung. Der Rechtsweg sei unzulässig. Das Herausgabebegehren sei schikanös. Die Herstellung einer weiteren Kopie verursache Kosten von höchstens 25,50 S. Der Kläger fordere die Rückstellung der Kopie des Urteils nur deshalb, weil ihm klar geworden sei, daß in dem Urteil auch ihn steuerlich belastendes Material angeführt werde, das für das Betriebsprüfungsverfahren von Bedeutung sei. Deshalb sei der Verbleib der Kopie bei den Akten der Abgabenbehörde von Relevanz.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Das Berufungsgericht gab der Nichtigkeitsberufung der Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil und das vorhergehende Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges seien nach ständiger Rechtsprechung in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagesachverhalt (die Klagebehauptungen) maßgebend. Es komme auf die Natur des geltend gemachten Anspruchs an. Wenn er privatrechtlicher Natur sei, hätten die Zivilgerichte darüber zu entscheiden. Das Klagebegehren auf Herausgabe eines Urteils könne sowohl dem Privatrecht als auch dem öffentlichen Recht angehören. Da die Klage gegen die Republik Österreich gerichtet sei und die Übergabe der Urkunde im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens erfolgt sei, werde die Beklagte wegen eines Verhaltens ihrer Beamten in Anspruch genommen. Das Verfahren der Abgabenbehörde könne vom Zivilgericht nicht überprüft werden. Der Kläger strebe die Umkehr eines in einem Betriebsprüfungsverfahren vorgenommenen behördlichen Aktes an, nämlich die Rückgabe einer Urkunde, die in einem Betriebsprüfungsverfahren vorgenommenen zur Einsicht übergeben worden sei. Sein "verfahrensrechtliches" Begehren müsse nach den Verfahrensvorschriften der Bundesabgabenordnung geprüft werden. Diese gehörten dem öffentlichen Recht an und würden nicht von den Gerichten vollzogen werden. Der Rechtsweg sei nicht zulässig. Die Tätigkeit der Abgabenbehörde sei eine solche in einem Verwaltungsverfahren. Der Rechtsweg vor dem Zivilgericht sei nicht dazu bestimmt, ein Verwaltungsverfahren durch die Verfügung über ein Beweismittel zu verändern.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht zur meritorischen Erledigung der Berufung.

Die Beklagte beantragt, dem Rekurs des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Der Rekurswerber strebt die ergänzende Feststellung an, daß die Steuerprüfung nicht ihn, sondern einen Verein betroffen habe, dessen Obmann er sei. Er leitet aus einem solchen Sachverhalt ab, daß die Finanzbehörde nicht berechtigt gewesen sei, in das nur den Kläger betreffende Strafurteil Einsicht zu nehmen. Hiefür sei das Einverständnis des Klägers erforderlich gewesen. Die Rückgabe der Urkunde könne der Kläger im Steuerprüfungsverfahren gegen den Verein mangels Parteistellung nicht erreichen. Der Rechtsweg zur Durchsetzung des Herausgabeanspruchs sei daher zulässig.

Der vom Rekurswerber angestrebte Sachverhalt, daß nämlich das Steuerprüfungsverfahren sich nicht gegen ihn, sondern gegen einen Verein richtete, kann der Entscheidung schon infolge Tatsachenzugeständnisses der Beklagten zugrundegelegt werden. Damit ist aber für den Standpunkt des Klägers nichts gewonnen. Wenn die Finanzbehörde der Ansicht war, daß das Urteil des Strafgerichtes für die Abgabensache von Bedeutung sei und dieses Urteil im Zuge der Erhebungen zum Akt genommen hat und nunmehr verwertet, so kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Finanzbehörde sowohl bei der Erlangung als auch bei der Aufrechterhaltung der Verfügungsgewalt über die Urkunde in Vollziehung der Gesetze im Bereich der Hoheitsverwaltung tätig war und nach wie vor ist. Hoheitsverwaltung ist anzunehmen, wenn ein Rechtsträger in Ausübung der ihm eingeräumten Befehls- und Zwangsgewalt zu handeln hat. Beim Verhalten in Vollziehung der Gesetze muß es sich nicht unmittelbar um das Setzen oder Unterlassen von Befehls- oder Zwangsgewalt handeln. Erforderlich ist nur, daß das in Betracht kommende Organverhalten in einen Tätigkeitsbereich fällt, der an sich mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgestattet ist (SZ 60/156 mwN).

Aus einem rechtswidrigen Organverhalten resultiert ein ausschließlich auf Geldersatz gerichteter Amtshaftungsanspruch gegen den Rechtsträger des Organs, niemals gegen das Organ selbst (§ 9 Abs 5 AHG). Die Vorschriften des AHG stellen im Verhältnis zum ABGB eine Sonderregelung dar. § 1 AHG gibt dem Geschädigten außer dem Schadenersatzanspruch in Geld gegen den Rechtsträger keine weiteren im Rechtsweg geltend zu machenden Ansprüche nach bürgerlichem Recht (EvBl 1971/295; SZ 59/112 uva). Der auf das Eigentumsrecht gestützte Herausgabeanspruch kann daher gegen einen Rechtsträger, der in Vollziehung der Gesetze im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig war, nicht durchgesetzt werden. Dem Kläger ist es nach ständiger Rechtsprechung verwehrt, bei nur im Amtshaftungsverfahren durchsetzbaren Ansprüchen andere zivilrechtliche Anspruchsgründe "vorzuschieben", um solcherart den allgemeinen Rechtsweg (auch der Schadenersatzanspruch nach dem AHG ist ebenfalls ein im Rechtsweg durchzusetzender Anspruch) zu beschreiten, wenn damit gleichzeitig in die Kompetenz der Verwaltungsbehörde eingegriffen wird (Schragel, AHG2 Rz 10 zu 3 1). Der ordentliche Rechtsweg stünde nur offen, wenn die Tätigkeit der Verwaltungsbehörde bereits abgeschlossen wäre (beispielsweise eine verfügte Beschlagnahme eines Gegenstandes bereits aufgehoben worden wäre), sodaß auf das Eigentumsrecht gestützt die Herausgabe des Gegenstandes verlangt werden könnte (Schragel aaO und die dort zitierte Judikatur). Ein solcher Sachverhalt liegt hier nach den Feststellungen aber nicht vor. Der Rechtsweg ist immer unzulässig, wenn zwar ein privatrechtlicher Anspruch behauptet wird, in Wirklichkeit aber die Vornahme oder Rückgängigmachung eines staatlichen Hoheitsaktes angestrebt wird oder in sonstiger Weise auf das hoheitliche Handeln eines Verwaltungsträgers Einfluß genommen werden soll (SZ 61/88 mwN; 1 Ob 49, 54/95). Wenn die Beklagte der Ansicht ist, daß sie das Urteil des Strafgerichtes für das Steuerprüfungsverfahren noch benötigt und die Herausgabe der Urkunde verweigert, so steht der ordentliche Rechtsweg zur Durchsetzung des Eigentumsrechtes an der Urkunde nicht offen. Die allfällige Rechtswidrigkeit der Weigerung könnte nur im Amtshaftungsverfahren durchsetzbare Schadenersatzansprüche auslösen (vgl den in SZ 44/64 entschiedenen, vergleichbaren Fall, wo eine - allerdings gegen ein Organ und nicht gegen den Rechtsträger gerichtete - Klage auf Herausgabe einer Urkunde wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen wurde).

Das Berufungsgericht ist von der dargelegten Rechtslage und der zitierten oberstgerichtlichen Judikatur nicht abgewichen. Dem Rekurs des Klägers ist daher nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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