OGH 6Ob661/95

OGH6Ob661/9523.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Ehmayr, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.R.Kaan und andere Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Karl S*****, Werksarbeiter, 2. Friederike S*****, Hausfrau, beide ***** beide vertreten durch Dr.Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, wegen 59.000 S und Vertragszuhaltung (Revisionsstreitwert 59.000 S), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 24.Juli 1995, GZ 6 R 101/95-51, womit über Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 16.Februar 1995, GZ 18 Cg 9/93f-47, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 5.358,14 S (darin 893,02 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 12.10.1990 erhobenen Klage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 59.000 S sowie diese zu verpflichten, in Zuhaltung des Bierlieferungsübereinkommens vom 25./26.3.1982 die sich aus diesem Übereinkommen ergebenden Verpflichtungen ihren Rechtsnachfolgern bzw Rechtsnehmern, insbesondere ihren Pächtern schriftlich so zu überbinden, daß diese sie als ihre eigene Verpflichtung gegenüber der Klägerin schriftlich anerkennen. Die Klägerin brachte dazu vor, nach dem für zehn Jahre unkündbar abgeschlossenen Bierlieferungsübereinkommen, auf das die Klägerin eine nicht rückzahlbare Vorausleistung von 59.000 S erbracht habe, seien die Beklagten verpflichtet gewesen, insgesamt 800 hl Bier abzunehmen. Bei Nichterreichung dieser Menge sollte sich der Vertrag entsprechend verlängern. Seit Vertragsbeginn hätten die Beklagten erst 433 hl Bier bezogen und entgegen der übernommenen Verpflichtung, den Vertrag auf allfällige Rechtsnachfolger zu überbinden, ihre Gaststätte ohne Vertragsüberbindung verpachtet. Für Vertragsverletzungen sei eine Konventionalstrafe in Höhe der von der Klägerin erbrachten Leistung zu zahlen.

Die Beklagten wandten ein, eine Vertragsüberbindung an die Pächter sei aus Verschulden der Klägerin nicht möglich gewesen, die Aufrechterhaltung des Dauerschuldverhältnisses sei ihnen nicht zumutbar gewesen, es sei die vorzeitige Vertragsauflösung gemäß § 1118 ABGB erklärt worden, die Vereinbarung sei wegen auffallenden Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung sittenwidrig, es liege Unmöglichkeit der Leistung vor, die Konventionalstrafe sei unangemessen hoch und widerspreche § 864a ABGB.

Im zweiten Rechtsgang wandten die Beklagten in der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 12.7.1994 ein, der Bierlieferungsvertrag sei aufgrund der geänderten Rechtslage seit Inkrafttreten des EWR-Vertrages am 1.1.1994 und der damit innerstaatliches Recht bildenden Verordnung der Kommission 1984/83 vom 22.6.1983 über die Anwendung von Artikel 53 Abs 3 des EWR-Vertrages nichtig, die klagende Partei habe daher nichts mehr zu fordern.

Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren statt und wies das Begehren auf Vertragsüberbindung unter Zugrundelegung folgender wesentlicher Feststellungen ab:

Die Streitteile schlossen am 25./26.3.1982 ein Bierlieferungsübereinkommen, in dem sich die klagende Brauerei verpflichtete, den beklagten Gastwirten Biere einwandfreier Qualität zu liefern und ihnen einen einmaligen, nicht rückzahlbaren Betrag von 50.000 S zuzüglich 18 % Umsatzsteuer, somit 59.000 S zu zahlen. Als Gegenleistung verpflichteten sich die Beklagten ab dem Tage der Unterfertigung des Lieferungsübereinkommens auf die Dauer von zehn aufeinanderfolgenden Jahren zum ausschließlichen und ununterbrochenen Bezug der Biere der Klägerin sowie keine Konkurrenzprodukte zu beziehen und abzusetzen. Auch der Bezug ausländischer Biere oder jede Reklame hiefür waren nicht gestattet. Der Mindestbezug wurde mit 1200 hl, im Jahr 1988 herabgesetzt auf 800 hl Bier festgelegt. Bei Nichterreichung dieser Bezugsmenge konnte die Klägerin eine entsprechende Verlängerung der Vertragsdauer begehren. Die Beklagten verpflichteten sich, die Bedingungen dieses Lieferungsübereinkommens ihren Rechtsnachfolgern bzw Rechtsnehmern so zu überbinden, daß diese sie als ihre eigene Verpflichtung gegenüber der Brauerei anerkennen. Sollten die Beklagten die von ihnen eingegangene Getränkebezugsverpflichtung, aus welchen Gründen immer, mißachten, fällige Zahlungen an die Brauerei nicht leisten oder auf andere Weise den Vertrag verletzen, war vereinbart, daß die Brauerei berechtigt ist, neben dem Anspruch auf weitere Vertragserfüllung eine der richterlichen Mäßigung nicht unterliegende Konventionalstrafe in der Höhe der von der Brauerei erbrachten Leistungen zu begehren. Dieser steht es auch frei, das Recht des Terminsverlustes geltend zu machen und alle ihr gegen den Abnehmer zustehenden Ansprüche fällig zu stellen, wenn die Abnehmer mit der Bezahlung in Verzug geraten. Wird der Bierbezug infolge Betriebseinstellung (ohne Rechtsnachfolger) durch den Abnehmer vor Ablauf dieses Übereinkommens aus welchen Gründen immer länger als ein halbes Jahr unterbrochen oder auf Dauer überhaupt eingestellt, so ist der nicht amortisierte Betrag innerhalb von acht Tagen nach seiner Vorschreibung der Brauerei bar zurückzuzahlen. Dasselbe gilt, wenn der Abnehmer die Vertragsüberbindung nicht so rechtzeitig vornimmt, daß der Brauerei spätestens im Zeitpunkt des Rechtsüberganges die schriftliche Übernahmebestätigung des Rechtsnachfolgers bzw Rechtsnehmers vorliegt.

Die Beklagten betrieben ab 1.4.1982 bis 1990 unter dem Namen "Tanzcafe S*****" ein Gasthaus. Sie bezogen in den Jahren 1982 bis 1990 insgesamt 433 hl Bier von der Klägerin. 1989 und in noch größerem Ausmaß 1990 kam es zu erheblichen Umsatzrückgängen, weil eine Selbstmordserie von Jugendlichen in M***** mit dem Lokal der Beklagten in Verbindung gebracht wurde, das vornehmlich von Jugendlichen, unter anderem von Angehörigen der Sekte der "Teufelsbeschwörer", die Einfluß auf die Selbstmorde gehabt haben soll, besucht wurde. Die Zweitbeklagte befand sich in schlechter gesundheitlicher Verfassung. Durch die Medienberichterstattung, die finanziellen Belastungen und insbesondere aufgrund der Doppelbelastung, Führung eines Nachtlokales und Betreuung von zwei schulpflichtigen Kindern, magerte die Zweitbeklagte ab und war "nervlich am Ende". Der Erstbeklagte, der aus finanziellen Gründen eine Arbeit angenommen hatte, bemühte sich daher, einen Pächter für das Lokal zu finden. Diese Versuche scheiterten zumeist an der Weigerung der Interessenten, den Bierlieferungsvertrag zu übernehmen. Im Juni 1990 führten die Beklagten mit Gerald E***** und Gerhard M***** Gespräche über den Abschluß eines Pachtvertrages für das Lokal. Der Erstbeklagte wies die Interessenten darauf hin, daß ein Bierlieferungsvertrag mit der Klägerin bestehe, den er auch vorlegte, und er sprach über eine allfällige Übernahme. Die Interessenten erklärten, keinen Pachtvertrag abzuschließen, wenn Verträge welcher Art immer übernommen werden müßten. Im Zuge dieser Verhandlungen trafen die beiden Interessenten mit dem ehemaligen Gebietsvertreter der Klägerin zusammen, den sie von der beabsichtigten Pacht des Lokales der Beklagten informierten. Der Vertreter versprach, dies dem neuen Gebietsvertreter der Klägerin mitzuteilen und erwähnte, es werde jemand vorbeikommen, um über den Bierbezug zu sprechen. Die künftigen Pächter wollten mit der Klägerin keinen Bierlieferungsvertrag abschließen, sondern nur Bier mit einer Bonusvergütung beziehen. Am Tag nach der Lokaleröffnung meldete sich der Gebietsvertreter bei den Pächtern und erkundigte sich nach deren Interesse für Bierbezug von der Klägerin. Diese verneinten unter Hinweis auf einen schon mit einer anderen Brauerei vereinbarten Bierbezug. Die Pächter sind unter keinen Umständen bereit, den Bierliefervertrag der Streitteile zu übernehmen. Sie lehnen auch eine Verlängerung des zunächst auf fünf Jahre geschlossenen Pachtvertrages ab, sollte diese nur unter der Voraussetzung der Übernahme des in Rede stehenden Bierlieferungsvertrages möglich sein.

Die Beklagten hätten mit einem entsprechenden Unternehmenskonzept, gastronomischem Engagement, Marktstrategien und entsprechender Betriebsform die mit der Klägerin vereinbarte Absatzmenge durchaus einhalten können. Für den Bezug der von den Beklagten nicht abgenommenen Restmenge von 367 hl Bier errechnet sich eine Gegenleistung von 36.700 S. Bierlieferungsverträge wie der vorliegende waren zum Zeitpunkt des Abschlusses der Streitteile durchaus üblich, wenngleich bei entsprechendem Verhandlungsgeschick - die Beklagten waren zuvor Kellner und in Betriebsführung unerfahren - bis zu 100 % höhere Gegenleistungen als jene der Klägerin, die im unteren Bereich lag, erzielbar gewesen wären.

Rechtlich kam das Erstgericht zu dem Ergebnis, den Beklagten sei die Aufrechterhaltung des Vertrages im Hinblick auf Größe und Umfang des Betriebes zumutbar gewesen, ein grobes Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung sei nicht vorgelegen, von einer Sittenwidrigkeit des Vertrages könne daher nicht ausgegangen werden. Dem Einwand der Unmöglichkeit der Leistung komme aber Berechtigung zu. Eine Verurteilung zur Leistung könne selbst im Falle der nachträglichen, selbstverschuldeten subjektiven Leistungsunmöglichkeit nicht mehr erfolgen, wenn sich der Dritte endgültig weigere, die für die Erfüllung erforderlichen Mitwirkungshandlungen zu setzen. Eine Verurteilung zur Leistung setze jedenfalls eine ernstzunehmende, ins Gewicht fallende Chance voraus, daß die Leistung später erbracht werden könne. Stehe dagegen nach der Beurteilung der Verkehrspraxis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, daß die Leistung auch in Zukunft nicht mehr erbracht werden könne, könne der Gläubiger nicht auf einem Erfüllungsanspruch beharren. Hier liege eine nachträgliche, selbstverschuldete Unmöglichkeit der Leistung vor, da die Beklagten es aus ausschließlich in ihrer Sphäre liegenden Gründen unterlassen hätten, das Bierlieferungsübereinkommen auf die Pächter zu überbinden. Durch den geschlossenen Pachtvertrag sei aber Unmöglichkeit der Leistung eingetreten, weil sich die Pächter ausdrücklich weigerten, das Lieferübereinkommen zu übernehmen. Es bestehe auch keine Chance, daß die Leistung zu einem späteren Zeitpunkt erbracht werden könne.

Bei der vereinbarten Konventionalstrafe handle es sich um einen pauschalierten Schadenersatz, der, Verschulden vorausgesetzt, unabhängig von einem Schadenseintritt neben der Erfüllung gefordert werden könne. Eine Mäßigung komme nicht in Betracht, weil die Beklagten als Gastwirte Vollkaufleute seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge.

Am 1.1.1994 sei der EWR-Vertrag (BGBl 909/1993) in Wirksamkeit getreten. Nach dessen Artikel 53, der inhaltlich Artikel 85 des EG-Vertrages entspreche, seien alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen den Vertragsparteien zu beeinträchtigen geeignet seien und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbes im räumlichen Geltungsbereich dieses Abkommens bezweckten oder bewirkten, verboten. Solche verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse seien nichtig. Mit dem Wirksamwerden des EWR sei auch eine Übernahme des EG-Kartellrechtes in das österreichische Rechtssystem erfolgt. In der Vorabentscheidung C-234/89 (in der Rechtssache Stergios Delimitis gegen Henninger Bräu AG) habe der EuGH unter anderem ausgesprochen:

"Ein Bierlieferungsvertrag ist nach Artikel 85 Abs 1 EWG-Vertrag verboten, wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. 1. muß unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumstände des streitigen Vertrages der nationale Markt für den Absatz von Bier in Gaststätten für Mitbewerber, die auf diesem Markt Fuß fassen oder ihren Marktanteil vergrößern könnten, schwer zugänglich sein. Daß der streitige Vertrag zu einem Bündel gleichartiger Verträge auf diesem Markt gehört, die sich kumulativ auf den Wettbewerb auswirken, ist nur einer unter mehreren Faktoren, anhand deren zu beurteilen ist, ob dieser Markt tatsächlich schwer zugänglich ist. 2. muß der streitige Vertrag in erheblichem Maße zu der Abschottungswirkung beitragen, die das Bündel dieser Verträge aufgrund ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Gesamtzusammenhanges entfaltet. Die Bedeutung des Beitrages des einzelnen Vertrages hängt von der Stellung der Vertragspartner auf dem relevanten Markt und von der Vertragsdauer ab."

Die Verordnung (EWG) 1984/83 der Kommission vom 22.6.1983 über die Anwendung von Art 85 Abs 3 des EWG-Vertrages auf Gruppen von Alleinbezugsvereinbarungen (= Gruppenfreistellungsverordnung GVO Nr 1984/83) sehe in ihrem Artikel 6 vor, daß Artikel 85 Abs 1 des EWG-Vertrages unter den in den Artikeln 7 bis 9 der genannten Verordnung ersichtlichen Voraussetzungen für nicht anwendbar erklärt werde.

Da das in Rede stehende Lieferungsübereinkommen schon das im Artikel 8 lit b normierte Recht, nämlich die Marktöffnungsklausel, aber auch die englische Klausel nicht enthalte, entfalle nach der EuGH-Rechtsprechung die Gruppenfreistellung insgesamt (Gleis/Hirsch, Komm zum EG-Kartellrecht Rz 1395 f, 1479 f, 1492 mwN). Das Lieferungsübereinkommen sei daher nach den Kriterien des Artikel 85 EWG-Vertrag bzw Artikel 53 EWR-Vertrag zu prüfen.

Der EuGH habe in der erwähnten Vorabentscheidung auch ausgesprochen, daß ein Bierlieferungsvertrag mit einer Öffnungsklausel, der also mit dem Wiederverkäufer den Bezug von Bier aus anderen Mitgliedstaaten erlaube, nicht geeignet sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Daraus folge e contrario, daß das Fehlen einer Öffnungsklausel in Lieferungsübereinkommen geeignet sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Insoweit erweise sich das in Rede stehende Lieferungsabkommen im Sinne des Artikel 53 EWR-Vertrag bzw Artikel 85 EWG-Vertrag als nichtig und verboten. Der EuGH habe auch ausgesprochen, daß eine etwaige Nichtigkeit nur die nach Artikel 85 Abs 1 verbotenen Teile des Vertrages erfasse. Der gesamte Vertrag sei nur dann nichtig, wenn sich diese Teile nicht von den übrigen Teilen des Vertrages trennen ließen. Dies sei hier nicht der Fall. Eine Nichtigkeit bestehe also insoweit, als der Vertrag geeignet sei, den Handel zwischen den Vertragsparteien (des EWG-Vertrages bzw EWR-Vertrages) zu beeinträchtigen und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbes im räumlichen Geltungsbereich des EWR-Abkommens bzw EWG-Vertrages zu bezwecken oder zu bewirken.

Die Leistung der Klägerin von 59.000 S als einmaliger, nicht rückzahlbarer Betrag zur Ausgestaltung des Betriebes stelle sich auch im Sinne des EG-Kartellrechtes als Gewährung besonderer wirtschaftlicher oder finanzieller Vorteile durch den Anbieter dar. Würden aufgrund eines unerlaubten Geschäftes Leistungen erbracht, so sei deren Rückforderbarkeit nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen unter Berücksichtigung des Normenzweckes zu beurteilen. Bei teilweiser Unerlaubtheit sei nach dem Zweck der Verbotsnorm zu beurteilen, ob der Vertrag teilweise gültig oder zur Gänze ungültig sei. Der Zweck der Verbotsnorm des Artikel 53 EWR-Vertrag bzw Artikel 85 EWG-Vertrag sei auf die Beeinträchtigung des Handels in bezug auf den gemeinsamen Markt zu erblicken. Eine Marktöffnungsklausel oder englische Klausel hätte nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu einer geringeren Abnahmeverpflichtung und somit wohl auch zu einem geringeren finanziellen Beitrag geführt. Die Vertragsverletzungsklausel stehe nach ihrem Wortlaut nicht in einem solchen Bezug zur nichtigen Wettbewerbsbeschränkung, daß diese wesentlich auf die finanzielle Leistung der Klägerin reflektiere. Bis zum 31.12.1993 sei das Lieferungsübereinkommen nicht unerlaubt gewesen und wäre bei ordnungsgemäßer Zuhaltung schon mit 26.3.1992 abgelaufen gewesen. Daraus folge, daß - ordnungsgemäße Erfüllung vorausgesetzt - die gesamte vereinbarte Vertragsdauer über den Vertrag nicht unerlaubt gewesen wäre. Die in Rede stehende Vertragsverletzungsklausel gelte für den vorliegenden Fall der Nichteinhaltung der Getränkebezugsverpflichtung. Hiefür sei, anders als bei Betriebseinstellung ohne Rechtsnachfolge, keine Aliquotierung vorgesehen. Somit entfalte die zwischen den Streitteilen eingegangene Konventionalstrafe ungeachtet der Teilnichtigkeit des Vertrages in dem mit dem Gemeinschaftsrecht nicht konformen Teil ihre volle Wirksamkeit.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Teilnichtigkeit von Verträgen fehle, die gegen Vorschriften des EWRbzw EWG-Vertrages verstießen und deren Auswirkungen auf Vertragsverletzungsklauseln (Konventionalstrafen).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Parteien ist, weil der Entscheidung über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukommt, zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Die Abweisung des Begehrens auf Vertragsüberbindung ist mangels Anfechtung durch die klagende Partei bereits in Rechtskraft erwachsen, zu beurteilen ist nur mehr die Berechtigung der begehrten Konventionalstrafe.

Es trifft zu, daß Getränkebezugsverträge, die die Kriterien der Einzel- oder Gruppenfreistellung nicht erfüllen, nichtig im Sinne des Artikel 53 EWRV und Artikel 85 EGV sein können und daß diese Nichtigkeit absolut wirkt (Schröter in Von der Gröben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag4 Rz 163 zu

Artikel 85; Grill in Lenz Kommentar zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften Rz 33 zu Artikel 85). Dementsprechend wäre die Nichtigkeit - allenfalls nach Befassung der Kommission oder nach Einholung einer Vorabentscheidung (Grill in Lenz aaO Rz 34) von Amts wegen festzustellen. Jene Teile des Vertrages, die den Verbotstatbestand erfüllen, hätten keinerlei rechtliche Wirkung zwischen den Vertragsparteien und auch nicht gegenüber Dritten (Schröter aaO). Voraussetzung ist aber, daß die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften des EG-Rechtes überhaupt zur Anwendung kommen. Schon die mittelbaren Zivilrechtsfolgen verbotswidrigen Handelns sind im Gemeinschaftsrecht nicht geregelt. Sie sind dem innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten zu entnehmen (Grill in Lenz aaO Rz 35 zu Art 85 unter Hinweis auf die Judikatur des EuGH; Schröter aaO Rz 157 zu Artikel 85). Es ist daher der privatautonomen Entscheidung der Parteien anheimgestellt, welche Unterlassungs-, Schadenersatz- oder Bereicherungsansprüche sie aus der Nichtigkeit eines nach Artikel 85 EGV wettbewerbswidrigen Vertrages ableiten.

Im vorliegenden Fall ist zu beurteilen, ob die Beklagten im Jahre 1990 eine Vertragsverletzung begangen haben, aus welcher die Klägerin die Fälligkeit einer vertraglich vereinbarten Konventionalstrafe seit dem Jahr 1990 ableitet und geltend macht. Die Rechtsfolgen einer Vertragsverletzung sind aber nach dem Zeitpunkt der geschehenen Verletzung zu beurteilen. Im Jahre 1990 war aber in Österreich Gemeinschaftsrecht noch nicht anzuwenden, der zwischen den Streitteilen schon 1982 geschlossene Vertrag war voll gültig, denn eine Nichtigkeit nach § 879 ABGB wegen groben Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung haben die Vorinstanzen aufgrund der getroffenen Feststellungen zutreffend verneint. Damit bestand aber für das Berufungsgericht kein Anlaß, einer allfälligen Nichtigkeit der streitgegenständlichen Vereinbarung unter gemeinschaftsrechtlichen Aspekten nachzugehen. Es hatte nicht über unmittelbare Auswirkungen des Vertrages auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zu entscheiden, sondern darüber, ob nach dem zwischen den Streitteilen geschlossenen Vertrag im Jahre 1990 eine Vertragsverletzung stattgefunden hat, die Schadenersatzansprüche im Sinne der vertraglich vereinbarten Konventionalstrafe ausgelöst hat.

Die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses ist möglich, wenn Umstände eintreten, die die Fortführung des Dauerschuldverhältnisses unzumutbar machen. Diese Möglichkeit einer außerordentlichen Aufkündigung hat auch für Bierbezugsverträge zu gelten, wenn die Einhaltung des Vertrages durch außerhalb der Verantwortung des Verpflichteten liegende Umstände erheblich gefährdet wurde und ihm deshalb nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten ist (JBl 1992, 517; JBl 1983, 321 ua). Dabei ist eine umfassende Abwägung des Bestandinteresses einerseits und des Auflösungsinteresses andererseits vorzunehmen. Es kommt wesentlich auf die Voraussehbarkeit des gegen die Vertragsbindung geltend gemachten Umstandes und dessen Zugehörigkeit zur Herrschaftssphäre eines der Vertragspartner an. Je besser bei Vertragsabschluß der für die Auflösung geltend gemachte Umstand vorhersehbar war und je vollständiger er allein in der Sphäre des auflösungswilligen Partners gelegen ist, umso größere Anforderungen sind an die Gewichtigkeit des Auflösungsgrundes zu stellen (JBl 1992, 517). Unter diesen Gesichtspunkten stellen weder die Tatsache eines Umsatzrückganges aufgrund der besonderen Klientel des Nachtlokales noch die Doppelbelastung der Zweitbeklagten aus familiären Gründen oder die nur gegen aliquote Rückzahlung des der noch nicht abgenommenen Biermenge entsprechenden Vorauszahlungsbetrages (was den Beklagten nach der Aussage des Gebietsvertreters der Klägerin vorgeschlagen wurde) mögliche Vertragsauflösung einen außerhalb der Verantwortung der Beklagten liegenden Auflösungsgrund dar. Den Beklagten, die sich um eine einvernehmlich Lösung mit der Klägerin gar nicht ernsthaft bemüht haben, ist die Vertragsverletzung vorwerfbar, so daß sie die aufgrund ihrer Kaufmannseigenschaft als Gastwirte nicht dem richterlichen Mäßigungsrecht unterliegende Konventionalstrafe als pauschalierten Schadenersatz zu zahlen haben. Ihrer Revision ist daher im Ergebnis keine Folge zu geben.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

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