OGH 13Os77/96

OGH13Os77/9623.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Mai 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel und Dr. Mayrhofer als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaindl als Schriftführerin in der bei dem Landesgericht Wels zum AZ 8 Vr 326/96 anhängigen Strafsache gegen Ibrahim B***** u.a. wegen des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15 Abs 1, 169 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Yasar M***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 3. April 1996, AZ 7 Bs 105/96, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Yasar M***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluß wurde der Beschwerde des türkischen Staatsangehörigen Yasar M***** vom Oberlandesgericht Linz nicht Folge gegeben und die über ihn verhängte Untersuchungshaft aus den Gründen des § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und d StPO fortgesetzt (Wirksamkeit des Beschlusses bis 3. Juni 1996).

Das Oberlandesgericht hielt den Beschuldigten des Verbrechens der versuchten Brandstiftung (an türkischen Lokalen in Österreich) nach §§ 15, 169 StGB für dringend verdächtig. Es ging davon aus, daß das angelastete Verbrechen nach eigener Darstellung des Beschwerdeführers eine Reaktion auf die Tötung von fünf Personen in einem türkischen Gefängnis gewesen sei, der politisch motiviert und in einer Vereinigung politisch Gleichgesinnter, die über einen hohen Organisationsgrad verfüge, in Österreich als "Rächer" für politische Zustände aufgetreten sei. Mangelnde soziale Integration im Inland indiziere Fluchtgefahr, die politische Motivation der Taten im Zusammenhang mit dem an einem Tatort aufgefundenen Bekennerschreiben ließen auf weitere Racheakte und damit Tatbegehungsgefahr schließen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde ist nicht im Recht.

Sie bezieht sich auf das Tatsachengeständnis des Beschuldigten und weist darauf hin, dieser habe entgegen der Feststellung des Oberlandesgerichtes beim Werfen des von ihm hergestellten "Molotov-Cocktails" kein Benzin-Phosphor-Gemisch, sondern ein solches aus Benzin und Öl verwendet. Der Vorsatz des Beschwerdeführers sei nur auf Sachbeschädigung gerichtet gewesen, die Annahme einer Möglichkeit des Übergreifens des Feuers auf andere Objekte sei unbegründet. Die soziale Integration sei gegeben, weil der sich seit 1989 in Österreich aufhaltende Beschuldigte bis ca. drei Wochen vor der Tat in Arbeit gestanden sei. Er sei auch nicht Mitglied einer politischen Rächerorganisation, sondern eines Kulturvereins.

Die Annahmen des Oberlandesgerichtes zum dringenden Tatverdacht sind durch die Aktenlage gedeckt. Das von der Bundespolizeidirektion Wels, Abteilung für Staats-, Personen- und Objektschutz eingeholte Gutachten über die Brandursache der Brandverhütungsstelle für Oberösterreich (ON 106) kommt zum Ergebnis, daß bei den beiden verfahrensgegenständlichen Brandanschlägen jeweils aus einem mit leicht brennbarer Flüssigkeit gefüllten Glasbehälter bestehende Brandsätze verwendet wurden. Die Ausbreitung der Brände konnte nur durch die rasche Entdeckung und Feuerwehralarmierung verhindert werden, ohne diese Umstände wäre eine Brandausbreitung auf angrenzende Bereiche anzunehmen (S 185/II). Bei dieser Sachlage ist es irrelevant, ob zur Herstellung des Brandsatzes ein Benzin-Öl- oder Benzin-Phosphor-Gemisch verwendet wurde.

Die Angaben des Beschwerdeführers (vor Gendarmerie und Untersuchungsrichter, siehe S 23 ff/I und ON 13) in Verbindung mit jenen des Mitverdächtigen Ibrahim B***** (S 53 ff/I) begründen den dringenden Verdacht, daß der Angeklagte aus politischen Motiven an der Planung der Brandanschläge auf türkische Clublokale in Österreich, Herstellung der Brandsätze für beide verfahrensgegenständliche Anschläge und dem Auskundschaften der Tatorte beteiligt war und einen Brandsatz (in das Lokal des Türkisch-Österreichischen Sport- und Freizeitklubs in W*****) selbst geworfen hat. In Verbindung mit dem eingeholten Brandgutachten ist der dringende Tatverdacht des Verbrechens nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB indiziert. Ob die vorliegenden, den dringenden Tatverdacht durch die Art der Tatbegehung auch in subjektiver Richtung stützenden Beweismittel letztlich zu einer Verurteilung führen, muß der freien Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes überlassen bleiben.

Auch den Überlegungen des Oberlandesgerichtes zum Haftgrund der Tatbegehungs- und Ausführungsgefahr ist zu folgen.

Nach den kriminaldienstlichen Erhebungen besteht der dringende Verdacht, daß der Beschwerdeführer innerhalb der DHKP-C, einer türkischen Organisation, eine führende Position innehat (S 327/I) und zu dieser Kontakte herstellt (Aussage des Mitbeschuldigten Olcay Y***** vor der Gendarmerie, S 377/I). Diese ist eine illegale türkische Untergrundorganisation, deren legale Plattform (in deutscher Übersetzung) die Bezeichnung "Umsturz, Volk, Kraft" führt (Vernehmung des Mitbeschuldigten Yilmaz K***** vor dem Untersuchungsrichter, ON 48). Nach der Verantwortung des Beschuldigten selbst weisen die Taten eindeutig politische Motivation auf, ein an einem Tatort zurückgelassenes Bekennerschreiben kündigt weitere Racheanschläge an (S 55/I).

Diese Umstände stellen bestimmte Tatsachen für die Annahme der Gefahr dar, der Beschuldigte werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens eine strafbare Handlung mit schweren Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete strafbare Handlung mit schweren Folgen, sowie die ihm angelastete versuchte (oder angedrohte) Tat ausführen.

Überlegungen zum weiter vom Oberlandesgericht angenommenen Haftgrund können daher entfallen.

Insgesamt zeigt sich damit aber auch, daß der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz den Beschwerdeführer nicht im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzte, weshalb seine Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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