OGH 15Os65/96(15Os70/96)

OGH15Os65/96(15Os70/96)9.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Mai 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Dr.Schindler, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Waldner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Heinz P***** wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 24. November 1995, GZ 12 Vr 1308/95-22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen (auch soweit die Berufung des Angeklagten als implizierte Beschwerde nach § 498 Abs 3 StPO zu betrachten ist) werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthält, wurde Heinz P***** des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (1.) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (2.) schuldig erkannt, weil er am 8.Juni 1995 in Klagenfurt

(zu 1.) Herbert Ka***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod und mit Gewalt zum Verlassen seiner Wohnung genötigt hat, indem er ihm eine Gaspistole an die Schläfe ansetzte und sodann - nach den Urteilsfeststellungen allerdings nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang - mehrere Schüsse abgab;

(zu 2.) Hubert T***** durch Versetzen von Schlägen mit einer Gaspistole auf den Kopf vorsätzlich am Körper verletzt hat, wodurch dieser Rißquetschwunden über dem linken Auge und am Hinterkopf erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die vom Angeklagten auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, mit der Feststellungsmängel in bezug auf das Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes der Putativnotwehr (§ 8 StGB) und des Entschuldigungsgrundes des Rechtsirrtums (§ 9 StGB) behauptet werden.

Vorweg: Ein Feststellungsmangel in der Bedeutung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes liegt vor, wenn die Beweislage auf einen erheblichen, im Urteil aber nicht konstatierten Umstand hinweist.

Zur monierten Nichtfeststellung für die Annahme von Putativnotwehr führt die Beschwerde ins Treffen, aus den Aussagen der Zeugen Ki***** und D***** ergäbe sich, daß die Zeugen Ka***** und T***** auf den Angeklagten losgegangen seien und versucht hätten, auf ihn einzuschlagen, sodaß dieser sich bedroht gefühlt habe.

Dabei negiert der Angeklagte, daß Ki***** und D***** nach dem Inhalt des Protokolls über die Hauptverhandlung am 24.November 1995 nicht ausgesagt haben, daß auch Ka***** den Angeklagten attackiert hat; er übergeht weiters die Urteilsfeststellung, daß der tätliche Angriff des T***** erst nach der Bedrohung Ka***** stattgefunden hat (US 8).

Demnach ist dem Schöffengericht bei Bedacht auf § 258 Abs 2 StPO kein Feststellungsfehler hinsichtlich der vom Angeklagten behaupteten Putativnotwehrsituation unterlaufen.

Aber auch der relevierte Feststellungsmangel bezüglich eines Rechtsirrtums des Angeklagten liegt nicht vor. Denn das Erstgericht ist bei der Urteilsfällung ersichtlich von der Verantwortung des Angeklagten ausgegangen, daß er die Tat laut Pkt 1 des Urteilssatzes als gerechtfertigt ansah (S 221); es hat aber aus zutreffenden rechtlichen Erwägungen (US 11 f) dem Angeklagten ein Selbsthilferecht nicht zugebilligt und demgemäß mit Recht das Vorliegen eines - nicht vorwerfbaren - Rechtsirrtums verneint.

Da der Angeklagte mit seinen Einwänden bezüglich des Vorliegens von Putativnotwehr von akten- und urteilsfremden Annahmen ausgeht, hinsichtlich des behaupteten Rechtsirrtums jedoch die tatsächlichen Urteilsannahmen übergeht, die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes den Vergleich des Urteilssachverhalts in seiner Gesamtheit und des dem Urteil zugrundeliegenden Akteninhaltes erfordert, gelangt die Nichtigkeitsbeschwerde nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung. Sie war daher gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Daraus folgt, daß die Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten (auch soweit sie als implizierte Beschwerde nach § 498 Abs 3 StPO zu betrachten ist) und des öffentlichen Anklägers in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz fällt (§§ 285 i, 498 Abs 3 StPO).

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