OGH 13Os60/96

OGH13Os60/968.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Mai 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Ebner, Dr. Rouschal und Dr. Holzweber als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gottweis als Schriftführerin in der Strafsache gegen Marcus Vinicus Patricis D***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Jänner 1996, GZ 2 d Vr 11633/95-49, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marcus Vinicius Patricio D***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt, weil er im Oktober 1995 die am 5. Oktober 1983 geborene unmündige Claudia R***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbrauchte, indem er an ihr einen Analverkehr durchführte.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen fest, daß der Angeklagte, nachdem er sein erigiertes Glied und das Gesäß des Opfers zuvor mit Speichel eingerieben hatte, mit seinem Glied zumindest zum Teil in dessen Anus eindrang, wodurch das Mädchen nicht verletzt wurde (US 4, 5).

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Schuldspruch gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Die Verfahrensrüge (Z 4) moniert die Abweisung des Antrages auf Einholung eines fachmedizinischen Sachverständigengutachtens. Dieser zunächst schriftlich verfaßte Antrag (ON 47), der zum Nachweis dafür gestellt worden war, daß auf Grund der "körperlichen Konstitution" des Angeklagten der "vorgeworfene" Analverkehr weder ohne massive Schmerzen noch ohne bleibende Verletzungen des Opfers hätte vorgenommen werden können, wurde in der Hauptverhandlung wiederholt und dahin ergänzt, daß damit auch erwiesen werden sollte, daß die angeklagte Tat nicht nach der Schilderung des Opfers vor der Polizei (S 31, 83 ff) habe durchgeführt werden können (S 227). Der im Beweisantrag unterstellte ("vorgeworfene") Analverkehr, ist aber nicht der im Urteil konstatierte. Der Urteilsfeststellung lag vielmehr die vor dem Schöffengericht unter Beiziehung eines Sachverständigen abgelegte (s S 216 ff) Aussage des Tatopfers zugrunde, nicht aber die (bloß) in Berichtsform wiedergegebenen Angaben des Mädchens vor Polizeibeamten, auf die der Beweisantrag - auch nach Ablegung der Aussage vor Gericht - ausdrücklich eingeschränkt blieb (s S 227).

Das Erstgericht hat im Urteil weder "massive" Schmerzen noch bleibende Verletzungen des Mädchens konstatiert und ausdrücklich ein "tatsächliches (weiteres) Eindringen" des erigierten Gliedes in den Anus "dahingestellt" gelassen (US 5), und nur einen (rechtlich noch relevanten, vgl Mayerhofer/Rieder, StGB4, § 207 E 2 a) Kontakt der betroffenen Körperteile als gesichert erachtet. Der im übrigen als unzulässige Neuerung zu wertenden Beschwerdehinweis, daß schon aufgrund der körperlichen Konstitution eine Verletzung "unbedingt erforderlich" ist, übersieht, daß es dafür auch eines entsprechenden (großen) körperlichen Einsatzes bedarf, gerade den hat aber bewußt das Schöffengericht nicht festgestellt. Verteidigungsrechte des Angeklagten wurden somit durch die Unterlassung der Durchführung des beantragten Beweises nicht verletzt.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) stellt mehrere, aus dem Zusammenhang gelöste Teile der Aussagen des Opfers in verschiedenen Verfahrensstadien in den Vordergrund und bezieht sich abermals auf den Bericht über die erste Vernehmung des Opfers durch die Polizei.

Den Beschwerdeausführungen zuwider haben die Tatrichter, die ihre Feststellungen vor allem auf die Zeugenaussage des Opfers (in der Hauptverhandlung) im Zusammenhang mit den Ausführungen des kinderpsychiatrischen Sachverständigen gründeten (US 5), die vor der Hauptverhandlung deponierten und nur in Berichtsform vorliegenden Angaben des Mädchens nicht ignoriert und dazu den seelischen und geistigen Zustand wie auch die Aussagefähigkeit und -tüchtigkeit der Zeugin erwogen, bedenkliche Widersprüche jedoch nicht festgestellt (US 6). Damit haben sie im Wege freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO), die auch durch eine Tatsachenrüge nicht mit dem Hinweis auf eine bedenkliche Beweiswerterwägung der Erstrichter bekämpft werden kann (vgl Mayerhofer/Rieder, StPO3, § 281 Z 5 a E 4), unter Berücksichtigung der Verschiedenartigkeit der Angaben des Opfers jenen in der Hauptverhandlung den Vorzug gegeben und ihren Feststellungen zugrunde gelegt. Die von der Beschwerde besonders betonten unwesentlichen Begleitumstände der Tat (Lage eines WC in Tatortnähe; Ausmaß der Entkleidung des Opfers und des Täters) vermögen auch unter Berücksichtigung von diesbezüglichen abweichenden Angaben keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen hervorzurufen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit als offenbar unbegründet schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285 i StPO).

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