OGH 14Os45/96

OGH14Os45/967.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Mai 1996 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Ebner, Dr. E.Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Waldner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz F***** wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 21. Dezember 1995, GZ 7 Vr 928/95‑9, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Zehetner, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Patzak zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1996:0140OS00045.960.0507.000

 

Spruch:

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Qualifikationsausspruch nach § 129 Z 2 StGB laut Punkt A/2 des Urteilssatzes, demgemäß auch im Strafausspruch, aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Franz F***** wird wegen der ihm laut den unberührt gebliebenen Teilen des Schuldspruchs zur Last liegenden Taten des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB schuldig erkannt und nach § 127 StGB zu 3 (drei) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie sich auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO stützt, sowie mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Im übrigen wird seine Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Seiner Berufung wegen des Ausspruches über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch enthält (B), wurde der Angeklagte Franz F***** des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 2 StGB schuldig erkannt (A) und zu sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Dem Privatbeteiligten Walter D***** wurde gemäß § 369 Abs 1 StPO ein Schadenersatzbetrag von 2.500 S zugesprochen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat der Angeklagte am 10. September 1995 in H***** nachgenannten Personen fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

1. dem Johann M***** eine Schachtel mit Musikkassetten unbekannten Wertes;

2. dem Walter D***** Dieseltreibstoff unbekannten Wertes aus dem Tank seines LKW durch Nachsperren des Tankschlosses.

 

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, in der er sich aus den Gründen der Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO nur gegen den Qualifikationsausspruch nach § 129 Z 2 StGB im Faktum 2 wendet; in Ansehung des Faktums 1 macht er die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit a und 10 geltend. Den Strafausspruch und den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche ficht er mit Berufung an.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof zunächst davon überzeugen, daß das angefochtene Urteil an einem materiellrechtlichen Feststellungsmangel (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) leidet, der dem Angeklagten zum Nachteil gereicht, von ihm aber ‑ ungeachtet seiner in dieselbe Richtung zielenden formellen Einwände ‑ nicht geltend gemacht worden ist (§ 290 Abs 1 StPO). Die Tatrichter sind, wie sich aus dem im Spruch verwendeten Ausdruck "Nachsperren" und der im Urteil nachgetragenen Begründung für die Abweisung der allesamt auf die Widerlegung des Einbruchsvorwurfes (§ 129 Z 2 StGB) abstellenden Beweisanträge eindeutig ergibt, davon ausgegangen, daß der Angeklagte das Tankschloß mit einem Schlüssel geöffnet hat, ohne daran Spuren zu hinterlassen (US 8 letzter Abs). Ein "Aufbrechen" mit einem anderen nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug wurde darnach ‑ trotz der ersichtlich nur auf einen sprachlichen Mißgriff zurückzuführenden Verwendung dieses Ausdruckes (US 4) ‑ nicht angenommen, zumal dieser Vorgang ohne Hinterlassung von Spuren der Gewaltanwendung kaum denkbar ist.

Das Öffnen eines Behältnisses mit einem Schlüssel erfüllt aber nur dann die Qualifikation des § 129 Z 2 StGB, wenn es sich um einen nachgemachten oder einen widerrechtlich erlangten Schlüssel handelt. Die Verwendung eines zufällig passenden Schlüssels hingegen bewirkt diesen strafsatzerhöhenden Umstand nicht (SSt 48/37 verst Senat; Leukauf‑Steininger Komm3 § 129 RN 18 a, 20).

Im Urteil fehlen nun ‑ nach dem Vorgesagten durch die Verfahrensergebnisse indizierte ‑ Feststellungen darüber, welcher Art der vom Angeklagten beim Diebstahl verwendete Schlüssel war. Dieser, aus einem Rechtsirrtum unterlaufene Mangel läßt sich nach der Aktenlage in einem zweiten Rechtsgang nicht mehr sanieren, weil kein Anhaltspunkt dafür erkennbar ist, wonach mit mängelfreier Begründung die Verwendung eines bloß zufällig passenden Schlüssels, der nicht widerrechtlich erlangt worden ist, ausgeschlossen werden könnte.

Der fehlerhafte Qualifikationsausspruch war daher vom Obersten Gerichtshof sogleich aus dem davon betroffenen Schuldspruch (Faktum 2) zu eliminieren (§§ 288 Abs 2 Z 3, 290 Abs 1 StPO; vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 E 28 zu § 288).

Den darauf abzielenden formellen Beschwerdeeinwänden (§ 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5 a StPO) des Angeklagten ist damit im Ergebnis Rechnung getragen, weshalb es eines Eingehens auf diese nicht mehr bedarf.

Im übrigen (Faktum 1) aber versagt die Beschwerde.

Daß die Musikkassetten völlig wertlos gewesen wären, kann der Aussage der Zeugin Elisabeth M***** nicht entnommen werden. Eine solche Interpretation wird ihrer Bewertung der Kassetten als "unbedeutend" (S 71) nicht gerecht und vermag daher von vornherein keine taugliche Grundlage für den Einwand (Z 9 lit a) abzugeben, daß das Erstgericht aus einem Rechtsirrtum eine nach den Verfahrensergebnissen indizierte Feststellung nicht getroffen hätte.

Auch die auf eine Beurteilung der beiden Schuldspruchfakten bloß als Vergehen der Entwendung nach § 141 Abs 1 StGB abzielende Subsumtionsrüge (Z 10) wurde vom Beschwerdeführer nicht prozeßordnungsgemäß dargestellt, zeigt er doch keine aktenkundigen Umstände auf, die auf eine der privilegierenden Tatmotivationen hingewiesen und zu entsprechenden Feststellungen Anlaß gegeben hätten. Der hier allein in Betracht kommende Beweggrund der Unbesonnenheit kann dem vielfach und schwer einschlägig vorbelasteten Angeklagten, dem in beiden Fällen ein durchaus planvolles und überlegtes Vorgehen zur Last liegt, keinesfalls zugute gehalten werden.

Dieser Teil der Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Bei der infolge der Teilkassation des Urteils notwendig gewordenen, nunmehr nach § 127 StGB vorzunehmenden Strafneubemessung waren die einschlägigen Vorverurteilungen des Angeklagten zu überwiegend mehrjährigen Freiheitsstrafen (§ 39 StGB), der zweifache diebische Angriff und der (außertatbestandliche) hohe Schaden durch Verunreinigung des Bodens im Tatortbereich durch ausfließenden Dieseltreibstoff (Faktum 2), deren Beseitigung einen Kostenaufwand von 60.000 S bis 70.000 S erforderlich machte (S 35), erschwerend; mildernd hingegen nur, daß beide Angriffe beim Versuch geblieben sind.

Die ausgemessene Strafe entspricht trotz der Geringfügigkeit der angestrebten Bereicherung angesichts der außergewöhnlichen Vorbelastung des Angeklagten, die auch der Anwendung des § 37 Abs 1 StGB entgegenstand, seiner unrechtsbezogenen Schuld (§ 32 StGB).

Auf diese Entscheidung war der Angeklagte mit seiner damit gegenstandslos gewordenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe zu verweisen.

Seine Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche hinwieder, mit welcher der Berufungswerber einwendet, daß nur der Wert des gestohlenen (gemeint: des zu stehlen versuchten, aber zum Großteil ausgeflossenen) Dieseltreibstoffes, nicht aber die "offenbar im Zusammenhang mit den Gendarmerieerhebungen und der Veranlassung der Reinigung des Vorplatzes" entstandenen Aufwendungen hätten ersetzt werden dürfen, ist unbegründet.

Die Bestimmung des § 47 StPO stellt es dem durch ein Verbrechen oder durch ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen in seinen Rechten Verletzten frei, sich zur Geltendmachung seiner privatrechtlichen Ansprüche dem Strafverfahren anzuschließen. Daraus folgt, daß der durch eine strafbare Handlung der angeführten Art Verletzte dann Privatbeteiligter werden kann, wenn er in der Lage ist, gegen den Täter irgendeinen aus der strafbaren Tat hervorgegangenen privatrechtlichen Anspruch zu stellen. Es ist daher verfehlt, als Voraussetzung für den Anschlußprozeß nur einen solchen Eingriff in Privatrechte des Verletzten anzuerkennen, der das durch die in Betracht kommende Norm geschützte Rechtsgut selbst verletzt, mit anderen Worten: nur auf den tatbestandsrelevanten Schaden abzustellen. Es genügt vielmehr, daß die strafbare Handlung zur privatrechtlichen Schädigung des Verletzten überhaupt führte (vgl SSt 9/36). Dies trifft im vorliegenden Fall unzweifelhaft zu, da durch den bei der Tat ausgeflossenen Dieseltreibstoff von ca 150 Liter ein solcher privatrechtlicher Schaden nicht nur durch den Verlust dieser Treibstoffmenge, sondern unmittelbar auch durch die nur mit erheblichen Kosten zu beseitigende Verunreinigung des Bodens entstanden ist (S 29, 31, 35).

Da der Berufungswerber seine Schadenersatzpflicht nur dem Grunde nach ‑ wie dargelegt unberechtigt ‑ bestreitet, bedarf es keines Eingehens auf die Berechtigung des zugesprochenen Betrages der Höhe nach, zumal insoweit gegen die relativ bescheidene Bezifferung des Schadens durch den Geschädigten keinerlei Bedenken bestehen (§ 369 Abs 2 StPO).

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.

 

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte