Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien vom 11.Juli 1995 (ON 16) wurde Rudolf H***** als Vergehen der versuchten Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (I) und als Verbrechen des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (II) zur Last gelegt, am 26.April 1995 in Wien jeweils als Mittäter gemeinsam mit gesondert verfolgten Jugendlichen den damals 14-jährigen Sonderschüler Robert S***** (zu I) unter anderem durch Schläge und die Androhung einer Stichverletzung zum Besteigen eines Schnellbahnwaggons sowie zur Mitfahrt genötigt und (zu II) durch Zufügen weiterer Schläge ins Gesicht Bargeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen bzw abzunötigen versucht zu haben.
Von beiden Anklagevorwürfen wurde Rudolf H***** mit dem angefochtenen Urteil (das überdies einen unbekämpft gebliebenen Schuldspruch des Angeklagten wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB enthält) gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen den Freispruch (in Ansehung beider Fakten) aus dem Grunde des § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft schlägt fehl.
Das Erstgericht ist bei seinem freisprechenden Erkenntnis in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, daß Robert S***** um die Mittagszeit des 26.April 1995 nach Verlassen seiner Schule im
16. Wiener Gemeindebezirk im Bereiche einer Schnellbahnhaltestelle von fünf der sogenannten "Skinhead"-Szene zuzurechnenden Burschen durch Versetzen von Schlägen bzw Verdrehen der Arme und der Ankündigung des "Abstechens" unter Anhalten eines spitzen Gegenstandes gegen den Rücken zum Einsteigen in einen Schnellbahnwaggon und zur Mitfahrt bis zur Station "Heiligenstadt" gezwungen wurde und die Täter anschließend versuchten, das Opfer durch Festhalten und Zufügen weiterer Schläge zur Herausgabe von 1.000 S Bargeld zu zwingen.
Obwohl Robert S***** auch im Rahmen mehrfach durchgeführter Gegenüberstellungen - am 20.Juni 1995 bzw am ("21." - richtig:) 22. Juni 1995 vor der Sicherheitsbehörde (S 99 und 103), wie auch später vor der Untersuchungsrichterin (S 124) und dem erkennenden Gericht (S 306 ff) - den Angeklagten und teilweise auch den gesondert verfolgten Jugendlichen Mario Sch***** als Tatbeteiligte bezeichnet hatte, sah der Schöffensenat den Schuldbeweis für nicht erbracht an. Nach Überzeugung des Erstgerichtes sei dem Tatopfer bei der Identifizierung des Mario Sch***** "offensichtlich" ein Irrtum unterlaufen, weil dieser ungeachtet der nicht sicheren Verifizierung seiner Darstellung, sich zur Tatzeit an seiner Arbeitsstätte aufgehalten zu haben, als Komplize "nicht in Betracht" komme; angesichts der insoweit fraglichen Verläßlichkeit des Zeugen S***** könne "ein Irrtum" auch hinsichtlich der Person des Angeklagten nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, "zumal die (erste) Gegenüberstellung erst ca acht Wochen nach dem Vorfall stattgefunden habe und daher ein "problematisches Beweismittel" darstelle (US 8 ff).
Die von der Anklagebehörde dagegen eingewendeten Begründungsmängel laufen insgesamt auf eine im Nichtigkeitsverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile verwehrte Bekämpfung der den Tatrichtern vorbehaltenen Abwägung der Beweisresultate hinaus. Denn der Schöffensenat hat die zum Freispruch führenden Erwägungen durchaus denk- möglich und somit formell einwandfrei dargelegt, ohne dabei wesentliche Beweisergebnisse, etwa die den Angeklagten belastenden Aussagen des Zeugen S***** vor der Untersuchungsrichterin und in der Hauptverhandlung oder die theoretische Möglichkeit der Anwesenheit des (allfälligen) Komplizen Mario Sch***** am Tatort unberücksichtigt zu lassen (US 9, 10). Soweit die Staatsanwaltschaft die Überlegungen des Erstgerichts zum Beweiswert einer erst längere Zeit nach der Tat erfolgten Konfrontation des Opfers mit verdächtigen Personen in Frage stellt, übersieht sie, daß die Beurteilung der Glaubwürdigkeit bzw der Erinnerungsfähigkeit eines Zeugen ausschließlich der Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes unterliegt und ein Freispruch nur dann erfolgreich aus dem hier geltend gemachten Nichtigkeitsgrund bekämpft werden könnte, wenn die aus zweifelsfrei festgestellten Prämissen (hier: der erstmaligen Gegenüberstellung des Tatbetroffenen mit dem Angeklagten rund zwei Monate nach dem Vorfall) gezogenen Schlußfolgerungen (auf die Unzuverlässigkeit des Ergebnisses einer derartigen Maßnahme) denkunmöglich wären (Foregger-Kodek StPO6 Erl V; Mayerhofer-Rieder StPO3 E 42 a, jeweils zu § 258).
Im übrigen schilderte Robert S***** erst im Rahmen seiner Niederschrift vor der Bundespolizeidirektion Wien (Abteilung I) am 20. Juni 1995 nähere Einzelheiten über die am 26.April 1995 an ihm begangene Nötigung und den Raubversuch (S 75 ff), während er in der unmittelbar nach dem Vorfall im Wachzimmer Koppstraße erstatteten Anzeige lediglich eine von einem (einzigen) etwa 15-jährigen Täter verübte Körperverletzung bekundete (vgl S 65 sowie die im angeschlossenen Kopienakt erliegende Anzeigenablichtung vom 26.April 1995). Der beim Jugendgerichtshof Wien zum AZ 14 Vr 502/95 gesondert verfolgte Mario Sch***** ist bezüglich des gegenständlichen Sachverhalts bereits zufolge Beschlusses des Untersuchungsrichters vom 14.September 1995 gemäß § 109 Abs 1 StPO außer Verfolgung gesetzt worden (vgl S 1 e f des Antrags- und Verfügungsbogens im angeschlossenen Akt AZ 14 Vr 502/95 des Jugendgerichtshofes Wien).
Die nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nicht- öffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO).
Die Entscheidung über die von der Anklagebehörde gleichzeitig erhobene Berufung kommt daher dem zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285 i StPO).
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