OGH 6Ob632/95

OGH6Ob632/9526.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kellner, Dr. Schiemer, Dr. Steinbauer und Dr. Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F.S*****gesellschaft mbH, *****vertreten durch Dr. Herbert Grass, Dr.Leonhard Ogris, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wider die beklagte Partei Ing. Klaus-Robert V*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr. Norbert Scherbaum, Mag. Günther Schmied, Rechtsanwälte in Graz, wegen 383.936,37 S, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 1. Juni 1995, GZ 6 R 37/95-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 29. November 1994, GZ 22 Cg 67/94s-10, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt als Werkunternehmerin vom Beklagten als Besteller für in seinem Haus durchgeführte Tischlerarbeiten einen restlichen Werklohn von 383.936,37 S.

Der Beklagte wandte ein, es stehe ihm aus einer getroffenen Pönalevereinbarung wegen verspäteter Fertigstellung ein Betrag zumindest in Höhe des Klagebetrages zu. Die Klägerin bestritt die Vereinbarung des Pönales.

Der Beklagte bediente sich zur Organisation und Abwicklung der Tischlerarbeiten in seinem Haus eines Architekten, der eine Ausschreibung durchführte. Die Unterlagen, die sich aus einer Leistungsbeschreibung und allgemeinen Vertragsbedingungen zusammensetzten, wurden der Klägerin übermittelt. Sie sahen unter anderem unter dem Abschnitt "Zahlungsmodalitäten" eine Konventionalstrafe (Pönale) bei Fristüberschreitung von 2 % der Auftragssumme pro Kalendertag ohne Obergrenze und für die Annahme der Offerte und den Abschluß des Werkvertrages auf Grundlage der vorgesehenen Vertragsurkunde und der AVB Schriftlichkeit vor. Die Klägerin schickte dem Architekten am 13.4.1993 eine mit Preisen versehene, unterfertigte Leistungsbeschreibung, allerdings ohne Unterzeichnung der AVB zurück. Drei Tage später fand bei der Beklagten eine Vergabebesprechung statt, bei der die einzelnen Leistungen und die Preise erörtert wurden. Dabei wurde über einen Pauschalwerklohn von 580.000 S netto inklusive Skontoabzug Einigung erzielt. In der Folge überbrachte der Architekt des Beklagten der Klägerin persönlich einen Werkvertrag mit nachstehendem Inhalt:

"WERKVERTRAG

abgeschlossen zwischen Herrn Ing. Klaus-R.V***** in der Folge als Auftraggeber kurz A genannt und der Firma S***** GesmbH in der Folge als Auftragnehmer kurz B genannt)

A überträgt B und dieser übernimmt die Tischlerarbeiten für die Baustelle Wohnhaus Familie Ing. Klaus-R.V*****, ***** gemäß den Einheitspreisen laut Angebot vom 13.4.1993 mit einer fixen Gesamtsumme (ohne Pos 29) von öS 574.563,30 (exkl.Mehrwertsteuer) Preisnachlaß von 7 % bereits abgezogen.

Für die Ausführung der Arbeiten sind in nachstehender Reihenfolge die Pläne, die Bestimmungen der Ausschreibung und des Leistungsverzeichnisses, die allgemeinen rechtlichen Vertragsbedingungen gemäß Ö-Norm .... sowie die allgemein anerkannten Regeln der Technik maßgebend.

Arbeitsbeginn: sofort.

Fertigstellungstermin: 7.5., 27.5. und 11.6.1993 (laut Ausschreibung).

Konventionalstrafe: A ist berechtigt, bei Überschreitung der Endtermine je angefangenem Kalendertag eine Pönale von 2 % (je Abschnitt) von der Endabrechnung in Abzug zu bringen.

Zahlungsbedingungen: Die Abrechnung der Leistungen erfolgt nach kontrolliertem Ausmaß und den vereinbarten Einheitspreisen. Anzahlung bei Auftragserteilung: öS 150.000. Abrechnungsbetrag ohne Skonto, Zahlung bei Erhalt der Rechnung. Haftrücklaß über 5 % der Rechnungssumme auf drei Jahre nach Übernahme durch die Bauleitung.

Ort und Datum der Vertragsunterzeichnung:

Der Auftraggeber Der Auftragnehmer".

Dieser Vertrag, der auch die Unterschrift des Auftraggebers noch nicht enthielt, wurde von der klagenden Partei nicht unterfertigt, sie sandte vielmehr ihrerseits am 5.5.1993 an den Beklagten ein als "Auftragsbestätigung" bezeichnetes Schreiben mit folgendem Inhalt:

"AUFTRAGSBESTÄTIGUNG

betrifft Bauvorhaben Wohnhaus Familie Ing. Klaus-R.V*****.

Sehr geehrter Herr Ing.V*****

Vorerst danken wir nochmals für den an uns erteilten Auftrag, können jedoch den Werksvertrag in der vorliegenden Form nicht unterzeichnen.

Und zwar aus folgenden Gründen:

1. Die Furniere Erable wurde erst am 4.5.1993 ausgeliefert. Ein früherer Termin war unserem Lieferanten nicht möglich.

2. Die Detailplanung nimmt mehr Zeit in Anspruch als angenommen.

Wie bereits heute am 5.5.1993 mit Herrn Ing. M***** (Architekt) besprochen ist es uns aus vorgenannten Gründen nicht möglich den gewünschten Zwischentermin 7.5.1993 einzuhalten.

Der Endtermin 27.5.1993 bzw 11.6.1993 wird jedoch eingehalten.

Weiters halten wir der Ordnung halber noch wie folgt fest:

Auftragssumme gemäß den Einheitspreisen laut Angebot vom 13.4.1993 abzüglich Pos 29.

Gesamtsumme Pos 1 bis 28 und 30 S 617.810,--

minus 7 % Nachlaß S 43.246,70

___________

Angebotssumme exklusive Mehrwertsteuer S 574.563,30

Zahlung: S 150.000 Anzahlung, Rest prompt nach Rechnungslegung ohne Abzug von Skonto.

Haftrücklaß: 5 % der Rechnungssumme, Laufzeit drei Jahre nach Rechnungslegungsdatum.

Wir danken nochmals für den Auftrag und bitten zum Zeichen Ihres Einverständnisses um Unterzeichnung und Retournierung der beiliegenden Zweitschrift.

Auftragnehmer (beklagte Partei eh)

Auftraggeber:"

Der Beklagte unterrichtete seinen Architekten nicht von diesem Schreiben. Ohne Unterfertigung wurden die Tischlerarbeiten "begonnen bzw fortgesetzt". Einzelne Positionen des Auftrages mußten verbessert, andere wegen Nichteinhaltung des Fertigstellungstermines vom Beklagten mehrmals urgiert werden. Seit Klageeinbringung sind keine Mängel mehr vorhanden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Rechtlich sei ein formfreier Werkvertrag zwischen den Streitteilen zustande gekommen. Die Auftragsbestätigung der Klägerin sei ein Anbot an den Beklagten, das die von der Klägerin abgelehnte Pönalevereinbarung nicht mehr enthalten habe. Der Beklagte habe die Ausführung der Tischlerarbeiten unter den in der Auftragsbestätigung angeführten Bedingungen, also ohne Pönaleverpflichtung konkludent angenommen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Nach Beseitigung der aktenwidrigen Feststellungen, der Beklagte habe es unterlassen, auf seine Vertragsbedingungen ausdrücklich und unmißverständlich hinzuweisen und die Klägerin habe in ihrer Auftragsbestätigung vom 5.5.1993 auf die nachteilige Vertragsbedingung einer Pönaleregelung hingewiesen, sei die Rechtssache noch nicht spruchreif: Die Klägerin habe mit der Anbotlegung die ihr mit der Ausschreibung übersandten allgemeinen Bedingungen des Klägers akzeptiert. Daß auch die Pönaleverpflichtung letztlich Vertragsinhalt geworden sei, könne noch nicht abschließend beurteilt werden. Da der Vertreter des Beklagten der klagenden Partei den Werkvertrag persönlich überbracht habe, sei nach §§ 861, 884 ABGB zu vermuten, daß die Parteien wegen des Vorbehaltes der Anwendung der Schriftform in den allgemeinen Bedingungen vor Erfüllung dieser Form nicht gebunden sein wollten. Wenn sich die klagende Partei bei der Besprechung am 28.4.1993 ausdrücklich gegen die ihm Vertragsentwurf enthaltene Pönaleverpflichtung ausgesprochen haben sollte, wofür die Aussagen einiger im Verfahren vernommener Personen sprächen, dann wäre dem Beklagten (durch seinen Vertreter) die Kenntnis vom gegnerischen Willen, die Pönaleverpflichtung nicht eingehen zu wollen, noch vor Vertragsabschluß zugekommen. Daß bestimmte Teile der allgemeinen Vertragsbedingungen nicht Vertragsinhalt werden sollten, sei hier nicht ungewöhnlich, auch bei den Zahlungsmodalitäten seien andere als in den Bedingungen vorgesehene Regelungen getroffen worden. Auf diese Absicht weise auch der Umstand hin, daß ein bestimmter Teil der Arbeiten "ohne Rechnung" erbracht werden sollte. Sei der Architekt des Beklagten in Kenntnis der ablehnenden Haltung der Klägerin gewesen, eine Pönaleverpflichtung einzugehen, dann sei die "Auftragsbestätigung" der Klägerin nicht als Zustimmung zu dem nicht unterfertigten Werkvertrag sondern als eigene Offerte anzusehen. Aus der Zusammenfassung von Vertragspunkten in der "Auftragsbestätigung" und dem Ersuchen um Unterfertigung und Retournierung einer Zweitschrift zum Zeichen des Einverständnisses könne, falls eine Ablehnung der Übernahme einer Pönaleverpflichtung tatsächlich stattgefunden habe, auf den Charakter von sich kreuzenden Offerten geschlossen werden. Sollte ein deutlicher Hinweis der klagenden Partei auf die Ablehnung einer Pönaleverpflichtung anläßlich der Vertragsgespräche am 28.4.1993 nicht als erwiesen angenommen werden, sei das Schreiben der klagenden Partei vom 5.5.1993 als unbeachtlicher Versuch zu qualifizieren, sich nachträglich aus den zur Geltung erhobenen Vertragsgrundlagen zu lösen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, "weil das Schreiben vom 5.5.1993 auch bei Zutreffen des behaupteten mündlichen Einwandes am 28.4.1993 gegen die Pönaleverpflichtung rechtlich auch anders als eine kreuzende Offerte qualifiziert werden könnte".

Dagegen richtet sich der von der Klägerin beanwortete Rekurs des Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Schon aus der Begründung für die Zulassung des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluß ergibt sich, daß die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Rekurses nicht vorliegen.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, daß für das Zustandekommen zweiseitiger Rechtsgeschäfte Anbot und Annahmeerklärung deckungsgleich sein müssen. Enthält ein inhaltlich vom Anbot abweichendes Antwortschreiben ein ausreichend bestimmtes Anbot und kommt darin der endgültige Bindungswille des Antwortenden zum Ausdruck, so gilt das Antwortschreiben als neuerlicher Vertragsantrag (Gegenofferte). Wird es von dem, dessen Anbot damit abgelehnt wurde, ausdrücklich oder schlüssig angenommen, kommt ein durch den Inhalt der Gegenofferte bestimmter Vertrag zustande (JBl 1982, 652; SZ 55/144 uva). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht die Urkunden im vorliegenden Einzelfall ausgelegt und auf die damit in Zusammenhang stehenden mündlichen Erklärungen der Vertragsparteien hingewiesen.

Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß schon in dem der klagenden Partei am 28.4.1993 zur Unterfertigung vorgelegten Werkvertrag die Zahlungsbedingungen abweichend vom ursprünglichen Anbot in den allgemeinen Vertragsbedingungen enthalten sind, also nach ihrem Willen die Zahlungsbedingungen des Werkvertrages gelten sollten. Wenn daher die klagende Partei die Unterfertigung des Vertrages (auch) mit der Begründung unterließ, die Pönalevereinbarung nicht zu akzeptieren und in der Folge, um der vereinbarten Schriftlichkeit Rechnung zu tragen, um die Gegenzeichnung ihres als "Auftragsbestätigung" bezeichneten Gegenvorschlages ersuchte, der nach Aufnahme der Arbeiten (und auch noch bis nach der verspäteten Fertigstellung und Genehmigung der Schlußrechnung durch den Vertreter des Beklagten) unwidersprochen blieb, so kann darin nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalles eine Gegenofferte erblickt werden, die durch das nachfolgende Verhalten der Parteien schlüssig angenommen wurde. In dem als "Auftragsbestätigung" bezeichneten Schreiben wird nämlich eingangs ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Werkvertrag in der vorliegenden Form nicht unterzeichnet werden könne. Es enthält auch nicht nur eine (begründete) Abweichung vom ersten Fertigstellungstermin, sondern alle wesentlichen Vertragselemente, wie sie auch im Werkvertrag angeführt sind (weiters halten wir der Ordnung halber noch wie folgt fest .....), nämlich Auftragssumme, Haftrücklaß und auch die Zahlungskonditionen, diese allerdings nunmehr ohne das im Werkvertrag enthaltene Pönale.

Die vom Berufungsgericht in der Urteilsaufhebung angeordnete Prüfung des Parteienverhaltens anläßlich der Besprechung vom 28.4.1993 ist daher nicht zu beanstanden.

Da erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen sind, ist der Rekurs zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels nicht hingewiesen.

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