OGH 12Os27/96

OGH12Os27/9625.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. April 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Schindler, Dr. E.Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl F***** wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 2 und 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 5. Dezember 1995, GZ 15 Vr 415/95-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, des Angeklagten Karl F*****, und der Verteidigerin Mag. Sonja Scheed zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, Karl F***** habe durch das ihm zu Punkt C des Urteilssatzes angelastete Verhalten mit seiner Tochter Tanja F***** den Beischlaf zum Teil auch vollzogen, und demgemäß in der rechtlichen Beurteilung dieser Tat (auch) als Vergehen der vollendeten Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB sowie - gemäß § 290 Abs 1 StPO - im Schuldspruch B, Karl F***** habe das Vergehen des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses dadurch begangen, daß er durch die zu Punkt A/I und II angeführten Tathandlungen sein minderjähriges Kind zur Unzucht zu mißbrauchen versuchte bzw mißbrauchte, demgemäß auch im Strafausspruch - ausgenommen die Vorhaftanrechnung - aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Karl F***** hat zu Punkt C das Vergehen der versuchten Blutschande nach §§ 15, 211 Abs 1 StGB begangen

und wird hiefür sowie für das ihm weiterhin zur Last fallende Verbrechen der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 2 und 15 StGB (A) nach §§ 28 Abs 1, 201 Abs 2 StGB zu

2 1/2 (zweieinhalb) Jahren Freiheitsstrafe

verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Strafneubemessung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl F***** des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 2 und 15 StGB (A) sowie der Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 212 Abs 1 (erster Fall) und 15 StGB (B) und der teils vollendeten, teils versuchten Blutschande nach §§ 211 Abs 1 und 15 StGB (C) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Melk

(A) außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB seine am 11. November 1978 geborene leibliche Tochter Tanja F***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes

I. am 17. April 1995 dadurch zu nötigen versucht, daß er sie auf ihr Bett stieß, ihre Hände über den Kopf verkreuzt festhielt und sie auszuziehen begann;

II. am 30. April 1995 dadurch genötigt, daß er sie auf ihr Bett stieß, ihr den Mund zuhielt, sie entkleidete und mit seinem Glied in die Scheide einzudringen suchte;

(B) durch die zu Punkt A/I und II angeführten Tathandlungen sein minderjähriges Kind zur Unzucht zu mißbrauchen versucht bzw mißbraucht;

(C) durch die zu Punkt A/I und II angeführten Tathandlungen mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf zu vollziehen versucht bzw - so der Urteilsspruch - vollzogen.

Rechtliche Beurteilung

Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 5 a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5) zuwider hat sich das Erstgericht mit der wechselnden Verantwortung des Angeklagten, wonach er einerseits fehlende Erinnerung an die inkriminierten Vorfälle behauptete (S 73 f, 141 f, 145), andererseits aber den ihm angelasteten sexuellen Mißbrauch seiner Tochter Tanja F***** bestritt (S 113, 177), hinlänglich auseinandergesetzt, beide Einlassungsvarianten jedoch aufgrund der vorliegenden Verfahrensergebnisse für widerlegt erachtet (US 5). Das in der Beschwerde hervorgehobene Fehlen von Verletzungen des Opfers und von Beschädigungen seiner Bekleidung (S 27, 35) bedurfte schon deshalb keiner näheren Erörterung, weil diese (aktenkundigen) Umstände die im Ersturteil beschriebene, auch nachvollziehbare Anwendung von Gewalt durch den Angeklagten nicht ausschließen.

Als unbeachtliche Angriffe auf die tatrichterliche Beweiswürdigung können jene Beschwerdeausführungen auf sich beruhen, die unter Hinweis auf die nach Meinung des Angeklagten unglaubwürdige Tatschilderung der Tanja F***** der Sache nach auf den Versuch hinauslaufen, die Beweiskraft dieser Belastungszeugin in Zweifel zu ziehen, ohne damit aber einen formalen Begründungsfehler im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzeigen zu können. Das Erstgericht hat deren belastende Angaben zwar als vornehmliche, keineswegs aber als alleinige Erkenntnisquelle herangezogen und ihre Vorfallsdarstellungen auch anhand der weiteren Verfahrensergebnisse einer Überprüfung unterzogen (US 7). Schließlich entzieht sich der nicht näher substantiierte Vorwurf einer Undeutlichkeit und einer unzureichenden Begründung des angefochtenen Urteils überhaupt einer sachbezogenen Erörterung.

Nicht stichhältig ist auch das Beschwerdevorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5 a), mit welchem der Angeklagte unter Wiederholung von schon in der Mängelrüge vorgebrachten Argumenten (etwa zur Frage des Fehlens von Verletzungs- und Beschädigungsspuren) versucht, den Beweiswert der Angaben der Zeugin Tanja F***** in Zweifel zu ziehen, um damit seiner (wie dargelegt mängelfrei verworfenen) Verantwortung doch noch zum Durchbruch zu verhelfen. Dieses Vorbringen ist im Lichte der gesamten Aktenlage nicht geeignet, gegen die Richtigkeit der auf die bekämpften Schuldsprüche bezogenen Tatsachenannahmen des Schöffengerichtes erhebliche Bedenken hervorzurufen.

Als zutreffend erweist sich hingegen der in der Subsumtionsrüge (Z 10) erhobene Einwand, die dem Schuldspruchfaktum C zugrundeliegenden Tathandlungen seien ausschließlich als Vergehen der versuchten Blutschande nach den §§ 15, 211 Abs 1 StGB zu beurteilen.

Die Vollendung des Vergehens der Blutschande setzt die Vollziehung des Beischlafes (dh die Vereinigung der Geschlechtsteile von Täter und Opfer - vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 211 RN 3) voraus. Nach den erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen ist es aber in keinem Fall zum Vollzug des Beischlafes gekommen (US 3 f, 8), weshalb der Angeklagte insoweit nur Deliktsversuch zu verantworten hat.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher teilweise - wie im Spruche ersichtlich - Folge zu geben; im - sonst wie dargelegt - nicht berechtigten Umfang war sie zu verwerfen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, daß das Strafgesetz auch beim Schuldspruch wegen des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 (erster Fall) StGB (Punkt B des Urteilssatzes) unrichtig angewendet wurde (§ 290 Abs 1 StPO).

Nach gefestigter Rechtsprechung (EvBl 1996/16; Leukauf/Steininger Komm3 § 212 RN 23 mwN) kommt eintätiges Zusammentreffen der Deliktsfälle des § 212 StGB (in denen das Opfer zur Unzucht mißbraucht wird - jeweils erster Fall in Abs 1 und Abs 2 leg.cit.) mit Sexualdelikten, die unter Brechung des dem sexuellen Mißbrauch entgegenstehenden Willens begangen wurden, nicht in Betracht. Da der Angeklagte vorliegend den Widerstand seiner Tochter mit Gewalt gebrochen bzw zu brechen versucht hat, war mithin der Schuldspruch B gleichfalls aus dem Urteil auszuschalten.

Die dadurch notwendig gewordene Strafneubemessung war nach §§ 28 Abs 1, 201 Abs 2 StGB vorzunehmen.

Dabei waren die Wiederholung des Angriffes und das Zusammentreffen eines Verbrechens und eines Vergehens erschwerend, mildernd hingegen der Umstand, daß das Verbrechen der Vergewaltigung zum Teil, das Vergehen der Blutschande stets beim Versuch blieb, zu berücksichtigen.

Im Hinblick auf die eingestandene - bereits verjährte - sittliche Verfehlung gegenüber seiner Stieftochter und den manifesten Alkoholmißbrauch konnte dem Angeklagten ein bisher ordentlicher Lebenswandel nicht zugutegehalten werden.

Bei Gewichtung der Strafzumessungsgründe, vor allem aber der Art des - zum Teil gegen das nach einer Operation behinderte Opfer gerichteten - verpönten Verhaltens entspricht die ausgesprochene Freiheitsstrafe der tat- und täterbezogenen Schuld.

Für die Nachsicht eines Teiles der Strafe ist nach Lage des Falles aus präventiver Sicht kein Raum.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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