OGH 3Ob136/95

OGH3Ob136/9524.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der führenden betreibenden Partei B***** AG, ***** vertreten durch Dr.Peter Kaupa, Rechtsanwalt in Baden und weiterer beigetretener Gläubiger, wider die verpflichtete Partei Erich A*****, vertreten durch Dr.Brigitte Birnbaum und Dr.Rainer Toperczer, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,000.000 sA, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 12.April 1995, GZ 16 R 9/95-61, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Baden vom 20.September 1994, GZ 6 E 1157/93b-53, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Gegenstand des Verfahrens ist die Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ 229 Grundbuch R*****, in ***** B*****, W*****straße 75, mit einer Gesamtfläche von 2398 m**2, auf der ein villenartiges Wohngebäude mit Untergeschoß, Erdgeschoß und Dachgeschoß sowie einem Anbau und ein Garagengebäude errichtet wurden; die Liegenschaft ist zu ca 13,7 % bebaut. Der Einheitswert für dieses Mietwohngrundstück beträgt zum Stichtag 1.1.1983 S 530.000. Zubehör ist nicht vorhanden.

Der Sachverständige Arch.Dipl.Ing.Herbert O***** nahm in seinem Gutachten vom 3.9.1993 (ON 14) die Bewertung der Liegenschaft sowohl nach dem Sachwertverfahren als auch aufgrund eines bestehenden Mietvertrages nach dem Ertragswertverfahren vor und leitete den Verkehrswert in Höhe von S 2,150.000 aus den Ergebnissen beider Bewertungen ab. Er ermittelte den Grundwert mit S 3,848.600, den Bauwert mit S 3,450.000, somit den Sachwert der Liegenschaft mit S 7,298.600. Bei der Ermittlung des Ertragswertes legte der Sachverständige den ihm vorgelegten Mietvertrag zwischen dem Verpflichteten als Vermieter und seiner Ehegattin, Mag.phil.Maria-Anna A***** als Mieterin vom 1.8.1986 zugrunde. Danach ist die gesamte Liegenschaft auf unbestimmte Zeit vermietet; eine Kündigung ist nur im Falle der Scheidung vorgesehen und bedarf auch dann einer ausdrücklichen einvernehmlichen Regelung. Der Mietzins beträgt unter Berücksichtigung der familiären Situation monatlich S 750 zuzüglich 10 % USt. Die Betriebskosten sind dem Vermieter von der Mieterin im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten zu ersetzen. Es erfolgt ausdrücklich keine Wertsicherung. Der Mieterin ist die teilweise oder gänzliche Weitergabe des Mietobjektes nach Rücksprache mit dem Vermieter an Dritte gestattet.

Unter Zugrundelegung des Jahresertrags von S 9.000 ermittelte der Sachverständige einen Ertragswert von S 170.100. Den Verkehrswert ermittelte der Sachverständige unter Zugrundelegung eines 70 %-Anteils Ertragswert von S 170.100, d.s. S 119.070, und eines 30 %-Anteils Sachwert von S 7,298.600, d.s. S 2,189.580, insgesamt S 2,308.650 abzüglich Kosten des aufgestauten Reparaturbedarfes zur Erhaltung der Bausubstanz von S 158.650, somit S 2,150.000.

Das Erstgericht bewertete mit Beschluß vom 16.9.1993 die Liegenschaft mit S 2,150.000 und teilte mit, daß Anträge, Erinnerungen und Einwendungen gegen die Beschreibung und Schätzung oder gegen den angegebenen Schätzwert binnen acht Tagen anzubringen sind.

Die führende betreibende Partei erhob dagegen Einwendungen (ON 20), in denen sie beantragte, den Schätzwert mit S 8,000.000 festzusetzen. Der Mietvertrag mit einem monatlichen Mietzins von S 750 entspreche dem tatsächlichen Wert der Liegenschaft samt Villa in keiner Weise; der Verpflichtete habe diesen Mietvertrag in der auch seiner Gattin bekannten Absicht geschlossen, seine Gläubiger zu benachteiligen. Tatsächlich sei ein angemessener Ertragswert für die Gesamtliegenschaft zu ermitteln. Der Grundwert sei nicht mit S 2.100 pro m**2, sondern unter Berücksichtigung der besonders guten Wohnlage mit S 4.000 pro m**2 angemessen.

Der Verpflichtete erhob ebenfalls Einwendungen (ON 21), in denen er vorbrachte, auf einem Nachbargrundstück seien erhebliche Erdanhäufungen durchgeführt worden, wodurch bei Niederschlägen Oberflächenwasser auf die zu versteigernde Liegenschaft fließe. Dies führe zu einer Durchfeuchtung der Hausmauern. Der darauf bezogene Sanierungsaufwand, der vom Sachverständigen in seinem Gutachten nicht berücksichtigt worden sei, müßte zu einer Senkung des Schätzwertes führen. Weiters sei der Verkehrswert unzureichend begründet. Der Sachverständige habe nicht begründet, warum er einen 70 %igen Ertragswert und einen 30 %igen Sachwert annehme. Mit Hinblick auf den Mietvertrag vom 1.8.1986 könne auf unbestimmte Zeit überhaupt kein Ertrag aus der Liegenschaft gezogen werden; der Mietvertrag unterliege den kündigungsrechtlichen Schutzbestimmungen des MRG; der gesamte Mietzins werde von den Reparaturkosten aufgezehrt.

Das Erstgericht trug dem Sachverständigen mit Beschluß vom 18.10.1993 die Ergänzung des Gutachtens unter Stellungnahme zu den Einwendungen der betreibenden Partei und des Verpflichteten auf; es sei auch der Schätzwert anzugeben, der sich ausgehend von einem tatsächlich zu erzielenden Mietzins ergebe.

Der Sachverständige hielt in seiner Stellungnahme ON 35 am Schätzwert von S 2,150.000 unter Berücksichtigung des Mietrechtes laut Gutachten fest und ergänzte, der Schätzwert betrage unter Berücksichtigung eines angenommenen, ortsüblich erzielbaren Ertrages S 4,220.000, unter Berücksichtigung, daß die Liegenschaft frei von Mietrechten sei, S 7,140.000.

Das Erstgericht setzte hierauf den Schätzwert mit Beschluß vom 9.12.1993 (ON 37) mit S 7,140.000 fest. Zu den Einwendungen der betreibenden Partei führte das Erstgericht aus, der Verpflichtete habe mit seiner ihm gegenüber ja ohnehin unterhaltsberechtigten (wobei der Unterhaltsanspruch auch das Recht auf Wohnung umfasse) Gattin einen Mietvertrag zu einem Mietzins abgeschlossen, der nicht einmal 1/20stel des üblicherweise von dieser Liegenschaft zu erzielenden Mietzinses ausmache. Dies führe zu einem derart krassen Auseinanderklaffen zwischen Ertragswert und Substanzwert, daß die Berücksichtigung des Ertragswertes bei der Schätzwertermittlung zu einer völligen Verzerrung des Schätzungsergebnisses führen würde. Es sei daher der Wert der Liegenschaft ausschließlich unter Heranziehung des Sachwertverfahrens nach ihrem Sachwert festzusetzen. Es müsse einem potentiellen Bieter selbst überlassen bleiben, ob bzw zu welchem Preis er trotz des aus dem Akt zu entnehmenden Mietvertrags die Liegenschaft übernehmen will. Ein Schätzwert in dieser Höhe könne auch für den Verpflichteten nicht nachteilig sein, dessen Interesse ja grundsätzlich darin liegen müsse, beim Versteigerungstermin ein möglichst hohes Meistbot zu erzielen. Der Einwand der betreibenden Partei, der vom Sachverständigen in seinem Gutachten zugrundegelegte Grundpreis sei zu nieder, sei nicht berechtigt. Der Sachverständige habe die Grundpreise vergleichbarer Liegenschaften angeführt und so die Richtigkeit des von ihm ermittelten Grundwertes nachvollziehbar begründet.

Zu den Einwendungen des Verpflichteten hinsichtlich der Erdanhäufungen auf dem Nachbargrundstück verwies das Erstgericht auf die Stellungnahme des Sachverständigen, daß diese Erdanhäufungen durch eine Schallsteinmauer begrenzt seien und davon keine Wasserableitung auf die Liegenschaft des Verpflichteten erfolge. Eine negative Beeinträchtigung des Wohnobjektes aufgrund von Erdbewegungen im Anrainerbereich sei vom technischen Standpunkt auszuschließen.

Infolge Rekurses des Verpflichteten hob das Rekursgericht diesen Beschluß mit Beschluß vom 11.3.1994 auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Verfahren leide an einem Mangel, dem im Zusammenhang mit den Ausführungen des Verpflichteten zur Wasserableitung vom Nachbargrundstück auch Bedeutung zukomme; insofern sei es durch Einholung einer weiteren Stellungnahme des Sachverständigen zu ergänzen. Im übrigen führte das Rekursgericht aus, es könne sich der Ansicht des Erstgerichtes, der Schätzwert sei ausschließlich unter Heranziehung des Sachwertes festzusetzen, nicht anschließen. Da Mietverträge, die der Eigentümer einer Liegenschaft trotz Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens abgeschlossen habe, nicht unwirksam seien, müsse dies auch für Mietverträge vor Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens gelten. Solange nicht durch entsprechende Maßnahmen die Wirkungen des Bestandvertrages beseitigt seien, sei er eine im Rahmen der Schätzung zu beachtende Größe. Daher komme ein Schätzwert in der Höhe des Sachwertes ohne Mietrechtsbelastung nicht in Betracht. Denn wenn die Liegenschaft zu einem angemessenen Mietzins vermietet worden wäre, könnte die Liegenschaft nicht so geschätzt werden, als gebe es den Mietvertrag nicht. Das Erstgericht werde daher bei der neuerlichen Beschlußfassung auf eine Vermietung der Liegenschaft Bedacht zu nehmen und dabei zu prüfen haben, ob § 5 Abs 3 LBG anzuwenden sei. Danach sei beim Ertragswertverfahren dann, wenn die Erträge einer Liegenschaft von den bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung der Sache erzielbaren Erträgen abweichen, von jenen Erträgen auszugehen, die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung der Sache nachhaltig hätten erzielt werden können. Verneinendenfalls werde der tatsächlich vereinbarte Mietzins bei der Ertragswertermittlung heranzuziehen sein.

Nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen (ON 43) teilte das Erstgericht den Parteien mit Beschluß vom 28.7.1994 den Schätzwert von S 2,150.000 mit und räumte die Möglichkeit ein, sich vor Festsetzung des Schätzwertes binnen acht Tagen dazu zu äußern.

Die betreibende Partei beantragte, unter Anwendung des § 5 Abs 3 LBG den Verkehrswert mit S 4,220.000 festzusetzen; hiebei sei davon auszugehen, daß bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung der Sache ein Nettomietertrag von S 20.870 erzielt werden könne; abzüglich 20 % Abschlag für Mietausfallwagnis sowie Kosten der normalen Instandhaltung des baulichen Bestandes von S 4.174 ergebe dies monatlich S 16.696.

Der Verpflichtete verwies in seiner Stellungnahme darauf, daß nach wie vor die Zusammensetzung des Verkehrswertes aus 70 % Ertragswert und 30 % Sachwert unschlüssig sei. Unzutreffend sei, daß das Haus nur eine einzige Wohneinheit umfasse; eine abgetrennte Wohnung im Souterrain sei seit vielen Jahren gesondert vermietet. Weiters seien seit dem Stichtag für die Bewertung 28.5.1993 15 Monate vergangen, in denen sich insbesondere auch die gesamtwirtschaftliche Lage in relevanter Weise verändert habe. Nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen setzte das Erstgericht mit Beschluß vom 20.9.1994 den Schätzwert mit S 2,150.000 fest. Zu den Einwendungen des Verpflichteten, daß bei Niederschlägen Oberflächenwasser vom Nachbargrundstück auf die zu versteigernde Liegenschaft fließe und zu einer Durchfeuchtung der Hausmauern führe, verwies das Erstgericht auf den - von ihm übernommene - Befund des Sachverständigen, es sei keine Durchfeuchtung der Hausmauer festzustellen. Die notwendige Sanierung der Rinnenausbildung sei als Teil der objekterhaltenden Maßnahmen berücksichtigt. Die Gewichtung von Ertragswert und Sachwert mit 70 % zu 30 % habe der Sachverständige aufgrund seines Fachwissens, seiner beruflichen Erfahrung sowie Kenntnis der Marktlage vorgenommen. Ausschlaggebend sei dabei die Vermietung des Objektes durch den Verpflichteten an seine Gattin gewesen, wobei der Sachverständige davon ausgegangen sei, daß dieser (auf unbestimmte Zeit geschlossene) Mietvertrag praktisch unkündbar sei. Der Einwand, daß eine Vermietung eines Teiles des Objektes an Halit U***** vom Sachverständigen nicht berücksichtigt worden sei, sei verspätet, weil er bereits innerhalb der ursprünglich gestellten Äußerungsfrist anläßlich der Bekanntgabe des Schätzwertes hätte gemacht werden müssen. Im übrigen sei er auch unberechtigt, weil schon nach der Behauptung des Verpflichteten Halit U***** nur Untermieter sei; ein zwischen der Mieterin und dem Untermieter vereinbarter Mietzins könne aber den Ertragswert der Liegenschaft nicht beeinflussen. Bauwert und Grundwert hätten sich seit der Schätzung vom 28.5.1993 nicht geändert.

Zu den Einwendungen der betreibenden Partei führte das Erstgericht aus, der zwischen dem Verpflichteten und seiner Gattin geschlossene Mietvertrag vom 1.8.1986 sei so lange nicht unwirksam, als er nicht durch entsprechende Maßnahmen beseitigt werde. Der darin vereinbarte Mietzins in Höhe von S 750 sei daher der Ertragswertberechnung zugrundezulegen. Solange dieser auf unbestimmte Zeit geschlossene Mietvertrag aufrecht sei, könnten nur die aus dem Mietvertrag ersichtlichen Erträgnisse erzielt werden; diese Erträgnisse seien daher für den Ertragswert und sohin für den Schätzwert ausschlaggebend. Ein fiktiver Ertrag durch Heranziehung etwa eines angemessenen Mietzinses komme nicht in Betracht. Gemäß § 5 Abs 3 LBG sei ua dann, wenn die tatsächlich erzielten Erträge von jenen abweichen, die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung der Sache hätten erzielt werden können, von den Erträgen auszugehen sei, die bei der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung nachhaltig hätten erzielt werden können. Ein derartiger Fall liege hier nicht vor. Es sei nämlich davon auszugehen, daß der Mietvertrag mit 1.8.1986 abgeschlossen worden sei und ein Liegenschaftseigentümer an diesen Vertrag und den darin vereinbarten Mietzins gebunden sei. Auch ein Ersteher trete in diesen Mietvertrag ein und müsse sich auf unbestimmte Zeit mit einem monatlichen Mietzins von S 750 begnügen. Ob überhaupt jemals ein höherer Mietzins erzielt werden könne, sei derzeit nicht vorhersehbar. Der weitere Einwand der betreibenden Partei, der vom Sachverständigen zugrunde gelegte Grundpreis sei zu nieder, sei unbegründet; der Sachverständige habe Grundpreise mehrerer vergleichbarer Liegenschaften angeführt und so die Richtigkeit des in seinem Gutachten ermittelten Grundwertes nachvollziehbar begründet.

Das Rekursgericht gab einerseits dem Rekurs der verpflichteten Partei nicht Folge und sprach dazu aus, der Revisionsrekurs sei jedenfalls unzulässig (§ 78 EO, § 528 Abs 2 Z 2 ZPO); hingegen gab es dem Rekurs der betreibenden Partei Folge, hob den Beschluß betreffend die Festsetzung des Schätzwertes zur Gänze auf und trug dem Erstgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Rekursgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil der Oberste Gerichtshof bisher nicht mit der Frage befaßt worden sei, ob und gegebenenfalls inwieweit bei der Schätzwertfestsetzung in Exekutionsverfahren die Bestimmung des § 45 MRG zu berücksichtigen sei.

Zum Rekursvorbringen des Verpflichteten, der Sachverständige habe sich nicht ausreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob die im Souterrain gelegene Wohneinheit auch eine eigene (zweite) Nutzungseinheit darstelle, verwies das Rekursgericht darauf, daß das Erstgericht - den Einwendungen des Verpflichteten folgend - davon ausgegangen sei, daß wegen des am 1.8.1986 abgeschlossenen Mietvertrags auf unbestimmte Zeit überhaupt kein Ertrag aus der Liegenschaft gezogen werden könne. Die inzwischen eingetretene Steigerung des Baukostenindex um 2,6 % bewirke noch keine Änderung des Schätzwertes. Das Verhältnis zwischen Sach- und Ertragswert habe der Erstrichter unter Hinweis auf die Stellungnahmen des Sachverständigen ausführlich begründet. Der Verpflichtete führe nicht an, was an diesen Ausführungen konkret unrichtig sein sollte.

Zum Rekurs der betreibenden Partei führte das Rekursgericht aus, die Bestimmungen des Bestandvertrages blieben aufrecht. Gelte Mieterschutz, könne der Ersteher nur unter den Beschränkungen des MRG kündigen. Da nach der Aktenlage eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des MRG (vgl § 1 Abs 2 MRG) nicht vorliege, werde der Ersteher in den (nach den Behauptungen) am 1.8.1986 zwischen dem Verpflichteten und seiner Gattin geschlossenen Mietvertrag einzutreten haben. Es sei daher nach der derzeitigen Aktenlage davon auszugehen, daß dem Ersteher eine bessere Bewirtschaftung der Sache im Sinn des § 5 Abs 3 LBG nicht dadurch möglich sei, daß der Bestandvertrag aufgelöst werde, um höhere Mieteinnahmen zu erzielen. Es könne nunmehr aber auch nicht zweifelhaft sein, daß die derzeitige Mietzinshöhe von S 750 keine ordnungsgemäße Bewirtschaftung im Sinn des § 5 Abs 3 LBG darstelle. Die gemäß § 1 Abs 4 MRG (allenfalls) auch im vorliegenden Fall anzuwendende Regelung des § 45 MRG sehe jedoch vor, daß der Hauptmietzins, den der Hauptmieter für einen vor dem 1.3.1994 gemieteten Mietgegenstand aufgrund der bisherigen Vorschriften oder einer vorher geschlossenen Vereinbarung zu entrichten habe, auf die in dieser Bestimmung genannten Beträge angehoben werden könne. Der Vermieter sei berechtigt, diesen Unterschiedsbetrag als Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag zu verlangen, wobei sich diese Beträge entsprechend der Regelung des § 16 Abs 6 MRG valorisieren. Bei der gegebenen Sachlage - der gesamte Mietzins werde von Reparaturkosten aufgezehrt - verlange die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Exekutionsobjektes im Sinn des § 5 Abs 3 LBG die Anwendung des § 45 MRG. Dies habe das Erstgericht bei Festsetzung des Schätzwertes nicht in Erwägung gezogen und daher auch nicht geprüft. Im fortgesetzten Verfahren werde es also den Sachverständigen zu beauftragen haben, insoweit Befund und Gutachten zu ergänzen.

Das Rekursgericht hat bei der Fassung des Spruches seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, daß der Beschluß des Erstgerichtes betreffend die Festsetzung des Schätzwertes der Liegenschaft zur Gänze aufgehoben wurde. Der auf § 78 EO, § 527 Abs 2, § 528 Abs 1 ZPO gestützte Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof betrifft somit den infolge der Rekurse der führenden betreibenden Partei und des Verpflichteten ergangenen Beschluß. Der unter Punkt I. über den Rekurs des Verpflichteten ergangene Ausspruch, daß der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei, ist somit offensichtlich rechtsirrig ergangen. Der Ausspruch über die absolute Unzulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof, der nur belehrenden Charakter hat, bindet weder die Parteien noch die Gerichte (RdW 1994, 208).

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Verpflichteten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

§ 144 Abs 1 EO idF des LBG bestimmt, daß das Gericht "den Schätzwert" durch Beschluß festzusetzen hat. Während bei der Schätzung gemäß § 143 Abs 1 Satz 1 EO idF des LBG zu ermitteln ist, welchen Wert die Liegenschaft bei Aufrechterhaltung der Belastungen und welchen Wert sie ohne diese Belastungen - worunter etwa auch bücherlich nicht eingetragene Bestandrechte fallen (Angst/Jakusch/Pimmer, EO13, Anm 2 zu § 143) - hat, ist die beschlußmäßige Festsetzung mehrerer Schätzwerte durch das Gericht gemäß § 144 Abs 1 EO nicht vorgesehen. Die hier zwischen betreibender Gläubigerin und Verpflichtetem strittige Frage, ob ein Bestandverhältnis gültig zustande gekommen ist und vom Ersteher der Liegenschaft zu übernehmen sein wird, stellt eine Vorfrage für die Festsetzung des Schätzwertes durch das Gericht dar (3 Ob 170/94). Ein Ersteher kann - ohne Bindung an die Festsetzung des Schätzwertes gemäß § 144 EO - mit der Begründung, das Bestandobjekt werde ohne Rechtstitel benützt, auf Räumung klagen (vgl ecolex 1993, 236 = ÖBA 1993, 665).

Die Beurteilung, ob eine entgeltliche Vereinbarung vorliegt, die als Mietvertrag zu qualifizieren ist, ist nur auf Grundlage von konkreten Tatsachenfeststellungen möglich. Hier haben sich die Vorinstanzen im wesentlichen darauf beschränkt, auf den Inhalt des Mietvertrags vom 1.8.1986 hinzuweisen, der in Fotokopie dem Schätzungsgutachten ON 14 (AS 77) angeschlossen ist. Dies reicht für eine abschließende Beurteilung der Vorfrage für die Festsetzung des Schätzwertes durch das Gericht, ob ein Bestandverhältnis gültig zustande gekommen ist und vom Ersteher der Liegenschaft zu übernehmen sein wird, nicht aus. Vielmehr wird das Erstgericht nach Erörterung mit den Parteien nicht nur aufgrund dieser Urkunde, sondern auch aufgrund von Zeugen- und Parteiaussagen Feststellungen zu treffen haben, ob ein Mietvertrag überhaupt abgeschlossen wurde (§ 916 Abs 1 ABGB).

Bei der zu diesem Zweck vorzunehmenden Beurteilung, ob die Vereinbarung zwischen dem Verpflichteten und seiner Ehegattin als Mietvertrag zu qualifizieren ist, werden die vom erkennenden Senat in der Entscheidung 3 Ob 170/94 dargelegten Grundsätze zu beachten sein. Bei der Abgrenzung von Mietvertrag und unentgeltlicher Leihe ist insbesondere davon auszugehen, daß es der Unentgeltlichkeit gleichsteht, wenn bloß ein Anerkennungszins oder ein so niedriges Entgelt zu entrichten ist, daß es gegenüber dem Wert der Nutzung nicht ins Gewicht fällt (Würth in Rummel**2, ABGB, Rz 3 zu § 1190; Schubert in Rummel**2, Rz 2 zu § 974; Binder in Schwimann, ABGB Rz 8 ff zu § 974, jeweils mwN).

Nur in dem Fall, daß das Erstgericht auf Grundlage der von ihm zu treffenden Tatsachenfeststellungen zur Rechtsansicht gelangt, es liege ein Mietverhältnis vor, wäre die vom Rekursgericht aufgegriffene Frage von Relevanz, ob und gegebenenfalls inwieweit bei der Schätzwertfestsetzung bei Zwangsversteigerung einer Liegenschaft die Bestimmung des § 45 MRG idFd 3.WÄG über die Vorschreibung eines Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags zu berücksichtigen ist. Keineswegs kann davon ausgegangen werden, daß die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Exekutionsobjektes im Sinn des § 5 Abs 3 LBG eine derartige Vorschreibung in jedem Fall verlangen würde. Wenn auch - was der Verpflichtete übersieht - seit dem 3.WÄG für nicht verwendete Beiträge keine Rückzahlungsverpflichtung mehr besteht (vgl Koziol/Welser10 I 375 f), so führt die Vorschreibung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags aufgrund der Bestimmung des § 45 Abs 5 MRG bei einem in § 1 Abs 4 Z 1 oder 2 MRG genannten Mietgegenstand mit Ausnahme des § 16 Abs 2 bis 7 und 10 und über die Richtwerte nach dem RichtWG für die Mietgegenstände dieses Hauses zur Geltung der Bestimmungen des I.Hauptstückes des MRG somit auch der Möglichkeit der Erhöhung der Hauptmietzinse nach §§ 18 ff MRG. Der Einfluß dieser Umstände auf die Ermittlung des Schätzwertes wird vom Sachverständigen bei der Ergänzung des Gutachtens zu berücksichtigen sein.

Aus den dargelegten Gründen erweist sich somit eine Ergänzung des Verfahrens und neuerliche Beschlußfassung durch das Erstgericht als erforderlich.

Für den Fall, daß sich auf der dann vorliegenden Tatsachengrundlage keine Änderung ergibt, ist die Ansicht der Vorinstanzen zum Verhältnis von Sach- und Ertragswert, die sich auf das Sachverständigengutachten stützen kann, zu billigen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO, §§ 40, 50 ZPO.

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