OGH 10ObS2061/96b

OGH10ObS2061/96b23.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Letz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Karl Dirschmied (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Alfred K*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, wegen vorzeitiger Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Jänner 1996, GZ 7 Rs 176/95-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 17. Oktober 1995, GZ 35 Cgs 54/95t-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 27.5.1939 geborene Kläger war bis zum 30.11.1993 als Kraftfahrzeug-Meister im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Seit 1.6.1972 war er als Werkstättenleiter eines Autohauses (Verkauf und Service) beschäftigt. Nach Vollendung seines 55. Lebensjahres begehrte er die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab 1.11.1994, weil er infolge diverser Leidenszustände nicht mehr in der Lage sei, die Tätigkeit eines KFZ-Meisters weiter auszuüben.

Die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 6.2.1995 ab.

Das Erstgericht gab dem dagegen erhobenen Klagebegehren Folge, erkannte den Anspruch des Klägers als dem Grunde nach zu Recht bestehend und trug der Beklagten ab 1.11.1994 eine vorläufige Zahlung von S 7.500,-- monatlich auf. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Dem Kläger sind noch leichte und mittelschwere körperliche Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen, in freien und in geschlossenen Räumen unter Einhaltung der üblichen Ruhepausen zumutbar. Arbeiten in häufig gebückter Stellung und Arbeiten an exponierten Stellen scheiden aus. Die Benützung von Steighilfen ist möglich. Arbeiten in knieender und bückender Körperhaltung sind um ein Drittel eines Arbeitstages zu reduzieren. Die Fingergeschicklichkeit und der Tastsinn sind normal. Akkord- und Fließbandarbeiten scheiden aus. Nacht- und Schichtarbeiten sind hingegen möglich. Einem forcierten Arbeitstempo ist der Kläger bis zur Hälfte eines Arbeitstages gewachsen. Das Heben von Lasten von 30 kg und darüber ist ihm nicht mehr zumutbar.

Der Kläger hat nach Abschluß der Lehre immer als KFZ-Mechaniker gearbeitet. Er war bis zu seinem Ausscheiden aus dem Betrieb zwar Werkstättenleiter und Lehrlingsausbildner, nahm aber auch an der Reparatur von Fahrzeugen teil. Bei Wartungs- und Reparaturarbeiten sind jedenfalls Gewichte bis zu 30 kg zu erwarten und es ist auch durchaus üblich, daß derartige Arbeiten vorgebeugt verrichtet werden. KFZ-Meistern obliegt im allgemeinen die Einteilung des vorhandenen Personals sowie dessen Anleitung bzw die Überwachung der ausgeführten Arbeiten, nachdem der Kunde das Fahrzeug übergeben hat und die erforderlichen Arbeiten nach den Angaben des Kunden oder aufgrund der Fachkenntnisse des Meisters besprochen wurden. Häufig werden Probefahrten und die Überprüfung des Fahrzeuges vor der Übergabe an den Kunden vom Meister ausgeführt. Hinsichtlich des physischen Anforderungsprofils ergibt sich daher, daß je nach Art und Größe des Betriebes die Mitarbeit des KFZ-Meisters, wenn überhaupt, nur in bestimmten, speziellen Bereichen erforderlich ist und dabei eine leichte bis höchstens mittelschwere körperliche Beanspruchung gegeben ist. Der Kläger ist ohne Gefährdung seiner Gesundheit weiterhin in der Lage, den Anforderungen, die üblicherweise an einen KFZ-Meister gestellt werden, im vollem Umfang zu entsprechen. Die vom Kläger tatsächlich ausgeübte Tätigkeit entspricht nicht dem üblichen Bild des Berufes des KFZ-Meisters, weil er als KFZ-Mechaniker mitarbeitete.

Daraus folgerte das Erstgericht rechtlich, daß der Kläger der Tätigkeit eines KFZ-Meisters, wie er sie in den letzten 15 Jahren ausgeübt habe, ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht mehr gewachsen sei. Im Rahmen seiner Tätigkeit habe er nämlich manuell mitgearbeitet und dabei auch Gewichte von 30 kg und mehr gehoben und Arbeiten in gebeugter oder gebückter Stellung durch mehr als zwei Drittel des Arbeitstages verrichtet. Da durch solche Tätigkeiten das medizinische Leistungskalkül überschritten werde, stehe ihm die begehrte Pensionsleistung zu.

Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der Beklagten dieses Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es übernahm die erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung, teilte jedoch nicht die Rechtsansicht des Erstgerichtes. § 253 d ASVG entspreche im wesentlichen dem § 273 Abs 3 ASVG alte Fassung, weshalb die zur Berufsunfähigkeit nach dieser Bestimmung ergangene Judikatur noch aktuell sei. Der Kläger habe die Stellung eines Werkstättenleiters inne gehabt und in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag als KFZ-Meister eine im wesentlichen gleichartige Tätigkeit verrichtet, auch wenn er selbst angebe, seit 1989 aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht mehr mit schweren Arbeiten belastet worden zu sein. Nach dem Tätigkeitsprofil eines KFZ-Meisters seien weder schwere Arbeiten in einem hier wesentlichen Umfang noch Arbeiten in gebückter und vorgeneigter Stellung in einer das Leistungskalkül übersteigenden Dauer zu erbringen. Es stehe unbekämpft fest, daß der Kläger ohne Gefährdung seiner Gesundheit den Anforderungen, die an einen KFZ-Meister üblicherweise gestellt würden, in vollem Umfang entsprechen könne. Die Verrichtung schwerer Arbeiten und Arbeiten in gebückter oder vorgeneigter Stellung durch mehr als zwei Drittel des Arbeitstages entspreche nicht dem üblichen Berufsbild eines KFZ-Meisters, weshalb diese Verrichtungen als atypische und nur vereinzelt geforderte Nebentätigkeiten anzusehen seien. Für die Beurteilung der Pensionsvoraussetzungen komme es aber auf den Kernbereich der Tätigkeit an. Nebentätigkeiten seien nur dann maßgeblich, wenn sie mit der Haupttätigkeit so verbunden seien, daß sie am Arbeitsmarkt nur gemeinsam gefragt würden. Die Pensionsvoraussetzungen seien daher nicht nach der am bestimmten Arbeitsplatz ausgeübten Tätigkeit zu beurteilen, sondern nach dem am Arbeitsmarkt typisch geforderten Inhalt dieser Tätigkeit. Die maßgeblichen Tätigkeiten könne der Kläger aber noch verrichten, sodaß die Voraussetzungen des § 253 d ASVG nicht gegeben seien.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Die Beklagte beteiligte sich am Revisionsverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Mit der durch die 51. ASVG-Nov ab. 1.7.1993 eingeführten vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (§ 253 d ASVG) wurde eine neue Leistung der Pensionsversicherung geschaffen, die jedoch weitgehend die besonderen Anspruchsvoraussetzungen der Invaliditätspension gemäß § 255 Abs 4 ASVG (aF) und Berufsunfähigkeitspension gemäß § 273 Abs 3 ASVG (aF) zu einer vorzeitigen Alterspension zusammenfaßt, wobei jedoch sowohl hinsichtlich Wartezeit und Anfallsalter bedeutsame Unterschiede zu den übrigen vorzeitigen Alterspensionen bestehen. In den Erl zur RV der 51. Nov (932 BlgNR 18. GP 49) wird hiezu folgendes ausgeführt:

"Als eine Maßnahme im Interesse älterer, nicht mehr voll einsatzfähiger Langzeitarbeitsloser, die vorher schon längere Zeit der Versicherungsgemeinschaft angehört haben, wird mit der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit eine neue Leistung der Pensionsversicherung eingeführt, und zwar dadurch, daß die derzeit bestehenden Regelungen (Tätigkeitsschutz) bei Invalidität/Berufsunfähigkeit ab dem 55. Lebensjahr (§§ 255 Abs 4, 273 Abs 3 ASVG) zu einer vorzeitigen Alterspension zusammengefaßt werden. Sie kann bereits mit der Vollendung des 55. Lebensjahres in Anspruch genommen werden. Die Wartezeit ist gegenüber der Wartezeit bei einer Alterspension klarer definiert ... Gegenüber der Inanspruchnahme einer Invaliditätspension gemäß § 255 Abs 4 ASVG sind die Anspruchsvoraussetzungen jedoch erschwert. Der Zweckbestimmung dieser Leistung entsprechend wird sie durch eine ausgeübte Erwerbstätigkeit beeinflußt. Wie bei allen vorzeitigen Alterspensionen fällt bei einem Erwerbseinkommen über der Geringfügigkeitsgrenze die Pension weg" (ASVG MGA 59. ErgLfg Anm 1 zu § 253 d).

Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (§ 253 d iVm § 270 ASVG) hat der Versicherte nach Vollendung des 55. Lebensjahres, wenn er unter anderem ... (Z 3) in mindestens der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag eine gleiche oder gleichartige Tätigkeit ausgeübt hat und (Z 4) infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht mehr imstande ist, durch diese Tätigkeit (Z 3) wenigstens die Hälfte des Entgeltes zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt. Der Gesetzeswortlaut des § 253 d Abs 1 Z 3 und 4 ASVG entspricht den früheren Bestimmungen des § 255 Abs 4 lit c und d bzw § 273 Abs 3 lit c und d ASVG idF vor der 51. Nov. Dem Berufungsgericht ist daher beizustimmen, daß die zu den zuletzt genannten, durch die 51. Nov aufgehobenen Bestimmungen ergangene Judikatur nach wie vor aktuell ist. Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, sind gleichartige Tätigkeiten iS dieser Gesetzesstellen solche, die im Kernbereich der Tätigkeiten im wesentlichen ähnliche psychische und physische Anforderungen stellen; lediglich unterschiedliche Anforderungen im Randbereich der Tätigkeit stehen der Annahme der Gleichartigkeit nicht entgegen (SZ 61/138 = SSV-NF 2/53 ua). Es ist zulässig, den Versicherten auf Arbeiten zu verweisen, die zwar im Kernbereich völlig mit der bisher geleisteten Tätigkeit übereinstimmen, bei denen jedoch Nebentätigkeiten wegfallen, die am Arbeitsmarkt mit der Haupttätigkeit nicht typischerweise verbunden sind (SSV-NF 3/130, 5/120, 6/35, 8/127 ua). Ob der Versicherte die überwiegend ausgeübte Tätigkeit iS des § 253 d Abs 1 Z 3 ASVG weiter ausüben kann, richtet sich daher nur nach der Haupttätigkeit. Die Unfähigkeit, eine mit oder neben der Haupttätigkeit verichtete Nebentätigkeit auszuüben, führt daher nur dann zum Versicherungsfall der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, wenn die Nebentätigkeit mit der Haupttätigkeit typischerweise so verbunden ist, daß beide nur gemeinsam auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind.

Im Fall des Klägers ist davon auszugehen, daß er während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag die Tätigkeit eines KFZ-Meisters und Werkstättenleiters ausübte. Nach den den Obersten Gerichteshof bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen erforderte eine solche Tätigkeit als KFZ-Meister wenn überhaupt nur in bestimmten speziellen Bereichen die Mitarbeit als KFZ-Mechaniker; sie geht über eine leichte bis höchstens mittelschwere körperliche Beanspruchung nicht hinaus und entspricht auch sonst dem Leistungskalkül des Klägers. Er ist ohne Gefährdung seiner Gesundheit weiterhin in der Lage, den Anforderungen, die an einen KFZ-Meister üblicherweise gestellt werden, in vollem Umfang zu entsprechen. Wenn er auf seinem konkreten Arbeitsplatz durch Mitarbeit als KFZ-Mechaniker auch schwere körperliche Arbeiten verrichten mußte, so handelte es sich dabei um Nebentätigkeiten, die keinesfalls mit der Haupttätigkeit typischerweise so verbunden sind, daß beide nur gemeinsam auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind. Die Verrichtung schwerer Arbeiten (Heben von 30 kg und mehr) wie auch die Verrichtung von Arbeiten in gebückter oder vorgeneigter Stellung durch mehr als zwei Drittel des Arbeitstages entspricht also nicht dem üblichen Berufsbild eines KFZ-Meisters, weshalb die genannten Verrichtungen, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, als atypische und nur in Einzelfällen geforderte Nebentätigkeiten anzusehen sind. Geht man aber von dem am Arbeitsmarkt typisch geforderten Inhalt der Tätigkeit eines KFZ-Meisters (und Werkstättenleiters) aus, dann wird das ärztliche Leistungskalkül des Klägers durch solche Tätigkeiten nicht überschritten. Nach den bindenden Feststellungen kann der Kläger diese Tätigkeiten noch verrichten und wenigstens die Hälfte des Entgelts erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt. Damit fehlt es aber an der Voraussetzung des § 253 d Abs 1 Z 4 ASVG.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an den unterlegenen Kläger wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.

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