Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Edwin N***** wird von der Anklage, er habe am 22. Dezember 1993 in Reichenfels im Zuge eines ORF-Interviews den nationalsozialistischen Völkermord geleugnet, indem er dem ORF-Journalisten Gerhard R***** auf dessen Frage: "Aber Gaskammern gab es nur in Deutschland ?", erwiderte: "Davon ist mir nichts bekannt, daß es Gaskammern gegeben hat und einige Untersuchungen die dorten stattgefunden haben, sagen aus, daß es keine gegeben hat dorten !", wobei der Inhalt dieses Interviews am 22. Dezember 1993 im ORF sowohl im Zuge der regionalen Nachrichtensendung "Kärnten heute" als auch in der überregionalen Nachrichtensendung "Zeit im Bild" zur Ausstrahlung gelangte; er habe hiedurch das Verbrechen nach § 3 h VG begangen, gemäß § 337 StPO freigesprochen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der (lt seinen Personaldokumenten) am 30. Oktober 1927 (lt eigenen, unüberprüften Angaben aber bereits am 30. Oktober 1926; s S 358) geborene Angeklagte Edwin N***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen, welche die einzige (anklagekonforme) Hauptfrage stimmenmehrheitlich bejaht hatten, wegen der aus dem Spruch ersichtlichen qualifiziert öffentlichen Äußerung des Verbrechens nach § 3 h VG schuldig erkannt.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte stützt seine dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde primär auf die Z 11 lit a, subsidiär auf die Z 5, 8 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO.
Der Haupteinwand (Z 11 lit a), daß die im Wahrspruch festgestellte Tat rechtsirrtümlich dem § 3 h VG unterstellt worden sei, ist berechtigt.
Nach dem Inhalt der Anklageschrift (ON 33) war der Angeklagte im zweiten Weltkrieg als Angehöriger der Waffen-SS im Einsatz. Nach Kriegsende etablierte er sich als Holzkaufmann. Anläßlich einer Geschäftsreise lernte er in Moskau den russischen Politiker Vladimir Sch***** kennen und lud diesen nach Kärnten ein. Dieser Einladung folgend stattete Sch***** dem Beschwerdeführer am 22. Dezember 1993 in Reichenfels einen Besuch ab, in dessen Verlauf der Genannte eine Pressekonferenz in Anwesenheit zahlreicher Journalisten abhielt, die seinen politischen Standort darlegen sollte. Aus diesem Anlaß wurde auch der Angeklagte vom ORF-Redakteur Gerhard R***** im Rahmen eines Fernsehinterviews, das aufgezeichnet und noch am selben Tag mit Wissen des Beschwerdeführers in Nachrichtensendungen des ORF ausgestrahlt wurde, über seine Rolle als Gastgeber des russischen Politikers befragt. Hiebei kam zunächst seine politische Einstellung sowie seine Haltung zum "Dritten Reich" zur Sprache. Als der Journalist in diesem Zusammenhang auf die industrielle Massenvernichtung von Menschen in Konzentrationslagern verwies, entgegnete der Angeklagte, "damals von solchen Sachen" keine Kenntnis gehabt zu haben. Zwischenzeitig habe er sich allerdings informiert, wolle sich jedoch nicht äußern, denn "wenn man nur sage, daß dort einer weniger umgekommen sei, werde man schon eingesperrt". Auf die weitere Frage des Redakteurs: "Sie glauben also nicht an die Vernichtungslager in Auschwitz, Mauthausen, Lidice, Dachau?" antwortete der Nichtigkeitswerber: "Daß es diese Lager gegeben hat, ist ohne Zweifel, es hat ja nicht nur in Deutschland diese Lager gegeben, es hat in England diese Lager gegeben, wo Internierte drinnen waren, es hat in Amerika gegeben die Lager." Den folgenden Einwurf: "Aber Gaskammern gab es nur in Deutschland?" beantwortete Edwin N***** mit den (nur zum Teil inkriminierten) Sätzen: "Davon ist mir nichts bekannt, daß es Gaskammern gegeben hat, und einige Untersuchungen, die dorten stattgefunden haben, sagen aus, daß es keine gegeben hat dorten. Ich kann es nicht. Ich habe mir weder die Lager angeschaut, weiß etwas, aber nur, ich habe das da einmal gelesen und daher weiß ich nicht recht." Nach Erörterung des derzeitigen politischen Umfelds des Angeklagten wurde das Interview beendet.
Gemäß § 3 h VG wird nach § 3 g VG auch bestraft, wer in einem Druckwerk, im Rundfunk oder in einem anderen Medium oder wer sonst öffentlich auf eine Weise, daß es vielen Menschen zugänglich wird, den nationalsozialistischen Völkermord oder andere nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost, gutheißt oder zu rechtfertigen sucht.
Strafbar macht sich demnach, wer diese von den Nationalsozialisten unbestreitbar begangenen Verbrechen überhaupt in Abrede stellt oder sie (nicht bloß in Randbereichen, sondern in ihrem Kern) gröblich verharmlost oder gar gutheißt oder zu rechtfertigen sucht, also die Verwerflichkeit dieser nationalsozialistischen Untaten in Frage stellt. Die für die Umschreibung der pönalisierten Tathandlungen getroffene Wortwahl ("leugnen, verharmlosen, gutheißen, rechtfertigen") enthält auch Elemente eines "gefärbten" Vorsatzes und stellt klar, daß es dem Täter um das direkte oder indirekte Leugnen, Gutheißen oder grobe Verniedlichen des nationalsozialistischen Massenmordes gehen muß (JAB 387 BlgNR 18.GP, 4 re Sp aE, 5 li Sp oben). Die Massenverbrechen "leugnen" heißt, sie schlechthin und im Kern in Abrede stellen (Platzgummer, ÖJZ 1994, 762; vgl auch Brockhaus-Wahrig, Deutsches Wörterbuch 4.Band S 469; Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 5.Band S 2115).
Ein Vergleich der hier in die Fragestellung an die Geschworenen aufgenommenen und im Wahrspruch festgestellten Äußerungen des Angeklagten mit dem darauf angewendeten Gesetz ergibt indes - wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend ausführt -, daß der inkriminierte Inhalt des gegenständlichen Interviews objektiv nicht als tatbildliches Ableugnen des nationalsozialistischen Völkermordes oder anderer nationalsozialistischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des § 3 h VG zu werten ist:
Der objektive Gehalt der Bekundung des Beschwerdeführers kann nämlich bei der gebotenen Betrachtung des gesamten Inhaltes des in Interviewform abgehaltenen Gespräches, der bei Prüfung einer nach § 3 h VG inkriminierten Medienäußerung heranzuziehen ist (vgl Mayerhofer-Rieder StPO3 E 5 zu § 345 Abs 1 Z 11 lit a und die dort zitierte Entscheidung EvBl 1987/40), bloß als Ausdruck (wenngleich allenfalls nur vorgetäuschter) persönlicher Unsicherheit hinsichtlich der Existenz von Gaskammern beurteilt werden (s auch die Aussage des Zeugen P***** - S 248 a, 373 ff - wonach der Angeklagte "in diesem Zusammenhang offengelassen hat, was er nun als Wahrheit ansieht"). Darin liegt aber weder ein direktes noch ein indirektes Abstreiten bzw Verneinen, wie es für die Verwirklichung des in Rede stehenden Tatbestandes durch "Leugnen" erforderlich ist. Insbesondere aus der den inkriminierten Sätzen unmittelbar nachgestellten Passage: "Ich kann es nicht. Ich habe mir weder die Lager angeschaut, weiß etwas, aber nur, ich habe das einmal gelesen und daher weiß ich nicht recht", erhellt, daß es sich hier in objektiver Hinsicht lediglich um die Behauptung des Nichtwissens, nicht aber um das Abstreiten der Existenz von Vernichtungslagern schlechthin bzw bestimmter derartiger Einrichtungen handelt. Am Fehlen der objektiven Eignung seiner Antworten, als Leugnen der Existenz nationalsozialistischer Massenvernichtungslager verstanden zu werden, kann auch der Hinweis des Angeklagten auf seine Kenntnis nicht näher bezeichneter "Untersuchungen" nichts ändern; denn seine hieran anknüpfenden Äußerungen laufen nicht auf die Behauptung der Richtigkeit solcher "Untersuchungen", sondern auf eine neuerliche Betonung eigener Unkenntnis und Standpunktlosigkeit hinaus.
Zufolge rechtsirriger Beurteilung, daß der durch die Bejahung der Hauptfrage festgestellte Sachverhalt eine in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbare Handlung nach § 3 h VG begründet, ist der Schuldspruch mit der vom Beschwerdeführer im Ergebnis zutreffend aufgezeigten materiellrechtlichen Nichtigkeit (Z 11 lit a) behaftet.
Ohne Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen war daher gemäß § 351 erster Satz StPO in der Sache selbst auf Freispruch zu erkennen.
Damit ist die Berufung des Angeklagten gegenstandslos.
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