OGH 15Os52/96

OGH15Os52/9618.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.April 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Waldner als Schriftführer in der Strafsache gegen Martin P***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 19.Oktober 1995, GZ 13 Vr 518/95-9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurück- gewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Martin P***** des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB schuldig erkannt, weil er am 3.April 1995 in Langenzersdorf Berechtigten der Firma M***** eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Bohrer von nicht mehr feststellbarem Wert mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz weggenommen, und, bei diesem Diebstahl auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen eine Person angewendet hat, um sich die weggenommene Sache zu erhalten, indem er mit seinem PKW auf den - vor ihm stehenden - Kaufhausdetektiv Mahish S***** zufuhr, sodaß dieser sich nur durch einen Sprung auf die Seite davor retten konnte, niedergestoßen zu werden.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die jedoch nicht berechtigt ist.

In seiner Verfahrensrüge (Z 4) moniert der Beschwerdeführer die Verletzung von Verteidigungsrechten durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 19.Oktober 1995 gestellten Antrages auf Durchführung eines Lokalaugenscheines in der Firma M***** Langenzersdorf, "insbesondere zwecks Begutachtung der Qualität des Bildes, das die Kamera bzw der Monitor liefert, zum Beweis dafür, daß auf dem von der Kamera bzw dem Monitor gelieferten Bild eine Unterscheidung zwischen einem Bohrer und dem vom Angeklagten vorgelegten Maßband samt darauf befindlichem Metallgegenstand, nicht möglich ist und sohin der Zeuge S***** einer Verwechslung unterlegen ist" (45); indes zu Unrecht.

Denn das Erstgericht konnte zu Recht von der begehrten Beweisaufnahme ohne Verletzung von Ver- teidigungsrechten des Beschwerdeführers absehen, zielte doch der Antrag - wie sich bereits aus der Formulierung "insbesondere zwecks Begutachtung der Qualität des Bildes, das die Kamera bzw der Monitor liefert" unschwer entnehmen läßt - auf die Durchführung eines bloßen Erkundungsbeweises ab. Im übrigen ist das Erstgericht in seinem abweislichen Zwischenerkenntnis

(47) zutreffend davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer auf Grund der Schilderung des Tatherganges durch den Zeugen S***** (der eindeutig über den Monitor den Angeklagten insbesondere bereits beim Entnehmen des Bohrers aus dem aufgestellten Set, und sodann auch beim Verbergen unter einer Mappe, Aufheben vom Boden und Einstecken in die Hosentasche beobachtet sowie die akustische Wahrnehmbarkeit des Zubodenfallens des Bohrers geschildert hat - 44, 45), verhalten gewesen wäre, anläßlich der Stellung des Beweisantrages darzulegen, inwieweit das bei Durchführung der beantragten Beweise nach Ansicht des Antragstellers zu erwartende Ergebnis der begehrten Beweisaufnahme angesichts der aufgezeigten detaillierten Schilderung des Zeugen noch für die Schuldfrage von Bedeutung sein könnte und aus welchen Gründen auch erwartet werden kann, daß die Durchführung der beantragten Beweise auch tatsächlich das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben werde.

Mit der Mängelrüge (Z 5) macht der Beschwerdeführer Begründungsmängel in bezug auf bestimmte Tatsachenfeststellungen geltend. Er verkennt dabei, daß die relevierte Nichtigkeit, die sich aus dem Hinweis auf § 270 Abs 2 Z 4 und 5 StPO im § 281 Abs 1 Z 5 StPO sowie aus der Anführung des § 260 StPO in § 270 Abs 2 Z 4 StPO ergibt, einen formellen Begründungsmangel nur dann bewirken kann, wenn diese eine entscheidende Tatsache, mithin eine solche betrifft, die entweder auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzu- wendenden Strafsatzes Einfluß übt (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Abs 1 Z 5 E 26). Nach diesen Kriterien betreffen aber die Beschwerdeeinwände, das Erstgericht habe keine bzw nur offenbar unzureichende Gründe dafür angegeben, daß "die Größe jedes Bohrers sowohl auf der Verpackung als auch auf dem Bohrerschaft angeschrieben sei; man mit einem Maßband nicht in der Lage sei, die Größe des Bohrers abzumessen; es allgemein bekannt sei, daß die Überwachungsanlage in Kaufhäusern so eingestellt sind, daß man problemlos die Vorgänge sehen könne und (letztlich) das in der Hauptverhandlung vorgelegte Maßband samt Metallanhänger beim Zubodenfallen einen anderen Lärm als ein einzelner Bohrer erzeuge", lediglich Erwägungen, von denen das Gericht bei Entscheidung der Rechtsfrage und der Beseitigung der vorgebrachten Einwendungen geleitet wurde, bzw Umstände, die es illustrativ für seine Beweiswürdigung angeführt hat. Solche Einwände können unter dem Gesichtspunkt der Z 5 (und 5 a) des § 281 Abs 1 StPO ebensowenig bekämpft werden, wie der zur Überzeugung der Erkenntnisrichter von der Glaubwürdigkeit oder Unglaub- würdigkeit eines Zeugen oder Angeklagten auf Grund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch psychologische Vorgang (Mayer- hofer/Rieder aaO § 258 E 16; § 281 Z 5 a E 3).

Bei der Behauptung eines Begründungsmangels bezüglich der Unterscheidungsmerkmale des Geräusches, das beim Hinunterfallen eines Bohrers bzw des in der Haupt- verhandlung vorgelegten Metallgegenstandes entsteht, über- sieht der Angeklagte im übrigen, daß das Erstgericht dies- bezüglich nach Besichtigung des Maßbandes in der Hauptverhandlung aus dessen Beschaffenheit auf die Art eines möglichen Geräusches beim Hinunterfallen Schlüsse gezogen hat (US 6), sodaß auch der unter diesem Gesichtspunkt monierte Begründungsmangel nicht vorliegt.

Erfolglos bleiben muß aber auch die Tatsachenrüge (Z 5 a), in der der Angeklagte die Glaub- würdigkeit seiner leugnenden Verantwortung darzutun ver- sucht, indem er auf diejenigen Ergebnisse des Beweisverfahrens verweist, welche er als für ihn günstig ansieht. Mit dieser Behauptung vermag er - genausowenig wie mit der (unzutreffenden) Argumentation, die Tatrichter hätten einzelnen, aus dem Zusammenhang gelösten Sätzen aus der in der Hauptverhandlung abgelegten Aussage des Zeugen S***** nicht die entsprechende Bedeutung beigemessen - keine erheblichen, sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen, hat sich doch das Erstgericht ausdrücklich mit den Abweichungen in den Angaben des Zeugen S***** vor der Sicherheitsbehörde und der Hauptverhandlung auseinandergesetzt und dargelegt, warum es die Täterschaft des Angeklagten aus den Angaben des Zeugen im Zusammenhang mit der Gesamtheit der übrigen Verfahrensergebnisse abgeleitet hat.

Die Prüfung der gesamten Aktenlage durch den Obersten Gerichtshof, bei der besonderes Augenmerk auf die Beschwerdeargumente gelegt wurde, ergibt somit, daß weder unter Vernachlässigung der Pflicht zur amtswegigen Wahr- heitsforschung zustande gekommene Mängel - geschweige denn solche schwerwiegender Art - in der Sachverhaltsermittlung noch Hinweise auf aktenkundige Beweis- ergebnisse vorliegen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entschei- dungswesentlichen Fragen aufkommen lassen (vgl Mayer- hofer/Rieder aaO § 281 Z 5 a E 2; vgl zur unvollständigen Ausschöpfung von Beweismitteln auch § 281 Z 5 E 82 ff).

Vielmehr trachtet die Beschwerde abermals, nach Art einer in den Verfahrensgesetzen gegen kollegial- gerichtliche Urteile nicht vorgesehenen Schuldberufung und in Verkennung des Wesens dieses formellen Nichtig- keitsgrundes die (sämtliche vorhandenen Verfahrenser- gebnisse kritisch beleuchtende) überzeugende und plausible Beweiswürdigung der Tatrichter zu bekämpfen und - selbst beweiswürdigend - für sich günstigere Tatsachenfest- stellungen zu reklamieren.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Über die vom Angeklagten und der Staatsanwaltschaft erhobenen Berufungen wird der hiefür zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben (§ 285 i StPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte