OGH 15Os38/96

OGH15Os38/9618.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. April 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Waldner als Schriftführer in der Strafsache gegen Friedrich W***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Friedrich W***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. Jänner 1996, GZ 12 b Vr 13806/95-28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, des Angeklagten W***** und der Verteidigerin Dr.Scheimpflug zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens des vollendeten räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 StGB sowie im Strafausspruch, jedoch unter Aufrechterhaltung der Entscheidung über die Anrechnung der Vorhaft aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Friedrich W***** ist schuldig, er hat am 19. Dezember 1995 in Wien eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Flasche Whisky im Wert von ca 250 S, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigten der Firma Bi***** wegzunehmen versucht und, hiebei auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen Helmut Br***** angewendet, um sich die weggenommene Sache zu erhalten, indem er Helmut Br***** mit dem Fuß in den Unterleib trat und mit den Fäusten gegen dessen Magen, Oberkörper und Gesicht schlug.

Er hat hiedurch das Verbrechen des versuchten räuberischen Diebstahls nach §§ 15, 127, 131 StGB begangen und wird hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 (achtzehn) Monaten verurteilt.

Mit seiner als "Berufung wegen Schuld" bezeichneten Berufung wegen des Strafausspruches wird er auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil (das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält) wurde Friedrich W***** des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB schuldig erkannt, weil er am 19. Dezember 1995 in Wien, beim Diebstahl einer Flasche Whisky im Wert von ca 250 S zum Nachteil der Firma Bi***** auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen Helmut Br***** anwendete, um sich die weggenommene Sache zu erhalten, indem er Helmut Br***** mit dem Fuß in den Unterleib trat und mit den Fäusten gegen dessen Magen, Oberkörper und Gesicht schlug, wodurch Helmut Br***** Schmerzen im Unterleib, in der Magengegend und im Kieferbereich erlitt.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes nahm der Angeklagte am 19. Dezember 1995 in der Filiale der Firma Bi***** in Wien 2 eine Flasche Whisky "Red Label" im Wert von etwa 250 S aus dem Regal und verbarg sie unter seiner Jacke. Bei der Kasse legte er zwar ein gleichfalls an sich genommenes Salzgebäck auf das Förderband, gab jedoch den unter der Jacke verborgenen Whisky nicht an. Nachdem er der Kassiererin vorgegeben hatte, kein Geld bei sich zu haben, ließ er das Salzgebäck zurück und versuchte das Geschäft zu verlassen. Er wurde jedoch nach der Kasse vom Filialleiter Helmut Br*****, der ihn über eine Videoanlage beobachtet hatte, angehalten und ersucht, ihm ins Büro zu folgen. Auf seine Weigerung mitzukommen, fragte ihn Helmut Br*****, was er unter der Jacke habe, und forderte ihn auf, diese zu öffnen. Als der Angeklagte sich dem Ausgang zuwandte und es augenscheinlich war, daß er das Geschäft verlassen wollte, ohne dem Ersuchen des Filialleiters nachzukommen, drängte ihn Helmut Br***** zur Absperrung, wo sich die Einkaufswagen befanden, und drehte ihm den rechten Arm auf den Rücken, um ihn am Verlassen des Geschäfts mit der gestohlenen Ware zu hindern. Der Angeklagte versuchte darauf, sich loszureißen, und begann mit der freien Hand auf den Filialleiter einzuschlagen, wobei er ihn (ua) mit der Faust im Gesicht traf (nach der im Urteilsspruch getroffenen, durch die Verfahrensergebnisse S 34, 45 und 147 gedeckten zusätzlichen Urteilsannahme trat er dem Filialleiter auch in den Unterleib). In der Folge kamen beide zu Sturz. Dem Angeklagten gelang es noch, Br***** einen Schlag in die Magengegend zu versetzen, bevor der "hauseigene Fleischhauer" Rudolf G***** dem Filialleiter zur Hilfe kam und beide den Angeklagten ins Büro schafften (US 4, 5).

Zum inneren Vorhaben des Angeklagten traf das Erstgericht die Feststellung, es sei diesem ausschließlich darauf angekommen, sich durch Einsetzen von Gewalt gegen den Filialleiter "die Beute und die Anonymität zu erhalten". Sein Motiv, unerkannt mit der Beute das Geschäft zu verlassen, sei umso stärker gewesen, als er wegen der gegenständlichen - während eines einschlägigen Strafverfahrens verübten - Tat mit einer empfindlichen Strafe zu rechnen gehabt hätte; dies erkläre auch die Intensität der eingesetzten Gewalt (US 7).

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 5, 5 a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider ist die zur inneren Tatseite hinsichtlich dieser Qualifikation getroffene Feststellung keineswegs undeutlich und unvollständig; mit dem Beschwerdevorbringen, welches ausschließlich auf die Formulierung des Urteilsspruches abstellt, übergeht der - die Feststellung eines Bereicherungsvorsatzes nicht bekämpfende - Beschwerdeführer in prozeßordnungswidriger Weise die in US 7 getroffenen - bereits oben wiedergegebenen - Urteilsfeststellungen zur inneren Tatseite hinsichtlich der Qualifikation nach § 131 StGB.

Nicht prozeßordnungsgemäß sind auch die Ausführungen der Tatsachenrüge (Z 5 a). Mit dem Hinweis auf die theoretische Möglichkeit, daß der Gewaltanwendung des Angeklagten nicht das vom Erstgericht (ua) festgestellte Motiv (der Erhaltung der Diebsbeute) zugrundegelegen sein könnte, versucht er nämlich nur nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Strafprozeßgesetzen nicht vorgesehenen Schuldberufung die Vertretbarkeit für ihn günstigerer Schlußfolgerungen aus den Verfahrensergebnissen darzulegen. Damit vermag er erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der erstrichterlichen Feststellungen umsoweniger zu erwecken, als er selbst einräumen muß, daß das von ihm betonte Fluchtmotiv mit seiner vom Erstgericht angenommenen Absicht, sich im Besitz der Spirituosenflasche zu erhalten, durchaus vereinbar ist. Die abschließende Bezugnahme der Tatsachenrüge auf den Zweifelsgrundsatz, der angesichts der Geringfügigkeit der Beute und der (dem Angeklagten bekannten) strafrechtlichen Folgen der Tat gegen die Annahme der im § 131 StGB vorausgesetzten Absicht spreche, macht vollends deutlich, daß es dem Beschwerdeführer nur um die (unzulässige) Bekämpfung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung geht.

Berechtigt ist allerdings die Subsumtionsrüge (Z 10), mit welcher der Angeklagte die (nach herrschender Rechtsprechung [JBl 1995, 737 = NRsp 1994/231; JBl 1990, 670 = EvBl 1991/12] auch bei gleichzeitiger Qualifikation nach § 131 StGB rechtlich mögliche) Annahme eines bloßen Diebstahlsversuchs anstrebt:

Zwar kann der Diebstahl verhältnismäßig kleiner Sachen durch Einstecken (Verbergen in der Kleidung oder am Körper) grundsätzlich schon dann vollendet sein, wenn sich der Dieb noch im räumlichen Machtbereich des Bestohlenen aufhält (vgl Mayerhofer/Rieder StGB4 § 127 E 76-77 a). Voraussetzung für einen hiedurch erlangten Alleingewahrsam des Täters ist jedoch, daß der bisherige Gewahrsamsinhaber nicht mehr in der Lage ist, über die Sache zu verfügen, seine Wachsamkeit also nicht mehr ausgeschaltet werden muß. Wird der Dieb hingegen von einem Kontrollorgan des bisherigen Gewahrsamsinhabers bei der Tat beobachtet und ihm durch die Fortsetzung der Überwachung das Verbringen der Diebsbeute aus dessen Herrschaftsbereich unmöglich gemacht, so liegt nur versuchter Diebstahl vor; dies auch dann, wenn das Kontrollorgan die Art der Ware nicht wahrgenommen hat (Mayerhofer/Rieder aaO E 85, 85 b bis 87).

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Urteilsfeststellungen, daß der Filialleiter Helmut Br***** den Angeklagten beim Diebstahl der Whiskyflasche beobachtet (US 5) und nach dem vorhin Gesagten aufgrund der Fortsetzung der Überwachung bis zu dessen Einlangen im Kassenbereich die (Mit-)Gewahrsame seines Dienstgebers an dieser Ware aufrechterhalten hat.

Demnach hat der Angeklagte das Verbrechen des versuchten räuberischen Diebstahls nach §§ 15, 127, 131 StGB zu verantworten. In dieser Richtung hatte der Oberste Gerichtshof - das Ersturteil abändernd - zu entscheiden.

Bei der dadurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend, daß der Angeklagte schon mehrmals wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten verurteilt wurde (diese Vorabstrafungen hätten an sich die Eignung zur Anwendung der Strafschärfung bei Rückfall), den raschen Rückfall nach der am 1. Dezember 1995 zum AZ 12 b Vr 5847/95 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien erfolgten (noch nicht rechtskräftigen) Verurteilung sowie die Tatbegehung zu einer Zeit, zu der dieses Strafverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, als mildernd hingegen, daß seine Verantwortung zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, daß die Tat beim Versuch geblieben ist und den relativ geringen Wert der Diebsbeute.

Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgründe erachtet der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von 18 Monaten als tätergerecht und schuldangemessen.

Das schwer belastete Vorleben des Angeklagten stand einer gänzlichen oder auch nur teilweisen bedingten Strafnachsicht entgegen.

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