OGH 14Os36/96

OGH14Os36/9616.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.April 1996 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Eckert-Szinegh als Schriftführerin, in der Strafsache gegen John Wilfried B***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 20. Dezember 1995, GZ 20 Vr 2.300/95-50, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Dr.Scheimpflug zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem (einhelligen) Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde John Wilfried B***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (1) und des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 1 WaffG (2) schuldig erkannt.

Darnach hat er

1. am 10.August 1995 in Höfen durch Bedrohung von zwei Bankangestellten und eines Bankkunden mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe (Pistole) fremde bewegliche Sachen, nämlich 246.000 S Bargeld, den Angestellten der R*****bank H***** mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung abgenötigt bzw weggenommen;

2. vom 27.Juli 1995 bis 10.August 1995 in Nesselwängle, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine Faustfeuerwaffe besessen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4 (sachlich Z 6), 5 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeits- beschwerde, die jedoch nicht berechtigt ist.

Als Verfahrensmangel (Z 5) rügt er die Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Vornahme eines Lokalaugenscheines zum Beweis dafür, "daß der Zeuge H***** von seiner Position vor der Bank aus keine Sicht auf das Fahrzeug des Angeklagten hatte und sohin auch nicht sehen konnte, daß der Angeklagte in sein Fahrzeug eingestiegen ist" (S 59/II), und "der Angeklagte von diesem Zeugen während der Gesamtheit der Wegstrecke von der Bank bis zu seinem Fahrzeug nicht gesehen werden konnte" (S 61/II).

Der Beschwerdeauffassung zuwider konnte diese auf Überprüfung der Angaben des Zeugen Michael H***** abzielende Beweisaufnahme ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten und ohne die behauptete Verletzung grundrechtlicher Vorschriften (Art 6 Abs 2 EMRK) unterbleiben. Die in den Akten befindlichen Lichtbilder (S 389/I) vermochten den Geschworenen in ausreichendem Maß Aufschluß über die Sichtverhältnisse im Tatortbereich zu geben und ihnen eine verläßliche Beurteilung der Bekundungen des genannten Zeugen über seine Wahrnehmungen bei Verfolgung des flüchtenden Täters zu ermöglichen. Da somit die Aktenlage nicht gegen den vom Zeugen Michael H***** behaupteten - nur kurzzeitig während seines Wegfahrmanövers unterbrochenen (S 55/II) - Sichtkontakt zum flüchtenden Täter spricht, hätte es für die Beachtlichkeit des Beweisbegehrens weiterer Ausführungen über die Sichtmöglichkeit dieses Zeugen beeinträchtigende konkrete Umstände bedurft, die nur an Ort und Stelle zu klären gewesen wären.

Mit dem gegen die Ablehnung des Antrages des Angeklagten auf Stellung einer Zusatzfrage in Richtung § 11 StGB gerichteten Einwand wird eine Nichtigkeit nach der Z 4 des § 345 Abs 1 StPO nicht zur Darstellung gebracht, weil für die Anfechtung der Fragestellung ausschließlich der besondere Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO vorgesehen ist, und zwar auch dann, wenn ein zum Fragenschema gestellter Antrag vom Schwurgerichtshof abgelehnt wurde (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 5 zu § 345 Z 5). Aber auch unter diesem Gesichtspunkt vermag der Beschwerdeführer keine Nichtigkeit darzutun:

Gemäß § 313 StPO ist eine Zusatzfrage zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, die - falls sie als erwiesen angenommen werden - die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben würden. Der Angeklagte hat die Verübung des ihm zur Last gelegten Raubüberfalles stets in Abrede gestellt und sich deshalb niemals auf das Fehlen seiner Dispositions- oder Diskretionsfähigkeit im Tatzeitpunkt berufen. Auch nach dem Gutachten des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Univ.Prof.Dr.Prokop ist ein die Schuldfähigkeit des Angeklagten ausschließender Zustand zu verneinen (S 57 f/II iVm S 319/I).

Angesichts dieser Ergebnisse der Hauptver- handlung mangelte es an einem tatsächlichen Vorbringen, das die Annahme einer Zurechnungsunfähigkeit des Beschwer- deführers zur Tatzeit zumindest für möglich erscheinen ließ, sodaß die reklamierte zusätzliche Fragestellung nicht ange- zeigt war.

Schließlich versagt auch die Tatsachenrüge (Z 10 a), mit welcher der Beschwerdeführer aus ver- schiedenen Beweisergebnissen, insbesondere aus den Aus- sagen der Zeugin Petra W*****, Zweifel an seiner Täterschaft zu erwecken sucht. Schwerwiegende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen konnte er damit aber nicht auslösen. Die Beschwerdeargumentation, daß die Iden- tifizierung des Angeklagten durch die genannte Zeugin wegen ihrer widersprüchlichen Beschreibung seiner Hände frag- würdig sei, vermag den Anforderungen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nicht gerecht zu werden, weil sie sich nicht an der Gesamtheit der wesentlichen Verfahrensresultate orientiert. So ignoriert der Beschwerdeführer nicht nur die für ihn nachteiligen Ergebnisse der nach seiner Festnahme durchgeführten Wahlkonfrontation (vgl S 7, 25, 39, 45, 149 f/I), sondern auch die ihn eindeutig belastenden Angaben des Zeugen Michael H*****, der ihn bei seiner Flucht mit seinem in Tatortnähe abgestellten PKW zu einem außerhalb des Ortes gelegenen Parkplatz beobachtet hat. In dessen Bereich konnte der Angeklagte auch angehalten und bei ihm ein Teil des geraubten Geldes sichergestellt werden, während der Rest der Raubbeute in einem nahegelegenen Wald aufgefunden wurde (S 149/I). Zudem spricht für die Täterschaft des Angeklagten, daß die in der Bank vorgefundenen Schuhsohlenabdruckspuren nach kriminaltechnischer Untersuchung von den von ihm benützten Schuhen herrühren (S 343, 395/I).

Mit der Behauptung von Divergenzen in den Angaben der Petra W***** versucht der Beschwerdeführer ersichtlich nur die Glaubwürdigkeit dieser Zeugin zu schmälern, ohne damit aber die Unbedenklichkeit der Beweiswürdigung der Geschworenen ernsthaft in Frage stellen zu können. Der in der Beschwerde hervorgehobene Umstand, daß die Tatwaffe nicht vorgefunden werden konnte, vermag ihn wegen der naheliegenden Möglichkeit (S 149/I), sich der Waffe auf seiner Flucht zu entledigen, nicht zu entlasten. Das auf die Sicherstellung des Beuterestes bezugnehmende Beschwerdevorbringen erschöpft sich in bloßen Spekulationen über ein mögliches Täterverhalten, ohne auf die aktenkundigen Verfahrensergebnisse abzustellen.

Das Unterbleiben einer weiteren Beweisaufnahme (Einholung eines "sportmedizinischen Sachbefundes") könnte nur dann aus diesem Nichtigkeitsgrund (Z 10 a) bekämpft werden, wenn das behauptete Erhebungsdefizit auf einem Verstoß gegen die Pflicht zur amtswegigen Wahrheits- forschung (§§ 3, 232 Abs 2, 254 StPO) beruhte und sich daraus erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der entscheidungswesentlichen Tatsachenfeststellungen ergeben. Diese Voraussetzungen sind jedoch hier zu verneinen, weil der Akteninhalt keine Anhaltspunkte für eine solche Gesundheitsbeeinträchtigung des Angeklagten bietet, die ihn an einem Sprung über einen Bankschalter gehindert hätte.

Die sich offensichtlich auf nicht aktenkundige (neue) Beweismittel stützenden Beschwerdeausführungen "im Sinne eines Wiederaufnahmsgrundes gemäß § 353 StPO" können im Nichtigkeitsverfahren keine Beachtung finden.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeits- beschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschwo- renengericht das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, daß der Angeklagte drei Personen massiv bedroht hat und der Schadensbetrag relativ hoch ist, als erschwerend; als mildernd hingegen die bisherige Unbe- scholtenheit des Angeklagten, die Schadensgutmachung durch Sicherstellung der Beute und eine gering verminderte Zurechnungsfähigkeit im Sinne einer Einschränkung der Dispositionsfähigkeit. Es verhängte nach §§ 28 Abs 1, 143 erster Strafsatz StGB sechs Jahre Freiheitsstrafe.

Die dagegen gerichtete, auf eine Herabsetzung des Strafausmaßes abzielende Berufung des Angeklagten ist unbegründet. Mit Recht hat das Geschworenengericht die Bedrohung einer Mehrzahl von Menschen und die Höhe des Schadens (§ 32 Abs 3 StGB) als erschwerend angesehen. Im übrigen hat es die richtig und vollständig aufgezählten Strafbemessungsgründe auch zutreffend bewertet und ohne- dies an der Untergrenze des gesetzlichen Stafsatzes (von fünf bis zu fünfzehn Jahren) ein Strafmaß gefunden, zu dessen Ermäßigung der Oberste Gerichtshof keinen Grund zu finden vermag.

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.

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